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Operneröffnung 1869

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Als man im Mai 1869 die neue Hofoper am Ring mit Mozarts „Don Juan“ eröffnete, wurde das dahinter liegende Kärntnertor-Theater noch nicht geschlossen. Erst am 17. April gab man dort mit Rossinis „Wilhelm Teil“ zum Abschied eine Wohltätigkeitsvorstellung. Aber selbst nach diesem „letzten“ Abend wurden im alten Haus noch ein- bis zweimal wöchentlich Spielopern gegeben, bis zum 1. September 1875. Erst dann wurde der Fundus dem Brünner Stadttheater überlassen und das alte Haus demoliert. Ein Grund für diese langsame Uebersiedlung war, daß man 1869 im neuen, größeren Hause nur zwölf Opern neu inszenieren konnte, 1870 schon fünfzehn, mit zwei Novitäten (darunter „Die Meistersinger von Nürnberg“), und 1871 elf. Das Repertoire umfaßte 1872 wieder 47 Opern und 10 Ballette. Das neue Haus wurde in Gegenwart Franz Josephs mit einem von der Zensur gekürzten Prolog des Direktors Dingelstedt eröffnet, gesprochen von Charlotte Wolter, mit begleitender Musik des „musikalischen Beirats“ Esser. Das Orchester, das von 90 auf 111 und dann auf 120 Musiker vermehrt worden war, gab Ende 1869 seine letzten Konzerte in der Hofoper, bevor es in das neue Haus des Musikvereins verlegt wurde.

Schon 1861, bald nach der Stadterweiterung, hatte man mit dem Bau der neuen Hofoper-begonnen, die Van der Null und Siccardsburg errichteten, die aber von Gustav Gugitz. und Josef Storck vollendet wurde. Im Dezember 1861 erfolgte der erste Spatenstich, im Mai 1863 die Grundsteinlegung, im Oktober 1865 wurde die Hauptgesimsgleiche erreicht. Obwohl das Haus schon im März 1866 fertig hätte sein sollen, begann die innere Dekoration erst Anfang 1869, aber der künstlerische Schmuck des Hauses war schon vorher beendet worden. Der Bau hatte etwas über sechs Millionen Gulden gekostet.

Die Restaurierung und Modernisierung des 1945 zerstörten Hauses, von dem nur die Außenmauern und das große Stiegenhaus mit Foyer und Loggia erhalten geblieben waren, hat zehn Jahre erfordert, also mehr als der ursprüngliche Bau. Allerdings nahm die Wegschaffung des Schutts und die Sicherung der Ruine lange Zeit in Anspruch, und lange Zeit wurde aus Geldmangel wenig oder nichts an dem Neubau gearbeitet. Er kostete 250 Millionen Schilling. Da jene sechs Millionen Gulden mit dieser Summe nicht leicht verglichen werden können, sei dafür ein Anhaltspunkt geboten: die Preise von 1869 waren für den „Eintritt in den 4. Stock“ 60 Kreuzer und für einen Parkettsitz, 1. Reihe, 5 Gulden; die von 195 5 werden normalerweise etwa 5 bis 90 Schilling sein. Bisher wurden nur die „erhöhten Normalpreise“ bekanntgegeben: 6 bis 110 Schilling.

Die Karten für die Eröffnungsvorstellung von 1869 kosteten 1 fl. bis 25 fl.; die der ersten Vorstellungen von 1955 20 bis 5000 S.

Von dem künstlerischen Schmuck des Hauses, dessen Programm Schwind entwarf, sind seine Zauberflöte-Fresken in der Loggia, seine Deckengemälde und Tempera-Lünetten im Foyer, jede einem der damals besonders geschätzten Opernkomponisten gewidmet, erhalten geblieben. Ebenso der plastische Schmuck, einschließlich der Büsten jener Komponisten, aber ausgenommen die Bildnisse der 1869 berühmten Sänger der Hofoper an den Brüstungen der Logen und die erst 1905 vor dem Hause aufgestellten Kandelaber (Siegfried und Don Juan von Zerritsch).

Von den vielen Gemälden im Hause sind außer jenen Schwind-Bildern, den Amoretten Geigers in der Vorhalle und den allegorischen Figuren von Dobiaschofsky im Stiegenhaus, nur vier Szenen aus „Figaros Hochzeit“ von Engerth erhalten geblieben. Zu den Verlusten von 1945 zählen Rahls Figurenbilder an der Saaldecke und der Vorhang der tragischen Oper, beides nach Rahls Tod (1865) von seinen Schülern Griepenkerl und Bitterlich ausgeführt. Auf diesem Vorhang war „Orpheus und Eurydice“ dargestellt, wie denn Glucks Oper neben der „Zauberflöte“ eine große Rolle im Bildprogramm des Hauses spielte; aber auch die Porträts der schon vor 1870 verstorbenen Architekten, Maler und Bildhauer des Hauses waren unter den Bewohnern der Unterwelt auf jenem Vorhang zu erkennen. Der Vorhang der komischen Oper stammte von Laufberger. Die Gemächer vor den Hoflogen waren reich geschmückt: die kaiserliche Treppe mit einem Orpheus-Fries von Engerth; die erzherzogliche Treppe mit einem Iphigenie-Fries von Swoboda; der Salon der Kaiserin Elisabeth mit Zimmermanns Wandbildern von Possenhofen, Starnberger See und Hohensalzburg, an der Decke Szenen aus Webers „Oberon“ von Madjera, der auch an der Decke des erzherzoglichen Salons ein Bild aus dem Schauspiel „Preziosa“, mit Musik von Weber, gemalt hatte. Im Kaisersaal, der zur Hoffestloge führte, waren jene Figaro-Bilder von Engerth zu sehen, aber auch ein Mozart-Relief von Schönthaler; im Salon vor dieser großen Mittelloge an der Decke ein allegorisches Bild von Madjera, mit angegliederten Kinderfiguren. Glucks „Orpheus“ war für Wien geschrieben worden, und so fügt es sich gut,' daß der Gegenstand des neuen eisernen Vorhangs wieder diese Oper geworden ist. Die ,,Zauberflöte“, die für das Freihaus-Theater geschrieben worden ist, auch noch in einem Gobelin-Zyklus zu verherrlichen, nachdem ihr Schwind die ganze Loggia und eine Lünette des Foyers gewidmet hat, scheint etwas übertrieben.

Alle ursprünglichen Bilder des Hauses sind in einem Lichtdruck-Album zu finden, das V. A. Heck 1894 verlegte, nachdem Friedrich Bruckmann in München schon 18 80 die Schwind-Bilder des Foyers, mit einem Text von Hanslick, in Photographien herausgebracht hatte. Zu Neujahr 1934 veranstaltete die Oesterreichische Galerie im Oberen Belvedere eine* Ausstellung zum Ruhm des Baues, mit Konkurrenz-Projekten, Kartons und Aquarellen aus der Albertina, der Bibliothek der Akademie der bildenden Künste und dem Museum der Stadt Wien. Diese Ausstellung zu erneuern, wäre heuer der Mühe wert.

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