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Osterreichische Zeichenhanst

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Klimts „Kuß” auf Armbanduhren, Schieies Aktdarstellungen auf einer Krawatte so begegnen einem die in den letzten Jahren in zahlreichen Großausstellungen als Stars der Wiener Jahrhundertwende gefeierten Künstler in den Museumsshops. So großartig sie sind, man hat sich sattgesehen.

Die Künstler der Zwischenkriegszeit sind hingegen, bis auf wenige Ausnahmen wie Herbert Roeckel oder Oskar Kokoschka, international unbekannt geblieben.

In einer Ausstellung, in der das „unmittelbare” Medium Zeichnung im Zentrum steht, leisten die beiden Kuratoren Antonia Hoerschelmann und Peter Weiermeier nun Nachholarbeit. Mit Exponaten von 58 Künstlern zeigen sie die Vielfalt der österreichischen Zeichenkunst, auch nach dem Tod von Schiele und Klimt im Jahr 1918 und der Emigration des „Oberwildlings” Oskar Kokoschka.

Das Kunstgeschehen nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich verändert. Politische Unruhen und wirtschaftliche Unsicherheiten hatten auch die Kunstwelt nicht unbeteiligt gelassen. Wien blieb nicht wie um die Jahrhundertwende alleiniges kulturelles Zentrum. Viele Künstler zogen sich in die Rundesländer zurück, in denen Gruppierungen wie der Nötscher-Kreis in Kärnten entstanden.

Die Ausstellung macht die stilistische Komplexität innerhalb der Kunstlandschaft zwischen den Kriegen deutlich. Realistische Zeichnungen Wiegeies findet man beim Gang durch die chronologisch gehängte Schau ebenso wie konstruktive Arbeiten der Wiener Kinetistin Erika Gio-vanna Klien oder phantastische Visio nen Paul von Rittingers.

Trotz der divergierenden künstleri sehen Haltungen ist den österreichi sehen Künstlern dieser Epoche eines gemeinsam: Im Unterschied zu ihren deutschen Kollegen wird Tagespolitik kaum thematisiert.

Interessant erscheint, daß hervorragende Zeichnungen weniger bekannter Künstler wie Edmund Kalbs eindrucksvolles „ Selbstporträt” (1930) zu sehen sind, zugleich aber auch Papierarbeiten von Künstlern gezeigt werden, die vor allem in einem anderen Medium ihr Hauptwerk schufen. Dazu zählen die Aquarelle des Bildhauers Fritz Wotruba oder die expressiven Graphiken Rudolf Wackers, die sich von seinen neu-sachlichen Ölbildern unterscheiden.

Die Schau endet mit dem Jahr 1938, in dem der „Freiheit der Kunst” ein jähes Ende gesetzt wurde. Einige der Künstler wirkten wesentlich auf das Kunstgeschehen der Nachkriegszeit, wie etwa Albert Paris Gütersloh als „Vater” der phantastischen Realisten .

Gleichzeitig mit der Ausstellung präsentiert das Kunstforum anläßlich des Jazz-Festes in Wien den druckgraphischen Zyklus „Jazz” (1947) von Henri Matisse. Die farbenfrohen Tafeln mit den verbindenden handschriftlichen Textseiten werden zu einem Kunsterlebnis, das man nicht versäumen sollte. (Ris 18. August)

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