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Österreichs Kupferstecher des Barocks

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Unter den Formen der Gebraudisgraphik nimmt das sogenannte kleine Andachtsbild eine ansprechende Stellung ein. Schon im Mittelalter hatte man in Österreich den Pilgern Erinnerungszeichen von den Wallfahrtsorten mitgegeben. So werden schon 1442 von Mariazell „Zellerische Marchzeichen“ gemeldet, und von Anhaberg ist es bekannt, daß man um 1514 „Annabildchen“ in Metall ausgab. Als sich mit dem 16. Jahrhundert der Kupferstich durch Christoph Plantsin (l5l4 bis 1589) durchzusetzen begann, bediente sich seiner bald auch das Pilgerwesen. Das Wallfahrtsbildchen von Mariazell steckte man sich damals sichtbar auf den Hut. Kaiser Ferdinand erbat 6ich 1621 bei seiner Wallfahrt ein „Zelle-risches Bildel“, um es den Pilgern gleichzutun. Als eines der ältesten Andachtsbilder ist jenes der Franziskaner in Wien für ihre Gnadenstatue „Maria mit der Axt“ zu datieren. Noch waren aber ih Österreich nicht die Künstler vorhanden, die den Bedarf an solcher religiöser Graphik entsprechen konnten. Deren Herstellung und Vertrieb lagen fast ganz in den Händen flämischer Kupferstecher. Für Mariazell ist als einer der frühesten Pierre Roy tätig, der in seinen Stichen noch die damalige rein gotische Kirche zur Darstellung bringt. Die Stecher Cornelius Galle (1576 bis- 1650), Joan Huberti (zwischen 1645 und 1653), Matthias van Sommere n, Michiel Bunejfe die rührige Familie van Me'r-len, besonders davon Cornelius (1654 bis 1723), die Familie Man und S a d e-ler belieferten außer Mariazell Pilgerstätten wie Maria-Taferl, den Sonntagberg, Scharten in Oberösterreich, Frauenberg in Steiermark, Luggau in Kärnten und auch die Wiener Michaeler- (Maria Candia) und die Stephanskirche (Maria Pötsch).

Da diese Leistungen, als Massenartikel berechnet, oft recht dürftig waren, konnten ihnen bald die Graphiker von Augsburg den Rang ablaufen, deren Künstlersohule seit dem Ende des

17. Jahrhunderts bis in die Mitte des

18. Jahrhunderts in der Herstellung der Andachtsbilder im kommerziellen Betrieb und organisatorischen Ausbau dafür die führende Rolle übernahm. Es ist nicht möglich, in diesem Rahmen eine erschöpfende Schau über alle großen und kleinen Talente zu geben, die sich damals mit technischen und geistigen Qualitäten um das kleine Andachtsbild bemühten. Da sind es die Kilian, Wolfgang, Rugendas, die Engebrecht, Göz, Niison, Pfeffel (den Wienern durch seine schönen topographischen Ansichten bekannt), Wille und viele andere; alle überglänzt die Familie Klauber an sicherem und geistvollem Können, deren Doyen Josef Sebastian (1700 bis 1768) sich mit Stolz, seiner Sendung bewußt, meist mit „Klauber catholicus“ unterzeichnet. Sebastian hat Österreichs Wallfahrtsorte — es waren deren weit über hundert — mit seinen reizvollen, dekorativen und virtuosen Eildchen stets bestens versorgt.

