Paul Flora: Amüsant, rätselhaft
Die Arbeiten des Zeichners Paul Flora, vielen als Zeit-Karikaturist ein Begriff, sind vom Sinistren und Sonderbaren gekennzeichnet. Die Albertina zeigt eine Retrospektive.
Die Arbeiten des Zeichners Paul Flora, vielen als Zeit-Karikaturist ein Begriff, sind vom Sinistren und Sonderbaren gekennzeichnet. Die Albertina zeigt eine Retrospektive.
Drei Pestärzte mit markanten Schnabelmasken, die von einem Raben angekrächzt werden. Ein Rattenfänger, dem zahlreiche Tiere durch dunkle Gassen folgen. Eine Laterne, die Licht ins düstere Venedig bringt. Das Werk des Tiroler Zeichners Paul Flora ist von sonderbaren Gestalten ebenso gekennzeichnet wie vom Sinistren und Abgründigen. Die Albertina würdigt den 2009 Verstorbenen anlässlich seines 100. Geburtstags und zeigt umfassend, wie sich der Künstler über sieben Jahrzehnte mit höchst feinen Strichen der Melancholie und dem Humor gleichzeitig verschrieben hat.
Begonnen wird mit der allerersten Arbeit, die Paul Flora 14-jährig anfertigte – und die schon vieles vorwegnahm, wofür der Künstler zeitlebens stehen sollte. Mit wenigen filigranen Linien skizziert er zwei dicke, blätterlose Bäume vor einem breiten Fluss, alles ist ganz in Schwarz-Weiß gehalten, die Weite des Raumes wird spürbar. Fein und fragil geht es auch in Arbeiten weiter, die Zirkustiere, Jongleure, oft in Schieflage befindliche Schiffe, Flugzeuge oder aus der Zeit gefallene Sonderlinge in reduzierten, klaren Linien skizzieren. Nicht von ungefähr beschrieb Erich Kästner die Arbeitsweise von Paul Flora, den er einen „Bildschriftsteller“ nannte, einmal wie folgt: „Flora schreibt seine Linien so zart und zärtlich aufs Papier, als habe er Angst, ihm wehzutun. Und wo er nur irgend kann, lässt er das unbeschriebene, unverletzte Weiß aufs Effektvollste mitwirken. Das Äußerste, was er dem Blatt zumutet, sind haarfeine, haargenaue Linien. Seine Feder haucht und flüstert. Sie streichelt, wenn sie strichelt.“ Jedes dieser Worte findet man in den teils düsteren und vom Dämmerlicht beherrschten Arbeiten Paul Floras wieder. Ob er nun magisch erscheinende, surreale Landschaften und mysteriöse Gestalten erfindet, ob er jene Raben zeichnet, für die ihn viele kennen. Oder ob er gegen Ende seines Schaffens den Horizont ganz zum Blattrand hinaufwandern lässt und das Weiß des Blattes als Schnee in seine Komposition aufnimmt.
Bei aller Melancholie, die sich auch durch seine Zeichnungen, beispielsweise jene von Venedig, zieht, sind es oft auch amüsant und doch rätselhaft wirkende Szenen, die Paul Flora schuf: Auf den Dächern von Wolkenkratzern, die nunmehr durch Gitterstrukturen und Schraffierungen statt durch einfache Linien geschaffen wurden, finden sich Berge mit Hütten, rauchende Öfen, ein Wolf, der um ein spärlich beleuchtetes Haus schleicht, oder ein gewaltiger Dinosaurier neben einem Schrebergarten. Etwas Bedrohliches geht von einigen Werken aus, andererseits auch oft etwas zum Schmunzeln. Was Wunder, war Paul Flora doch auch ein begnadeter Karikaturist, dessen Werke vor allem in den 1960ern in der Zeit international für Aufsehen sorgten.
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