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Digital In Arbeit

RAUM - ZEIT - BEWEGUNG

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Mit meiner Arbeit beabsichtige ich die Mittel zu finden, mittels denen ein Klima geschaffen werden kann, das uns den Zwischenraum, die Atempause erleben läßt und beim Erleben der Überraschung alle irdische Schwere von uns nimmt und uns schweben läßt.“

Jorrit Tornquist, der soeben mit den in der Wiener Kine-tika-Ausstellung gezeigten Künstlern Richard Kriesche und Helga Philipp die Gruppe Austria (Impulsgitteruntersuchungen) gegründet hat, zeigt in der Trigon-Ausstellung eine dreidimensionale Struktur als ein durchlaufendes Prinzip, in dem eine ganz bestimmte Wiederholung die eine selbständige Ordnung ergibt, betont wird. Sie beruht auf den Gesetzen der menschlichen Empfindung. Damit wird in diesem Ambiente (Koexistenz von Inihalt und Behälter, weil der Außenraum allein ein Ambiente noch nicht konstituieren kann — Enzo Mari) eine Auffassung postuliert, die von der Kunst verlangt, die Wirklichkeit zu verändern. Der Kunst wird also ein politischer Zweck unterlegt. Tatsächlich ist es im Falle Tornquist so. Die Kunst fungiert als Mittel, die Sinnlichkeit zu beeinflussen, verändernd zu wirken. Nicht nur, daß die Farbe des Lichtes um das Ambiente ständig gewechselt wird, der Betrachter kann auch noch mit farbigen Brillen von verschiedenen Standorten aus das Geschehen betrachten und so verschiedene Muster erkennen. Darin folgt

ihm auch der Italiener Colombo, der in einen dunklen Raum mit geschrägtem Boden eine fluoriszierende Gitterstruktur eingebaut hat, deren einzelne Elemente auch in bewegten Projektionen an den Wänden wieder auftauchen. Die fluoriszierende Struktur besteht aus weißen Gummischnüren, die von außen gezogen werden und zusätzlich Bewegung erzeugen. In diese Ambiente-Gruppe des Trigon gehören noch der Italiener Fabro mit einem gänzlich weißen Raum, in dem sich die Besucher „gefoppt“ fühlen — vom Künstler absichtlich gemeint — weil ihnen das Weiß so leer erscheint, daß sie nichts damit anfangen können. Fabros Landsmann Enzo Mari

hat 13 gleich große Behälter als Guckkasten errichtet. Es ist ein progressiv-systematisch abgewandeltes System. Die Innenwände sind in Schwarzweißvariationen gestrichen, wodurch die Stärke der Beeinflussung des Besuchers wechselt.

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Ohne mathematisch-technisch begründete Ambiente arbeiten die der Auffassung der ersten Gruppe aber nahestehenden Österreicher Oswald Oberhuber, Marc Adrian und Roland Goeschl. Oberhuber hat einen riesigen Rachen aufgebaut und seine Art der Malerei erfolgreich in den Raum transportiert. Sein acht Meter hoher Zylinder, den man durch den Schlund betritt, kann vieles sein: und viele Gefühle vermitteln. Oberhuber will eine neue Spielart des Erlebens andeuten, wenn auch in anderer Art als Tornquist oder die Italiener: Oberhuber würde gerne weiterbauen: „Kugelkinos, in denen naturhafte Erlebnisse, wie ein Aufenthalt in der Wüste, ein Sturz aus großer Höhe oder das Verspüren von Hitze, vorkommen...“ Oder: „Ständige Zentren mit einer Zusammenballung von Geistigem ... Dasselbe Theaterstück in verschiedenen Variationen gleichzeitig gespielt ..“ Roland Goeschls Ambiente „Sackgasse“ steht im Freien, weil es am ehesten die Beziehung zur Stadt braucht, wobei man unwillkürlich an die Architektur Hans Holleins erinnert wird. Ob-

wohl die Sackgasse den Blick nach außen freiläßt, sind die Schlitze absichtlich zu eng.

Vor allem an Marc Adrians schwarzem Raum entwickelten die Gegner des diesjährigen Trigon ihre Argumente. Seine Fehler wurden vornehmlich benutzt, um die Tendenz für alle Zukunft zu ruinieren. Adrian hat nämlich sein Konzept — Aufhebung der Raomgrenzen und maximale Information durch eine Zerreißprobe des Hör- und Sehsinns, indem er Lichtreflexe auf zwei Aluspiegel projiziert und mit alltäglichen Meldungen drapiert — so schlecht ausgeführt, daß nicht nur bald die Holzwolle des Bodens sichtbar wurde, sondern auch die ursprünglich verzerrten, anstößigen Bilder durch ein Versagen der Projektoren an Klarheit gewannen. Die Gegner formierten sich — Vizebürgermeister Götz mit seinen Anhängern aus den freiheitlichen Gliederungen, Kreise des ÖVP-Wirtschaftsbundes und des Rotaryklubs sowie Einzelgänger, die allesamt der Kunst keine Entwicklung zugestehen wollen. Die Grazer progressiven Kräfte aber dürften diesen Angriff auf die offizielle Kulturpolitik Professor Korens erfolgreich abwehren. Nicht zuletzt durch den Erfolg der Ausstellung, die mehr als 15.000 Besucher aufzuweisen hat.

Spät, aber doch wurde das Ambiente des Jugoslawen Richter, aus Betonsegmenten bestehend, aufgestellt. Alle anderen Objekte bemühen sich ohne viel Erfolg um die gewünschte Synthese Raum-Zeit-Bewegung als kine-visuelles Prinzip. Es gelang ihnen kaum, von der zweidimensionalen Vorstellung zum Umweltbild (imagine ambientale) zu finden. Lustig — und deshalb hervorstechend — ist nur noch der Jugoslawe Sutej mit seinem Pop-Zimmer — eine Wiese, Regentropfen, Blumen und Wolken —, das er geschickt arrangiert hat. Jaki-Horvat (Jugoslawien) hat wie Rudolf Pointner (Graz) Malereien zu einem Raum gefügt, der den Raum nichts fühlen läßt, sondern in der konventionellen Ausstellungsart verbleibt. Trsar (Jugoslawien) versuchte mit Betonrobren eine karge Struktur, Pillhof er (Wien) ersetzte seine Plastiken durch eine Rohrstruktur, Ceroli (Italien) stellte den Scherenschnitt eines Leonardo-Menschen in eine Holzkugel und Uncini (Italien) arrangierte duftige geometrische Figuren.

Die Ausstellung wurde von der Grazer AixhitektengTuppe Domenig-Huth angeordnet, um den Urbanen Bezug herzustellen. Die einzelnen Objekte verbanden sie mit Gängen. Im Zentrum steht eine Kuppel, die mit Tonprojektoren die Besucher über die jüngste Kunst- und Architekturmanifeste informiert.

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