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Paul Klee in Paris

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Paul Klees dreißigster Todestag war für das Pariser Musee d'Art Moderne der Anlaß zu einer Retrospektive, von der sich alle Klee-Bewunderer eine wesentliche Ausweitung ihres Kreises erhoffen. Die Bauhaus-Ausstellung zu Beginn des vergangenen Jahres hatte das Terrain präpariert. Eine beachtliche Anzahl von Besuchern hat inzwischen die Klee-Ausstellung gesehen — und doch: Den Franzosen fällt es offensichtlich schwer, sich in Klees verzaubertem Universum wohlzufühlen, ja schon der Zugang scheint nur wenigen zu gelingen. Als der „in unserem Jahrhundert bedeutendste Künstler des Humors und des Wunderbaren“ wird Klee dem französischen Publikum vorgestellt. Muß diese zwar attraktive aber formelhafte Klassifizierung die Neugierde des unbefangenen Besuchers nicht limitieren? Wer weder Humor noch Wunderbares entdeckt, sucht kaum nach anderen Aspekten. Allenfalls beeindrucken die Illustrationen zu Voltaires „Candide“, gefallen die fünf Aquarelle aus der tunesischen Zeit. Der Humor der Bilder ist ja meistens nur begreiflich, wenn man die kurzen Sätze, die Klee seinen Werken mitgibt, begreift.

Auch mit dem Hinweis, Klee sei der „letzte große deutsche Romantiker“, ist den Franzosen kaum geholfen, schreibt doch Frangoise Cachin-Nora in ihrem Katalogbeitrag, daß die literarischen Kenntnisse der Franzosen vom romantischen Deutschland durch drei Kriege getrübt worden seien. Dieses auf äußere Umstände verweisende Argument kann keine befriedigende Erklärung für ein verbreitetes Klee-Unverständnis sein. Wenn man, wie Frau Cachin-Nora, den Ursachen auf den Grund geht, stößt man alsbald auf ein Mißverständnis: Klee war in den zwanziger Jahren in Paris bekannt, ja fast berühmt, als die Surrealisten ihn für sich entdeckten und ihn eine Zeitlang als einen der ihren betrachteten, bis seine Exaktheit ihnen pedantisch, sein bildnerisches Denken ihnen lästig wurde. Betonten sie am Anfang rühmend die „Finesse und Gewandtheit des Deutschen, die Im Gegensatz zur germanischen Schwerfälligkeit mancher Franzosen stehe“, entschied 1929 Philippe Sou-pault, daß Klee nicht zu schockieren verstehe. Und dieser Eindruck scheint noch heute gültig zu sein, denn „bei diesem Künstler gibt es, wenn die Phantasie ihre Arbeit getan hat, etwas Geordnetes, in dem deutsche Systematik und Schweizer Gründlichkeit sich vereinen“. Klee hat sich mehrfach in Frankreich aufgehalten, er sah in ihm das Kulturland par excellence, er bewunderte seine Museen, seine Kunstwerke, seine Landschaften und liebte seine Küche, doch als Wahlheimat konnte für ihn, der in allem auf die Elemente zurückgriff, Frankreich nicht in Frage kommen. Daß seine Doppelnatur vielen Franzosen rätselhaft ist, mag auch mit dieser Distanzierung zusammenhängen. Seit 1959 liegt die französische Übersetzung (von Pierre Klossowski) der „Tagebücher“ vor. Bis dahin war nur selten und mehr oder weniger zufällig in Zeitschriften über Klee berichtet worden. In den letzten Jahren haben sich u. a. Marcel Brion, Claude Roy, Michel Butor, der die „bewundernswerten kalligraphierten Bildtitel auf einer mit dem Lineal gezogenen Linie“ interpretierte, mit Klee beschäftigt. Sartre nannte ihn „einen Engel, der die Wunder der Welt neu schafft“.

Die Ausstellung mit ihren 200 Arbeiten — 145 Gemälden und Aquarellen, 28 Zeichnungen und 17 Graphiken — wurde hauptsächlich von der Berner Klee-Stiftung und der Sammlung Felix Klee beschickt. Klee ist den Franzosen vertrauter geworden — vertrauter jedenfalls als nach der quantitativ umfassenderen Retrospektive im Februar 1948, der Streiks und eine quasi einmütige Interesselosigkeit schon nach zwei Wochen ein Ende machten.

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