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Raum und Bildordnung

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Gloggnitz zeigt seit 1934 als Wahrzeichen den mächtig aufragenden Turm auf der Anhöhe über dem Hauptplatz. Der Bau, der das Gedächtnis an Kardinal Piffl bewahren sollte, konnte damals nicht zu Ende geführt werden. Erst jetzt, mit Vollendung der Kirche, gewann das Wahrzeichen seine Erfüllung.

Architekt ist Professor Clemens Holzmeister. Als der Bau in Gloggnitz begann, war es Holzmeister, der den Kirchenbau in Österreich einen entscheidenden neuen Schritt vo.ran-führte. Er baute damals die Kanzlergedächtniskirche in Wien an der Schmelz, ein Bauwerk, das sich noch immer als eine der wenigen wirklich bedeutenden Kirchenschöpfungen der Gegenwart erweist. Fragen wir. nach den Merkmalen dieses Bauwerks, so rinden wir Züge, die für das weitere Schaffen des Architekten bestimmend blieben. Ja mehr: sie wurden zu einem Kriterium, an dem sich gerade die bedeutenden Kirchenbauten der Gegenwart ausweisen.

Im Vordergrund steht die R a u m-schöpfung. Holzmeister geht nicht vom Dekor aus, wie es das Experiment des Jugendstils nahelegte. Ebensowenig von historisierenden Vorstellungen, wie es damals noch an der Tagesordnung war. Auch nicht von bloß modischen Tageserscheinungen, wie sie ein kraftloser Eklektizismus auch heute in so vielen Bauten geistlos zusammenstückelt. Von jeder bloß äußerlichen Geschwätzigkeit an Dekoration und Effekt setzt sich der Architekt entschieden ab und beschränkt sich auf das, was dem Sinn der Aufgabe entspricht. Seine Schüler, die er an der Kunstakademie herangebildet hat und unter denen heute Architekten sind, in die man große Hoffnung setzen darf, haben gerade den Sinn für Klarheit und innerlich begründete Form von ihrem Meister übernommen und weitergeführt. Getragen war die Kanzlerkirche von einer großen Raumvorstellung. Kraftvoll ist sie verwirklicht. Dieser Sinn für den Raum bezeugt den schöpferischen Menschen. Das Raumgefühl entspricht der kraftvollen Persönlichkeit des Architekten. Den Raum zum Sprechen zu bringen: das ist Meisterschaft in der Architektur. In dieser Hinsicht hat der Kirchenbau Österreichs Holzmeister viel zu danken.

Nicht von außen nach innen entsteht das Bauwerk. Das Äußere will als Ergebnis aus dem Innenraum verstanden sein, den es in den Außenbau umsetzt. Eine solche Auffassung war im Falle der Kirche auf der Schmelz eine ungewöhnliche Neuerung.

Die Bauform gründet im sakramentalen Verständnis der Kirche. Der Bau an der Schmelz führt das Schiff der Gemeinde als breitlagernden Bauteil in den helleren, turmartig erhöhten Altarraum. Als „Sakramentsturm“ tritt der geistige Mittelpunkt auch nach außen deutlich in Erscheinung. - Ähnlich war auch in Gloggnitz der

Turm zunächst als Lichtturm über dem Altar gedacht. Nicht zuletzt seelsorgliche Gründe forderten jetzt eine neue Orientierung. Die überaus schwierige Aufgabe wurde so gelöst, daß der Turm nun zum Bollwerk über dem Tor wird. Aber auch so ist der neue Altarraum innen durch verstärkte Helligkeit betont und tritt im Äußeren zwischen den abfallenden Dächern der Seitenschiffe deutlich heraus.

Die Raumordnung wirkt mit dem Bild zusammen. Wie der Raum, -so entspricht auch das Bild der Kultordnung der Liturgie. Schon die Kirche an der Schmelz gewann durch das gewaltige Mosaik von Professor Sterrer, an der Wand hinter dem Altar, ein Bild des thronenden Christus. In den größeren Kirchen, die Holzmeister in den letzten Jahren im In-und Ausland bauen konnte, rechnet er jedesmal entschieden mit dem Beitrag des bildenden Künstlers. So finden wir dieses Zusammenwirken nun auch in Gloggnitz.

Der Maler als Mitgestalter

Das B i 1 d im Kirchenraum wird heute in vielen Fällen als eine Störung des Raumes gefürchtet. Wo der Architekt ganz auf die Klarheit der Maßverhältnisse setzt, weist er oft das Bild zurück. Anders bei Holz-

Richard K. Fischer wurde in Gloggnitz die Bildgestaltung im Hauptraum übertragen. Der Tiroler Maler hat schon in der alten Kirche zu Erpfendorf mit Holzmeister zusammengearbeitet und sein Mosaik sicher in den Altarraum gesetzt. In St. Ulrich am Walchensee gelang ihm ein gutes Betonglasfenster in der Rückwand der Kirche. In Gloggnitz ist Fischers Mitarbeit schon am Außenbau abzulesen. Das Maßwerk des Turmfensters zeigt als mächtiges Relief das Christkönigszeichen: Krön und Kreuz. Auch das Gefüge der Betonglasfenster in den Seitenschiffen ist außen ablesbar. Innen bieten diese Fenster eine Art Meditation der verklärten Natur. Auffallend ist das mit seltenem Aufwand an Mühe erlesene Material der Gläser und Steine, die mit Rosenquarzen und Bergkristallen zu hellen Farbklängen verbunden sind. In Formen von Baum und Pflanze durchwachsen die Betonstützen als Lebenszeichen das kristallene Gefüge der Fenster.

