6715444-1964_40_15.jpg
Digital In Arbeit

Pop!

Werbung
Werbung
Werbung

Vor einigen Jahren waren besonder die linksorientierten Intellektuellen dei angelsächsischen Welt in einer heftiger Diskussion begriffen, deren Inhalt di zunehmende Isolierung der Kunst au: der einen Seite und auf der anderen di Vermassung gewisser ästhetischer Wert war. In dieser Diskussion wurden einig Begriffe herausgebildet, die dann in ihre: Abkürzung recht allgemeine Verwendunf erfahren haben und zugleich eine Erwei terung ihrer Bedeutung. Mit „mass cul ture“ — Massenkultur — meinte mar die von den großen Massen konsumiert Kultur, die Abkürzung „mass cult“ hat inzwischen eine derogative Bedeutung erhalten. Weil nicht alle Kritiker in dei Konsumkunst, besonders in den Abarter der Unterhaltungsmusik, Jazz und Schla ger, einen negativen Aspekt entdecket wollten, bezeichneten sie jene Produkt der Unterhaltungsindustrie als „populai art“. Die Abkürzung „pop art“ hat inzwi scheit Verbreitung in aller Welt gefunden mindestens seit Rauschenbergs Biennale Preis (siehe Furche 37/64, Dr. Victoi Willi: „Abstrakte und pop-Artisten“).

Die Anfänge der „pop art“ in der bildenden Kunst liegen in Amerika, wo voi allem Graphiker der in der Madison Avenue konzentrierten Werbeindustrie angefangen haben, gewisse typische Plakate (posters) genau, aber überlebensgroß abzumalen und ihnen damit eine zugleich ironische und hypostasie- rende Bedeutung zu geben. Die andere Quelle dieser Bewegung war die Bemühung um eine neue Naivität, die durch die Montage alltäglicher Bilderscheinungen der Massenkonsumgesellschaft erreicht werden sollte. Typisch für die Anfänge der „pop art“ waren etwa riesige Ölbilder, von Plakat-pin-up-girls oder die naturalistische, wenngleich plakathaft grelle Darstellung von Buffetwaren der Drugstores und so weiter. Die neue Kunstgattung hat als „pop art“ bald nicht nur ihre Interpreten und Apologeten gefunden, sondern auch ihre Sammler. Es konnte selbstverständlich nicht ausbleiben, daß die neue Richtung durch das steigende kommerzielle Interesse an ihr erstens immer breiter wurde, und zweitens in ästhetischer Hinsicht immer komplexer und raffinierter, besonders als sich ihres Programms experimentierende Künstler bemächtigten und ihr die ur-

sprüngliche Naivität und satirische Absicht nahmen.

Die unter der Bezeichnung Pop eto. laufende Ausstellung im Museum des 20. Jahrhunderts besteht freilich nur zu einem Drittel aus „pop art“ im vorhin erwähnten Sinn. Die ursprünglich niederländische Ausstellung wollte gleichlaufende Strömungen einer neuen Gegenständlichkeit zusammenfassen und vergleichen. Sie lief unter dem Titel „Neue Realisten“. Dr. Werner Hoffmann hat sie in Wien aus Beständen des Museums nicht nur erweitert, sondern auch umbenannt. Das pop-Element des neuen Titels kommt zweifellos dem Interesse an einer neuen, in Europa gerade erst bekannt gewordenen Kunstrichtung entgegen, das etc. bezeichnet wohl die Übrige Masse der ausgestellten Bilder, die zum größten Teil aus anderen Zusammenhängen und Ausstellungen bekannt sind. Bei einigen ist die Parallele weit hergeholt, etwa bei Francis Bacon oder Sidney Nolan, ganz zu schweigen von Dubuffet, Kooning, Max Ernst oder auch Ben Shahn. Arnulf Rainer hat zwar in Wien bei manchen Vernissagen mit schwarz übermalten Gegenständen Beispiele früher „pop art viennensis“ gebracht, aber das ausgestellte Bild gehört nicht dazu.

In Robert Rauschenberg, dem Preisträger der heurigen Biennale, haben die Elemente der „pop art“ eine Umformung erfahren, die an ästhetischer Wirkung die übrigen Beispiele weit überragt. In der laufenden Ausstellung ist leider nur ein Bild zu sehen, in dem freilich die Montage von aus dem Konsumalalltag vertrauten, ins Symbolhafte gesteigerten Bildern eine farblich und kompositorisch neue Harmonie erreicht. Die Geräte von Claes Oldenburg, aus weichem Plastikmaterial verformt, beziehen ihre Wirkung aus dem Bjzzaren, der ungewohnten Perspektive.

Abgesehen von der „pop art“ bietet die reichhaltige Ausstellung noch Gelegenheit, mit allen möglichen alten und neuen, realistischen und abstrakten Malern Bekanntschaft zu schließen oder ihnen wieder zu begegnen, sie zu feiern.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung