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Politik mit Dirndl und Lederhose

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ln den Anfängen der Salzburger Festspiele hatte die Trachtenmode eine wirtschaftliche, gesellschaftliche wie auch politische Bedeutung.

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ln den Anfängen der Salzburger Festspiele hatte die Trachtenmode eine wirtschaftliche, gesellschaftliche wie auch politische Bedeutung.

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Die ganze Stadt ist Bühne und alle spielen bei dieser allgegenwärtigen Inszenierung mit. Das war Max Reinhardts Konzept für die Salzburger Festspiele, welche denn auch die Salzachstadt sehr rasch „zum Brennpunkt europäischer Kunstsehnsucht“ machten (Paul Stefan in seinem Toscaninibuch, 1935). Stefan Zweig beschrieb das sommerliche Salzburg der Anfangszeit der Festspiele als „künstlerische Hauptstadt nicht nur Europas, sondern der ganzen Welt“, als einen „Treffpunkt der Könige und Fürsten, amerikanischen Millionäre und Filmdivas, Musikfreunde, Künstler, Dichter, Snobs“. Sie alle waren zusammen mit den Bewohnern von Salzburg Mitspieler der allsommerlichen Inszenierung. Immer öfter traten sie dabei in charakteristischer Kleidung auf. „Salzburger Landestracht — weiße kurze Leinenhosen und Joppen für die Männer, das bunte ,Dirndlkostüm1 für die Frauen - das winzige Salzburg beherrschte mit einemmal die Weltmode“, berichtet Stefan Zweig dazu.

Das Tragen der Trachtenmode von Gästen aus aller Welt und natürlich auch von vielen Einheimischen zählte zu den wesentlichen Ingredienzien des einzigartigen „Salzburger Flairs“, das die Festspielstadt damals für viele so anziehend machte. Wobei all jene, die sich in „Gebirgstracht“ wie Leinenjanker mit Hirschhornknöpfen, Lederhosen - kniekurz oder dreiviertellang - samt entsprechenden Stutzen, Schuhen, Hemden und Hüten oder aber in Dirndlkleider und Kostüme aus „Dirndlkotton“, Bauernleinen oder Loden hüllten, dafür durchaus verschiedene Beweggründe hatten.

Wer in Salzburg in der Zeit zwischen 1920 und 1938 Trachten trug und warum - das haben Ulrike Kammerhofer-Aggermann, die derzeit karenzierte Leiterin des Salzburger Instituts für Volkskunde, und ihre beiden Fachkolleginnen Alma Scope und Monika Gaurek genauer untersucht. Die Ergebnisse sind bereits 1993 in Buchform publiziert worden. Grundlage der Untersuchungen, die teilweise vom Verein der Freunde der Salzburger Festspiele finanziert wurden, sind zeitgenössisches Bild- und Dokumentationsmaterial, literarische, kulturhistorische und trachtenkundliche Texte, Zeitungsberichte oder auch die Kundenbücher der Firmen Sporthaus Lanz und Jahn-Markl.

Besonders viele Bilder von trachtentragenden Festspielkünstlern enthält das in der Max Reinhardt-Forschungsstätte aufbewahrte Fotoarchiv Ellinger. Als aufschlußreich erwiesen sich aber auch das private Fotoalbum des bekannten Bassisten Richard Mayr oder die Sammelmappe über einen Trachtenumzug in Jenndorf, der bereits 1910 stattgefunden hat - beides heute im Salzburger Museum Caroline Augusteum.

Wie Alma Scope schildert, ging das „Volkstümliche“ gerade am Anfang der Festspiele eine ganz enge Verbindung mit diesen ein. „Es war wohl kein Zufall, daß der deutsche Schauspieler Werner Krauß 1920 als Entlohnung für seine Mitwirkung am „Jedermann“ eine Lederhose aus dem Hause Jahn bekam — ebensowenig, daß seine Mitspieler stattdessen mit Salzburger Souvenirs ausgestattet wurden. Auch Hermann Bahr sah eine wesentliche Komponente des Festspielkonzeptes in der „Volkstümlichkeit“. Für Hugo von Hofmannsthal waren Salzburger Festspiele Schauplatz des „Einfachen“ und „Ländlichen“.

Man wollte wohl auch den Kritikern aus dem antisemitischen und deutschnationalen Lager, die vor allem Max Reinhardts Inszenierung des „Salzburger Großen Welttheaters“ in der Salzburger Kollegienkir- che (1922) mit vehementen Angriffen eindeckten, den Wind aus den Segeln nehmen: Die Salzburger Festspiele, die von vielen als „Boten der Moderne“ und Symbol eines für die Einheimischen unerschwinglichen Luxus angesehen wurden, suchten deshalb bewußt auch den Kontakt zur einheimischen Bevölkerung herzustellen. Das Tragen von Dirndl und Joppen gehörte zu diesem Bemühen ebenso dazu, wie etwa das Engagement „richtiger Salzburger Bauernspieler“ für die Festspiele.

„VOLKSTÜMLICHE“ FESTSPIELE

Daß der Hang zum Landleben und zur bäuerlichen Tracht schon seit der Jahrhundertwende auch bei den Stadt-Salzburgern vom Großbürgertum bis zu den Arbeitern immer stärker wurde — was sich beispielsweise in der Gründung von Trachtenvereinen, in der Abhaltung von Trachtenumzügen oder in den Bemühungen zur Trachterneuerung ausdrückte kam diesem Konzept „volkstümlicher“ Festspiele entgegen. Einer, der gleichzeitig als Festspielstar und als typischer Vertreter der „Salzburger“ Note im Festspielgeschehen hervortrat war der Sänger Richard Mayr. Sein Haus in Henn- dorf war Schauplatz zahlreicher künstlerischer Begegnungen. So waren der Wiener Bühnenbildner Alfred Roller, Komponisten, wie Richard Strauß, Siegfried Wagner und seine Gattin Winifred Wagner, die nach dem Tod ihres Mannes die Leitung der Bayreuther Festspiele übernahm, der Dirigent Bruno Walter, der Architekt Clemens Holzmeister, aber auch Hugo von Hofmannsthal hier ständige Gäste. Für sie alle war das Tragen von Trachtenmode bei ihren Henndorfbesuchen fast ein „Muß“.

So verwundert es nicht, daß gegen Ende der zwanziger Jahre auch bei den Festspielproben in- und ausländische Akteure in Dirndl und Lederhosen aufkreuzten und daß die einer deutsch-österreichischen gesellschaftlichen Oberschicht vorbehaltenen „Sommerfrischenmode“ nach und nach auch im Publikum aus aller Welt begeisterte Anhänger fand. So kleideten sich der Herzog von Windsor ebenso wie der Maharadscha von Kapurthalamder Franklin D. Roosevelt anläßlich ihrer Festspielbesuche in Salzburg bei den mittlerweile weltbekannten Trachtenfirmen ein.

Es gab also gerade in den ersten Festspiel] ahren vielfältige Wechselwirkungen zwischen dem Kleidungsverhalten von Einheimischen, Salzburgtouristen und Künstlern. Interessant ist, was die drei Wissenschaftlerinnen über die bisher wenig beachteten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Hintergründe des Trachtentragens in Salzburg der zwanziger und dreißiger Jahre herausfanden.

Denn die Leinenjoppen, Salzburger „Hütl“, Kniestutzen und Haferlschuhe wurden wie gesagt damals von ganz unterschiedlichen Gruppen aus ganz verschiedenen Gründen für sich entdeckt und getragen. Das waren erstens einmal die Sommer- und Festspielgäste, die die vom Henndor- fer Wirt und Modeschöpfer Carl Mayr, dem Bruder Richard Mayrs, entworfenen Bauernleinenjacken und Dirndlkleider mit Begeisterung aufnahmen: Eine leichte, luftige Sommerkleidung, die die Fremden den Einheimischen annäherte und sie dennoch von ihnen unterschied. Ein gekonnter Mix aus alten Trachtenelementen regionaler Herkunft und Mayrs eigenen, teilweise vom Jugendstil hergeleiteten Vorstellungen. Und ein wirtschaftlicher Erfolg, wie etwa die alten Kundenbücher der Firma Lanz zeigen.

Auf einer etwas anderen Ebene spielte sich die Wiederentdeckung der Tracht durch die Salzburger selbst ab. Quer durch Gesellschaftsschichten und politische Ansichten wurde „Trächtiges“ einerseits als praktisches Bergsteiger- und Alltagsgewand verwendet. Andererseits wurde das Trachtentragen für verschiedene Heimat-, Freizeit- und Wandervereine immer mehr zum Ausdrucksmittel einer bestimmten politischen Einstellung. Auch der 1935 offiziell als „Uniform für Beamte, Lehrer und Bürger“ präsentierte „Salzburger Landesanzug“ zielte in diese Richtung. Er war Symbol eines spezifisch österreichischen Heimatbewußtseins, das in jenen Jahren als Opposition gegen nationalsozialistische Vereinnahmung besonders betont wurde.

POLITISCHE VEREINNAHMUNG

Doch gerade auch die - noch illegalen — Nationalsozialisten benützten Trachtenelemente wie Lederhosen und weiße Kniestrümpfe als Erkennungszeichen. Die Kluft, die sich so zwischen den verschiedenen „Trachtenträgern“ in Salzburg auftat, wurde gegen Ende der dreißiger Jahre daher immer größer. Auf der einen Seite gab es noch das von Festspielkünstlern und -gästen betriebene Spiel mit Mode, Nostalgie, Verkleidung und Lokalkolorit. Auf der anderen Seite stand die politische Vereinnahmung der Fracht. Das Ende ist bekannt: Im Juli 1938 wurde den Juden und damit einem Hauptteil der Salzburger „Festspiel- gesellschaft“ das Tragen von alpenländischen Trachten verboten. Aus der sommerlichen Idylle mit Leinenjoppen und Haferlschuhen selbst auf der Jedermann-Bühne war - so schreibt die Wissenschaftlerin Alma Scope - für viele der an der Salzburger Szene Mitwirkenden längst eine lebensbedrohliche Situation geworden.

Heute sind die exquisiten Dirndlkreationen und Leinenanzüge natürlich längst wieder ins sommerliche Salzburger Stadtbild zurückgekehrt. Aber handelt es sich dabei noch um etwas spezifisch Salzbur- gerisches? Sicher ist jedenfalls, mit Politik haben Dirndl und Haferlschuh nicht mehr allzu viel zu tun! Was aber weiterläuft in immer neuen Variationen ist das modische Spiel!

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