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Die Ausstellung "Corpus Christi" in der Kunsthalle Krems widmet sich dem Leben Jesu. Nicht mit Gemälden, sondern mit der Kunst der Fotografie.

Im Jahr 1826 erfüllte sich ein Herzenswunsch der Menschheit. Endlich konnte man die Welt, so wie sie wirklich war, auf ein Bild bannen. Zumindest gaben sich führende Meinungsbildner dieser naiven Ansicht hin. Zwar stießen sich die ersten Fotopioniere daran, dass diese Übertragung der Welt nur in Schwarz-Weiß, und damit offensichtlich nur auf defizitäre Weise möglich war. Der Vorteil gegenüber dem immer manipulativen Vorgehen der Malerei oder der Zeichnung lag auf der Hand. Als Henry Fox Talbot, einer der Fotopioniere, eine erste theoretische Schrift "Der Zeichenstift der Natur", die mit seinen Fotografien illustriert war, herausgab, pries er darin die Errungenschaft der Fotografie damit an, dass hier kein Künstler mehr beim Abbilden der Natur dazwischenpfuschen würde.

Versuchte Perfektion

In seiner Interpretation war es die Natur selbst, die in Form der durch Lichteinfluss ausgelösten chemischen Prozesse ihr eigenes Abbild schafft. Selbstverständlich funktioniert dies nur, wenn man - ein Fotokünstler - davor alle technischen Vorbedingungen erfüllt hat. Nichtsdestotrotz erfüllt die Fotografie eine erkennbare Nähe zur Vorlage in der Natur wie sonst kein anderes Medium, wenngleich sich über das, was denn Ähnlichkeit sein könnte, endlose Debatten anzetteln ließen. Angesichts des nach wie vor gültigen Anspruchs der Fotografie auf den Weltmeistertitel in Sachen Ähnlichkeit entsteht dann umso mehr Spannung, wenn eine Ausstellung verspricht, Christusdarstellungen in der Fotografie zu präsentieren.

Gleich vorweg, die sensationelle Aufnahme einer primitiven Kamera aus dem Jahr 30 nach Christi Geburt, die Jesu Konterfei für die römische Kriminaldatei aus dem Geheimarchiv von Pontius Pilatus zeigt, ist nicht unter den Exponaten. Es geht also, um in der eben waghalsig entwickelten Vorstellung von Ähnlichkeit zu bleiben, nicht um den "echten" Jesus, sondern nur um den gespielten, den nachgestellten, den inszenierten Jesus. Aber auch das ist anregend genug.

Inszenierung des Bildes

Der Ausstellung geht es darum, Christus als universelles Symbol auch innerhalb der künstlerischen Ergüsse der Fotografie zu zeigen. Denn ähnlich wie die vor der Fotografie den Markt beherrschenden Techniken von Malerei, Zeichnung und Druckgrafik interessierte sich auch die Fotografie für biblische Geschichten, die sie neu interpretierte und neu inszenierte. Schließlich stand die Fotografie ja in der Tradition von drei der berühmtesten Abbilder von Jesus, die - zumindest der wahrhaftig erfundenen Legende nach - allesamt durch den Direktabdruck von Jesus auf ein Trägermaterial entstanden sein sollen. Das älteste Beispiel ist das Schweißtuch der Veronika, das diese Jesus auf dem Weg nach Golgotha reicht, und Jesus transpiriert sein Konterfei auf das Leinen. Das Mandylion von Odessa, ein Linnentuch, das Jesus benutzt haben soll, um sein Gesicht nach dem Waschen zu trocknen, trägt ebenfalls die dabei fixierten Züge des Heilands. Das Turiner Grabtuch schließlich zeigt einen Ganzkörperabdruck in Vorder-und Rückansicht.

Das erste Negativ

Ganz gleich, aus welcher Zeit es tatsächlich stammt und wen es zeigt, die Verbindung zur Fotografie ist frappant. Denn erst als Secondo Pia im Jahr 1898 und Guiseppe Enrie 1931 in bessere Qualität eine Fotografie des Tuches herstellten, zeigte sich, dass es wie ein fotografisches Negativ funktioniert. Die direkten Auswirkungen blieben zwar begrenzt, schließlich hatte eine bereits 1500 jährige Geschichte der Kunst das Antlitz des bärtigen Mannes mit den langen Haaren dermaßen durchgearbeitet, dass es nun auch von der Fotografie in großen Teilen übernommen wurde.

Neben einer Massenware, Vulgarisierungen, die in Form einer inflationären Verbreitung populärer und populistischer Aufnahmen pseudo-klassischer Szenen und Bilder vor allem durch die Touristen und Pilger in Jerusalem Verbreitung fanden, finden sich auch Exponate, die einen "anderen" Blick auf Jesus freigeben, wenngleich dieser dann oft sehr kritisch, manchmal auch angriffslustig bis blasphemisch ausfällt.

Provokation der Kunst

Wenn Rauf Mamedov Leonardos Abendmahl mit Protagonisten, die allesamt am Downsyndrom leiden, nachstellen lässt, bleibt die Interpretation in der Schwebe, wenn hingegen Joel-Peter Witkin ein "Gekreuzigtes Pferd" zeigt, fühlt man sich an das Schmähkruzifix mit dem Eselskopf aus der römischen Katakombe erinnert. Berührend hingegen, wenn Luis Gonzales Palmas Bildnis eines Jungen von einer schwebenden Dornenkrone überhöht wird, so als müsste der Junge erst hineinwachsen, wobei ihm andererseits gar keine andere Wahl als die Dornenkrone bleibt. Andres Serrano zeigt einen schwarzen Christus mit einer weißen Mutter als Inszenierung, während Manuel Alvarez Bravo eine unmittelbare Aktualisierung und Identifizierung vorstellt: sein ermordeter streikender Arbeiter liegt da wie der Leichnam Jesu. Duane Michals zeigt Jesus bei seiner Wiederkunft in New York und stellt in dieser Serie die Frage, ob ihn die Menschen auch diesmal wieder missverstehen werden.

Corpus Christi

Christusdarstellungen in der Fotografie

Kunsthalle Krems

Franz-Zeller-Platz 3, 3500 Krems-Stein

www.kunsthalle.at

Bis 24. 9. täglich 10-18 Uhr

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