Präsentation und Parodie

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Das Belvedere zeigt bürgerliche Porträts des 18. und 19. Jahrhunderts mit vielen Überraschungen.

Ein Porträt, mit Gefühl gemalt, ist immer ein Porträt des Künstlers, nicht des Modells", schrieb Oscar Wilde 1890. Wilde betonte die subjektive Sichtweise des Künstlers und stellte sich gegen eine verbreitete Auffassung von Porträtkunst als einer Gattung, in der Eigenständigkeit wenig zu suchen habe. Noch 1947 fand Max J. Friedländer an der abendländischen Porträtdarstellung weniger Gefallen als an anderen Gattungen, da sich die Bildniskunst - so der deutsche Kunsthistoriker - stets allzu sehr in den Dienst der Auftraggeber stellen musste.

Sicherlich hatte die Porträtmalerei vor der Erfindung der Fotografie im Jahre 1839 vor allem praktische Aufgaben: Die malerische, bildhauerische oder zeichnerische Wiedergabe eines Menschen war bis zu diesem Zeitpunkt die einzige Möglichkeit, an einen Nichtanwesenden zu erinnern - ihn zu repräsentieren, zu ehren oder auch zu parodieren. Gerade weil der Menschendarstellung stets auch eine zentrale funktionale Rolle zukam, ist sie eines der spannendsten Gebiete in der Kunstgeschichte.

Dies lässt sich in einer ausgesprochen sehenswerten Schau des Belvedere - eine Art Abschiedsgeschenk von Ex-Direktor Gerbert Frodl - nachvollziehen. Anhand von 100 Werken, darunter zum Teil herausragende internationale Leihgaben, haben die Kuratoren Sabine Grabner und Michael Krapf gemeinsam mit dem Ausstellungsgestalter Martin Kohlbauer einen erkenntnisreichen Parcours durch ein Jahrhundert Porträtmalerei inszeniert, der aufzeigt, wie stark sich das Menschenbild ausgehend von der Epoche des Absolutismus über die Zeit der Aufklärung bis zu Revolution und Aufstieg des Bürgertums veränderte.

Menschenbild ändert sich

Vor dem Hintergrund der Aufklärung verliert das repräsentative, steife Porträt an Bedeutung. Stattdessen entwickelt sich ein Realismus, in dem das Individuelle und Unverwechselbare einer Person mit Strichen und Farben auf der Leinwand festgehalten wird. Reale Beziehungen, Menschen mit Falten und Makeln interessieren die Künstler nun mehr als gesellschaftliche Positionen und idealisierte Schönheitsideale. Diese Wahrheitssuche führte zu den physiognomischen Studien Franz Xaver Messerschmidts, mitunter aber auch zu skurril-naturalistischen Ausformungen wie den Wachsbüsten Leonhard Poschs, die durch Glasaugen und Echthaar erschreckend natürlich wirken.

Beim Rundgang durch Aufgeklärt Bürgerlich begegnet man renommierten internationalen Maler-Größen wie Francisco de Goya oder Thomas Gainsborough, der mit dem großartigen Porträt Mrs. Thomas Hibbert (1786) vertreten ist. Die malerisch bewegte Darstellung einer selbstbewussten Kaufmanns-Gattin inmitten von Bäumen ist insofern bedeutend, da sie eine innovative Auffassung in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mensch und Natur zum Ausdruck bringt: Auf dem Bild sind Landschaft und Figur gleichberechtigt - gehen stellenweise sogar ineinander über.

Veränderungen brachte das 18. Jahrhundert auch für das Verhältnis der Geschlechter. Dass man das 18. Jahrhundert gerne als das "Jahrhundert der Frauen" bezeichnet, ist wohlwollende Übertreibung, allerdings bekamen Frauen im literarisch-künstlerischen Umfeld nun tatsächlich vermehrt Möglichkeiten, sich aktiv ins gesellschaftliche Geschehen einzubringen. Die Ausstellung berücksichtigt diese gesellschaftliche Veränderung, indem sie einerseits Malerinnen hervorhebt - und andererseits Bilder versammelt, die eine veränderte Sichtweise auf die Geschlechterrollen eröffnen. Angelika Kauffmann hat mit ihrem John Simpson (1773) - übrigens eines ihrer besten Bilder - die Darstellung eines weiblich-sensiblen Mannes kreiert, dem traditionelle Männlichkeitsattribute fehlen.

Der weibliche Blick

Zu den Entdeckungen dieser Schau zählt die Österreicherin Barbara Krafft, die mit eigenständigen Bilderfindungen überzeugt. Besonders das 1797 entstandene Doppelporträt eines todkranken k.k. Geheimrates und seiner vitalen jungen Frau spiegelt den "anderen Blick" weiblicher Kunstschaffender. Selbstbewusst hält die jugendliche Gattin in Tradition der "Caritas-Romana"-Darstellungen ihrem dahinsiechenden Mann die entblößte Brust hin - eine damals weit verbreitete Praxis im Glauben an die heilende Kraft von Muttermilch. Besonders grotesk die Wirkung des ungewöhnlichen Bildes, wenn man erfährt, dass der Mann noch im gleichen Jahr verstarb.

Die durchdachte Hängung führt zu Überraschungen. So kann es das Porträt des Grafen Kinsky (um 1790) des heute nahezu unbekannten österreichischen Porträtisten Josef Kreutzinger mit dem benachbarten Francisco-de-Goya-Bildnis José Antonio Marqués de Caballero (1807) ungefragt aufnehmen. Auffallend auch zwei psychologisch tiefgründige Männer-Darstellungen des ebenfalls zu Lebzeiten hoch geschätzten Wiener Porträtisten Franz Anton Palko.

Eine Ausstellung, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Denn sie zeigt durch den chronologischen Aufbau anhand eines elementaren Bildsujets, dass Kunst gesellschaftliche, politische oder philosophische Wandlungen sichtbar machen - mitunter sogar wesentliche Neuorientierungen einer Gesellschaft mittels Farben und Formen vorwegnehmen kann.

AUFGEKLÄRT BÜRGERLICH

Porträts von Gainsborough bis

Waldmüller 1750-1840

Oberes Belvedere

Prinz Eugenstraße 27, 1030 Wien

www.belvedere.at

Bis 18. 2. Di-So 10-18 Uhr

Katalog hg. von Sabine Grabner und Michael Krapf, Hirmer Verlag, 322 Seiten, Euro 35,-

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