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Ungarische Malerei des 19. Jahrhunderts in der Kunsthalle Krems.

Bis Februar 2007 könne der Besucher in der Kunsthalle Krems der ungarischen Seele begegnen, verspricht Direktor Tayfun Belgin. "Romantik und Realismus im Land der Magyaren", so der Untertitel der 68 Bilder und einige Fotografien umfassenden Ausstellung, will belegen, dass die ungarischen Maler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts keinesfalls "Epigonen der einen oder anderen ausländischen Stilrichtung" waren.

Das behauptet die Kuratorin der Ungarischen Nationalgalerie in Budapest, Zsuzsanna Bako, und führt zum Beweis an, diese Künstler seien geprägt gewesen von "Liebe zum ungarischen Boden, zum ungarischen Volk und zu seiner Vergangenheit". Sie hat aus Budapest Bilder mitgebracht, die ihre These stützen: Da dehnt sich die ungarische Tiefebene mit obligatem Ziehbrunnen, da fiedeln Zigeuner, da galoppiert ein Siebenspänner durch Debrecen. Ein als Orpheus verkleideter Stehgeiger ziert das Ausstellungsplakat. Mit einem Wort: Kein pannonisches Klischee wird ausgelassen.

Schlechte Vermittlung

Riesige Historienschinken, die wichtige Ereignisse der bei uns wenig bekannten ungarischen Geschichte präsentieren, prangen ohne jede Erklärung des Dargestellten an der Wand. Wer kennt hierzulande die tragische Geschichte des Königs Béla IV., der 1241 vor den Tataren fliehen musste? Auf einem anderen Bild ersticht unter dräuenden Wolken ein Mann die Frau in seinen Armen. Nur aus dem Katalog ist zu erfahren, dass ein gewisser Mihály Dobozy mit seiner Gattin im Zug der Türkenbesetzung des 16. Jahrhunderts aus dem besetzten Gebiet floh; als er jedoch erkannte, dass es kein Entrinnen gab, tötete er zuerst sie, dann sich selbst: Streiflichter aus einem geschundenen Land, dessen Künstler im 19. Jahrhundert durch den Rückgriff auf die Vergangenheit das Nationalbewusstsein wecken wollten. Ist dieser thematische Rückgriff auf die Geschichte wirklich eine ungarische Besonderheit? Beherrschte der Historismus nicht ganz Europa, ja sogar die frühe Malerei in den USA?

Künstlerische Volksseele?

Die ungarische Seele spiegele sich außer in Historienbildern auch in sozialen Anklagen, Bildern von Not und Elend der Landbevölkerung, trauernden Witwen. Im Katalog schreibt Frau Bako: "Eines der wichtigsten Merkmale der ungarischen Malerei der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist wohl der Reichtum an Gefühlen, welche die Werke, unabhängig von Thema und Stil, ausstrahlen und deren Quelle eben die auf Veränderungen mit großer Sensibilität reagierende ungarische Seele ist."

Kühn, wie hier eine künstlerische "Volksseele" postuliert wird für Maler, die ausnahmslos in Wien, München und Paris ihr Handwerk gelernt haben, weil es bis 1871 in Ungarn keine Ausbildungsmöglichkeit gab. Die Vorbilder einiger ungarischer Künstler reichen erstaunlich weit zurück: Bis ins 17. Jahrhundert, bis zu Claude Lorrain und Nicolas Poussin. Andere ließen sich anregen vom Wiener Biedermeier, lernten in Barbizon, erhielten Anregungen von der Kunst Courbets, studierten bei Leibl und Piloty in München, waren mit dem Wiener Malerfürsten Makart befreundet. Viele lebten im Ausland und verbrachten nur ihre Sommerferien am Plattensee oder in Dörfern an der Theiß.

Tayfun Belgin glaubt an das Erzählen von Geschichte und Geschichten mittels der Malerei des 19. Jahrhunderts. Was für eine Chance hätte sich eröffnet, bei einer sorgfältigen Auswahl der Leihgaben, den Besuchern in Österreich gewisse Fragen zu stellen zur gemeinsamen österreichisch-ungarischen Geschichte, zum Beispiel: Was für ein Bild von Ungarn habt ihr Österreicher? Ist es geprägt von den Sisi-Filmen oder der vagen Vorstellung, den Ungarn sei es unter den Habsburgern sowieso viel besser ergangen als anderen Völkern der Monarchie?

Verschenkte Chancen

Wie lebten die Ungarn, nachdem sich das Land eine beachtliche Teilautonomie erkämpft hatte: Ab 1867 hatte Ungarn nur mehr die Außen-und Verteidigungspolitik mit Österreich gemeinsam. Wie haben Künstler in einem armen Bauernland materiell überlebt, in dem die Bevölkerung von 13 Millionen im Jahr 1850 auf 20 Millionen im Jahr 1910 angewachsen war? Waren vielleicht gerade österreichische Adelige und das Kaiserhaus in Wien ihre Käufer? Und haben sich die Künstler ihren Auftraggebern angepasst?

Bedenkt man, wie viele der in Krems Präsentierten jenseits ungarischer Themen ihr Geld mit Porträts und Staatsaufträgen sowie der Ausgestaltung von Wiener Gebäuden verdient haben, so erkennt man: Diese Ausstellung ist ein Konstrukt, zusammengezwungen durch Wunschdenken. Das heißt nicht, dass sich unter den Bildern nicht berührende Kunstwerke befinden, zum Beispiel von Munkácsy und Pál Szinyei Merse, der unabhängig von den Franzosen den Impressionismus für sich erfand.

Der Katalog bietet einen einzigen Aufsatz aus der Feder der Kuratorin. Seine kunsthistorisch verschwommene Terminologie erhellt wenig; dasselbe gilt von Sätzen wie folgendem: "Das Nebeneinander von lichterfüllten Streifen in Károly Ferenczys ,Malerin' gestaltet den Raum und erweckt die Illusion der Räumlichkeit."

DIE UNGARISCHE SEELE

Romantik und Realismus

im Land der Magyaren.

Kunsthalle Krems

Franz-Zeller-Platz 3, 3500 Krems

www.kunsthalle.at

Bis 11. 2. 2007 tägl. 10-18 bzw. 17 Uhr

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