Auch das Ölbild hat Fischer eingeordnet. In der dunkel gehaltenen Deckenzone, entlang der Längsträger, stehen große, bemalte Holztafeln. Eingeordnet in den Rhythmus der Querbalken, entsteht ein feierlicher Zug huldigender Engel. Die Überleitung zum Altarraum bildet in der Decke

ebenfalls von Fischer gestaltete Mosaik des thronenden Christus. Zu seiner Beurteilung seien folgende Gegebenheiten erwähnt:

Es verwächst mit der hinter dem Altar eingestellten Wand (8 X 5,5 m) zu einer unlösbaren Einheit. Zwischen den Mosaiksteinen spricht der helle Bewurf der Wand überall mit. Dennoch zerfließt das Bildfeld nicht. Gefaßt ist es in ein ruhiges sammelndes Quadrat. Rotflammende Streifen zu beiden Seiten betonen die Geschlossenheit der Erscheinung. Bereits auf der großen Ausstellung des Südtiroler Künstlerbundes in den Räumen der Bozener Messe 1960 fand dieser Entwurf besondere Beachtung. Wenn man bedenkt, wie oft Bilder in unseren Kirchen entweder die Wand verständnislos „aufbrechen“ oder anderseits wie Plakate ohne Bindung in der Fläche „schwimmen“, versteht man die Bedeutung, die dem Ringen um die rechte Einfügung des Bildes im Raum zukommt. Jeder Schritt, der in dieser Richtung gelingt, verdient eine Würdigung. Vom Bauherrn werden ja derartige Gesichtspunkte herzlich wenig beachtet.

Das Altarbild berührt die Frage nach der Bildordnung auch vom Thema her. Wenn schon der Altar ein Sinnbild Christi ist, gehört da noch ein Bild über den Altar? Und welches Thema ist dann sinnvoll? Ausländische Fachzeitschriften und auch die Christlichen Kunstblätter, die Doktor Rombold in Linz ausgezeichnet redigiert, haben wiederholt Stimmen von Künstlern und Theologen zu dieser schwierigen Frage gebracht. In einem stimmen alle überein: wenn ein Christusbild, dann das des Kyrios, des verklärten Herrn der Endzeit, wie ihn auch die liturgischen Gebete vor Augen haben. Diese Überzeugung vertritt auch das Mosaik Fischers. Untergeordnete Themen, wie sie in unseren Kirchen leider häufig versucht werden, verfehlen den Sinn der liturgischen Raumordnung.

Fischers Mosaik vermeidet den Einsatz allzu kräftiger Werte. Daraus ergibt sich, daß nicht das Bild das geistige Zentrum ist, das uns ja einzig im Altar gegeben ist. Das Christusbild bleibt untergeordnet. Es geht in die Helligkeit der Chorwand auf.

Vertiefung in die Passion

Ein Meditationsraum entstand in Gloggnitz durch die Mitarbeit des Malers Giselbert Hoke. Die Turmkapelle links vom Eingang ist sein Werk. Hinter schmiedeeisernem Gitter öffnet sich ein zweiarmiger Raum. Er ist für die stille Betrachtung des Erlösungsgeheimnisses bestimmt. Dazu dient die altgewohnte Sprache des Bildes. Rundum sind die Wände in Freskomalerei gestaltet. Prof. Herbert Bockel war der erste, der in Österreich mit der Engelkapelle in Seckau in sehr kraftvoller Weise dieses Anliegen des Betrachtungsraumes verwirklichen konnte. In einer Zeit, in der Malerei allzusehr in den Sog der oft sehr billigen Dekorationsfreude gerät, kommt jeder Bemühung um tiefere und kraftvollere Bildaussage der Wert eines Zeugnisses zu.

Hoke entwickelt in einem erschütternden Zyklus im linken Raumteil die Passion Christi, im rechten die Passion der Getreuen unter dem Einfluß des Antichristen. Aus einem Gefüge großer Flächen treten in dichten Formen die Gestalten der Passion heraus. In der ganzen Kapelle ist der Grund sehr dunkel gehalten. Nur wenige Akzente leuchten in starker Farbe darin auf.

Hokes Werk gehört zu den großen malerischen Leistungen der Gegenwart im Kirchenraum. Getragen ist diese Malerei von einem wahrhaft religiösen Ernst. Er überträgt sich auf den Betrachter des christlichen Erlösungsweges. Geistig stellt eine solche Kapelle die willkommene Ergänzung zu unseren mit Recht eher hell und „funktionell“ gedachten, weiträumigen Kirchen dar.

Es ist das Verdienst des Architekten Clemens Holzmeister, daß er dem Maier in seiner Kirche Gelegenheit gab, die religiöse Kraft des Bildes in den Dienst christlicher Besinnung und Ver-innerlichung zu stellen.

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