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Priester und neue Kirchenmusik

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Von Prof. Johannes Overath, Bcnsherg (Rheinland), Generalpräses des Allgemeinen Cäcilienvereins für Deutschland, Oesterreich und die Schweiz

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Von Prof. Johannes Overath, Bcnsherg (Rheinland), Generalpräses des Allgemeinen Cäcilienvereins für Deutschland, Oesterreich und die Schweiz

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Einer der Gründer der Internationalen Gesellschaft für neue katholische Kirchenmusik (IGK, Frankfurt am Main) prägte im Jahre 1930 das Wort: „Inmitten einer Musik und eines Musikbetriebes ohne innere Verantwortlichkeit eine Musik voller Verantwortlichkeit und voll innerer Verpflichtung zu schreiben, ist sehr schwer. Darum bewundere ich auch den Mut derer, die cs wagen wollen; die es nicht wagen wollen aus einer Laune, sondern aus einem neuen religiösen Aufbruch ihres Musikertums heraus“ (H. Lemacher). Dieses Wort müßte gerade den Priester hellhörig machen, der im Geiste des heiligen Pius’ X. das Verhältnis von Musik und Liturgie vertiefen und verinnerlichen möchte, um dadurch dazu beizutragen, von den Mysterien des Altars aus „alles in Christus zu erneuern“.

Neben dem Gregorianischen Choral, dem eigentlichen Gesang der römischen Kirche, und der aus der Liturgie gewachsenen Polyphonic ist auch die vokale und instrumentale neue Musik aus dem Raum der Liturgie nicht wegzudenken. „Die Kirche hat den Fortschritt der Künste stets gepflegt und ihn gefördert, indem sie zu religiösem Gebrauche alles zuließ, was des Menschen Geist Gutes und Schönes im Laufe der Jahrhunderte ersonnen, vorausgesetzt, daß die liturgischen Gesetze dabei immer gewahrt blieben. Daher wird auch selbst die neueste Musikgattung gebilligt, weil sie Werke aufzuweisen hat, die voll sind von künstlerischem Werte, geistigem Gehalte und hoher Würde, die sie den heiligen Zeremonien vollkommen würdig machen. (Pius X.: Motu proprio vom 22. November 1903.)

In seiner Enzyklika „Mediator Dei“ (1947) betont der Heilige Vater, Papst Pius XIL, „daß die Musik unserer Tage und der moderne Chorgesang vom katholischen Gottesdienst nicht auszuschalten seien“. Wenn sie den vom Heiligen Stuhl gegebenen liturgischen Weisungen entsprechen, „so müssen ihnen unsere Kirchen ohne weiteres Zutritt gewähren; denn nicht gering kann alsdann ihr Beitrag sein zur Zierde der heiligen Handlungen, zur Erhebung des Geistes zu Höherem und gleichzeitig zur Erweckung wahrer Andacht des Herzens. Sc würde vom rechten

Weg abirren, wer den mehrstimmigen Gesang mißbilligte und ablehnte“.

Um zu einem neuen liturgischen Musizieren zu gelangen, bedarf es eines Lebens aus dem Geiste der Liturgie. Es geht um die lebendige Verbindung von künstlerischer Begabung und liturgischem Geist im Kirchenkomponisten. Auch die neue liturgische Tonkunst muß ihrem innersten Wesen nach Gemeinschaftskunst sein, also aus dem gemeinsamen Glauben, Hoffen und Lieben und nicht zuletzt aus der lebendigen Teilnahme an der Liturgie der Kirche erwachsen.

So hoch auch das Individuelle der Künstlerpersönlichkeit und die Eigenart des Volkstums zu werten sind: in der liturgischen Tonkunst müssen sie dem objektiven Geist der

Gebets- und Opfergemeinschaft untergeordnet sein. Ueberdies ist auch jene Forderung der Gemeinschaft zu beachten, daß die neue Kirchenmusik am Traditionellen anknüpfe und es fortschreitend dem neu Werdenden einfüge, da sich die Kirche als eine alle Zeiten und Völker umspannende Gemeinschaft empfindet. Wir sollten deshalb von neuer Kirchenmusik nur dann reden, wenn es sich um Neues im Sinne einer zeitgerechten kirchenmusikalischen Aussage, also im Sinne einer Vervollkommnung und nicht etwa im Sinne des noch nicht Dagewesenen handelt. Denn die Kirche ist ihrer Natur nach eine wachsende, sich vervollkommnende, dem „Maß des Vollalters Christi“ (Eph. 4,13) zustrebende Gemeinschaft. Besinnung auf dieses innere Maß allein schenkt dem Künstler die neue Form und bewahrt ihn vor Maßlosigkeit und Karikatur, die, soweit sie sich auch in „moderner“ kirchlicher Musik zeigen, nur Symptome eines religiösen Subjektivismus, wenn nicht einer seelischen „Maßlosigkeit“ und Zerrissenheit sind. Nur das, „was von dem inneren Leben, das die Kirche lebt, herrührt, übertrifft die vollkommensten Werke dieser Welt“ (Pius XL). Nur wer aus dem Geiste der Liturgie lebt und schafft, vermag andere hineinzuführen.

Daß der Schöpfer neuer Kirchenmusik in dieser Gesinnung sein Werk verrichte, sei liebende Sorge des Priesters. Wer wüßte aber bei aller menschlichen Bemühung besser, daß, wie niemand gläubigen Herzens „Herr Jesus“ sagen kann „außer im Heiligen Geiste“ (1 Kor. J2,3), ebenso niemand durch Christus dem Vater zu lobsingen vermag, wenn nicht im Heiligen Geiste! „Der Geist aber weht, wo er will.“ Er läßt sich nicht einfangen, man kann ihn nicht bannen. Der Schöpfergeist ist göttliches Leben, geheimnisvoll wie alles Leben. Er kann nur dort wehen und weben, wo der Mensch innerlich Raum schafft, leer wird für ihn, wo der Mensch seinen menschlichen Geist aufgibt, um den göttlichen zu empfangen, so wie der Herr am Kreuze seinen menschlichen Geist aufgab, damit wir den göttlichen Geist empfingen. Der

Geist weht nur da, wo selbstlos sich verschenkende Liebe ist. S i e schließt mit der Salbung des Geistes Menschen aus allen Nationen in der einen Sprache der Liebe, in der Sprache geistbeseclter Musik, zusammen; sie ist der nie versiegende Quell, aus dem sich der Gesang in unaufhaltsam neuen Strömen ergießt; sie ist die Feuerzunge des Pfingstgeistes, die den Menschen wahrhaft schöpferisch macht.

In diesem beglückenden Bewußtsein wird der Priester und Seelsorger bereit und aufgeschlossen sein gegenüber dem Neuen, das ans Licht will. Alles Wachsen bringt jedoch Reifes und Unreifes, Sinnvolles und Sinnloses. Es kommt nur darauf an, daß alles in Ruhe sich entwickeln, ausreifen und klären kann. Priester und Künstler sind es, die das Wartenkönnen nicht verlernen dürfen. Als Hüter des wahren Lebens ist der Priester in besonderer Weise dazu berufen, um ein organisches Wachstum neuer Kirchenmusik in Liebe und Ehrfurcht besorgt zu sein. — Es singe unser Mund das Lied der Liebe, es singe das Lied der Liebe auch unser Leben! Es mögen sich einen die Herzen den Stimmen, damit im Gewände der Schönheit Wahrheit und Liebe ausstrahlen in unser armes Leben der Gegenwart.

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