Allmählich erschienen auch österreichische Kupferstecher auf dem Plan, sie traten namentlich mit Beginn des 18. Jahrhunderts mit den Augsburgern und nicht ohne Erfolg in Wettbewerb. Auch in Österreich haben sich bedeutende Meister in den Dienst des kleinen Andachtsbildes, vor allem die Familie Schmutzer, die in Andreas (1700 bis 1741), Josef (1695 bis 1741) und Jakob (1733 bis 1811) in gediegener Darstellung und gedanklicher Hinsicht auch mit Klauber sich messen konnte. Und vorerst ist es ihr ausgeaeichneter, noch viel zu wenig gewürdigter Schüler Franz Leopold Schmitner (1703 bis 1761), der nun mit seinen ungemein gefälligen Darbietungen bald das österreichische Devotional-bild beherrscht und zahlreiche Wallfahrtsorte damit begabt, für deren längst im Sturm der Zeit verschwundenen oder vergessenen Gnadenbilder oft nur noch seine Stiche zeugen. Nun warfen sich mit Schmitner zahlreiche berufene und unberufene, recht dilettantische Graphiker auf einen so dankbaren, begehrten Absatz ihrer Kunst; darunter waren Einsiedler wie der sonderbare Magreiter. Wir nennen aus der großen Schar der Wiener Stecher Adam, Aßner, Berger, Bohacz, Dietell, Engelmann, Lidl, Mansfeld, Napert, Weinrauch und Winter, selbst den als Historiker verdienten Peter Fuhrmann finden wir unter ihnen, unzähliger kleinerer nicht zu gedenken.

Auch in den Kronländern blieb man nicht müßig. In Graz glänzte die Familie Kauperz, die mit Johann Veit (1741 bis 1816) alle anderen Graphiker an Rührigkeit hinfort in den Schatten stellte. Zahlreiche Altarbilder sind nur noch durch ihren tüchtigen Stichel bekannt. Neben Graz hat auch Innsbruck und besonders Salzburg, der Sitz kunstliebender Kirchenfürsten, noch manche Vertreter dieser religiösen Graphik hervorgebracht, so daß die Augsburger Produktion seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch die heimische ersetzt war.

Die josephinische Zeit und die Aufklärung, die viele Wallfahrtsorte auslöschte, versetzte nun diesem volkstümlichen Kunstbetrieb den ersten schweren Schlag. Aber auch die Reproduktionstechnik des Kupferstichs wurde überständig. Als im 19. Jahrhundert die Wallfahrtstätten eine neue Blüte erlebten, bestand keine Tradition mehr, an der die alte Künstlerschaft anknüpfte. Die Reproduktionsindustrie der Lithographie, des Stahlstichs, des Farbendrucks und in letzter Degenerierung die Klischees bemächtigten sich des Andachtsbildes. Noch befleißigen sich im Vormärz einzelne Verleger eines besseren Geschmacks, wie Schaufele in Stuttgart, Benziger in Einsiedeln, Pachmaier in Prag, später J. Haas in Wels oder C. Redlich in Innsbruck, die tüchtigere Zeichner heranzogen. Doch waren viele Erzeugnisse so unzureichend, daß die Kirche gegen den Kitsch Stellung nehmen mußte. Immerhin ging von einzelnen Verlegern immer wieder das Bemühen aus, mit würdigen Formungen zu erscheinen und liturgisch zu entsprechen, so von der Ars Catholica oder der Linzer Vereinsbuchdruckerei, die an die alten Vorlagen der Sammlung Pesendorfer anknüpfte.

Der Händlergeist hat das kleine Andachtsbild der Wallfahrtsorte — man kann wohl sagen — einem vollständigen Verfall überliefert, seiner Erscheinung kann kaum mehr eine künstlerische oder seelische Anteilnahme und ein liturgischer Wert gegenüberstehen. Gute Lichtbilder bieten heute als Erinnerung dem Pilger einen weit besseren Ersatz als der unkultivierte Kitsch der Devotionalbuden.

Nun erscheint das kleine Andachtsbild der österreichischen Gnadenstätten, unter denen es namentlich aus der Zeit des Spitzenschnittes — fein mit Messer und Pinsel bearbeitete Pergamentbilder — Prachtstücke gibt, nur mehr bestimmt, in den' Mappen der Sammler fortzuleben. In seinen künstlerischen und brauchtümlichen Ausdrucksformen, die immer wieder neue Anregungen für die Kulturgeschichte und Volkskunde bieten, zeigt es nachdrücklich, wie viele schöpferische Kräfte sich darum bemüht und darin auch hinreißend schönen Ausdruck gefunden haben. Und man mag auch ehrfürchtig darauf hinhören, *was diese vergilbten, oft in tiefen Nöten der Seele und des Leibes abgegriffenen Bildchen in geheimen Stimmen noch zu sagen vermögen, sie, die einst Weisung und Trost waren.

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