Werbung
Werbung
Werbung

Erste umfangreiche Ausstellung des amerikanischen Pop-Künstlers Roy Lichtenstein in Österreich.

Immer wenn Popeye, the Sailor, zu Spinat kam, wuchs er über sich hinaus, stellte er die Welt auf den Kopf und befreite sich und andere aus den misslichsten Lagen. Ein Allerweltsnahrungsmittel, Essen der einfachen Leute wirkte bei diesem Helden der Comicswelt eine Veränderung der ganz besonderen Art. Irgendwann in der Mitte des letzten Jahrhunderts scheint dieser Protagonist aus den billigen Heftchen leibhaftig herausgeklettert zu sein. Nunmehr spornte ihn nicht mehr der Spinat zu Höchstleistungen an, sondern die Bilder anderer Leute. Und immer wenn er zu solchen Bildern kam, wuchs er über sich hinaus und stellte die Kunstwelt auf den Kopf.

Pop-Art aus der Comics-Welt

Pop-eye, the painter, besser bekannt unter dem Namen Roy Lichtenstein, lebte den klischeehaften amerikanischen Traum als Maler. Der 1923 geborene New Yorker beginnt Mitte der fünfziger Jahre in Form einer lithografierten Zehn-Dollar-Note mit den ersten Vorarbeiten zu jenem Stil, als dessen Mitgestalter er berühmt werden sollte: der Pop-Art. Expressive Zeichnungen aus der Welt des Comics folgen, 1961 schließlich setzt er mit der Übertragung einer Mickey Mouse das erste Werk seiner Aneignungskunst. Er verwendet dabei als Technik bereits das Benday-dot-Verfahren, bei dem er mittels Lochschablone arbeitet und so durch das gleichmäßige Punktraster die Anknüpfung an das industriell gedruckte Bild als Markenzeichen einführt.

Gleichzeitig mit der Verbindung zum reproduzierten Bild aus der Welt des Comics wendet sich Lichtenstein auch den Malerkollegen zu und transponiert viele ihrer Arbeiten in seine Bildwelt. So setzt er sich ab 1965 in der Serie der Brushstrokes intensiv mit dem Abstrakten Expressionismus auseinander, jener amerikanischen Kunstströmung nach dem Zweiten Weltkrieg, die sich erstmals radikal von europäischen Vorbildern löst, somit der erste große Stil der neuen Welt ist und in deren Schlepptau Lichtenstein auch seine ersten Versuche unternommen hatte.

Picasso-Paraphrasen

Es folgen eine Auseinandersetzung mit den ornamentalen Formen des Art Déco, der internationalen Form der hierzulande bekannten Wiener Werkstätte, und Paraphrasen zu Picasso, Matisse und Mondrian. Zwischenzeitlich nimmt sich dann der bereits etwas betagte Lichtenstein seine eigenen Werke zu einer weiteren Transformation vor um schließlich nach den Interior-Bildern und den Nudes Mitte der neunziger Jahre zur Beschäftigung mit lyrischen asiatischen Landschaften zu gelangen. Aus dieser Arbeit reißt ihn sein Tod im Jahre 1997, ein Auge der Pop-Art schließt sich für immer - um den Kreislauf der Kunstaneignung weiter zu nähren.

Die Praxis von Lichtenstein, bereits bestehende Kunstwerke zum Ausgangspunkt der eigenen Arbeiten zu machen oder sie direkt zu zitieren, ist keine Erfindung von ihm. Vielmehr macht er sich hier nur eine Tradition zunutze, allerdings hat vor ihm wohl keiner diese Möglichkeit im Kunstschaffen derart perfektioniert wie er. Als entscheidende Neuerung fällt bei Lichtenstein die bislang übliche Unterscheidung zwischen bildwürdigen Derivaten der Hochkultur und unzulässigen Versatzstücken der Populärkultur weg. Für ihn zählt einzig und allein, dass seine Vorlagen für das Auge prägnant sind, dass sie große Verführungskraft besitzen und sich daher in seiner an die Medien angelehnten Arbeitsweise besser verwerten lassen. Im Blick auf seine "Frau von Algier", eine Paraphrase auf eine Arbeit von Picasso, die dieser wiederum bereits von Eugène Delacroix übernommen hatte, und seiner Serie über die streng geometrisch-abstrakten Bilder von Mondrian meinte Lichtenstein: "Ich versuche, einen kommerzialisierten Picasso oder Mondrian zu machen."

Kommerz und Ironie

Damit nimmt er eine wagemutige Mittlerposition ein, zwischen dem Diktat der Stil-Reinheit der Moderne und dem Anspruch, etwas für die breiten Massen schaffen zu wollen. Schließlich war die Utopie der Moderne, etwa mit der reinen Gegenstandlosigkeit eine "Gesellschaft der Gleichgewichtsbewegungen" zu schaffen, wie dies Mondrian formuliert hatte, gescheitert. Dagegen steht die Einsicht von Klee, dass die Künstler seiner Generation zwar die Autonomie über die formalen Kriterien ihrer Arbeit gewonnen, dafür aber das Publikum verloren haben. Hier greift Lichtenstein in das Geschehen ein: Seine intensive Beschäftigung mit einer großen Zahl der "Ismen" in der Kunst des 20. Jahrhunderts formuliert einen rekapitulierenden Diskurs über die Ansprüche der Moderne; durch deren Kommerzialisierung in seinen Bildern verrät er eine gewisse Zuneigung zum Lebensstil seiner Umwelt, um diese sogleich durch die Beschaffenheit seiner Arbeiten in eine ironische Distanz zurückzunehmen. Keine Anbiederung, sondern Nähe durch Distanz.

Roy Lichtenstein

BA-CA Kunstforum

Freyung 8, 1010 Wien

Bis 7. März tägl. 10 -19, Fr bis 21 Uhr.

Katalog: Roy Lichtenstein. Hrsg. von

Ingried Brugger und Florian Steininger.

Wien/Wolfratshausen 2003.

156 Seiten, e 33,-

ERRATUM

Die in furche Nr. 1 angegebenen Öffnungszeiten der Ausstellung "Orientalische Reise" in der Wiener Hermesvilla waren leider falsch.

Richtig: 9-16.30 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung