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Piet Mondrians Weg von der abbildhaften Nähe zum Gegenstand zu dessen Auflösung in rechteckige Formen.

Allenthalben verrät uns der Blick auf die Welt: es herrscht ein fürchterliches Durcheinander. Ob wir uns in ein Stück Natur verirren oder uns in den Genuss eines wie immer gearteten Kulturgutes fallen lassen; vom gepflegtesten Rasenstück bis zum letzten Rest europäischen Urwaldes, von Rafaels "Verklärung" bis zum Verkehrsleitsystem einer Großstadt: allenthalben undurchblickbares Durcheinander. Alle Ordnungssysteme scheinen nichts zu nützen, so postulierten wir als oberstes Prinzip sogar das Chaos. Was wir nicht durchblicken können, lässt sich auch nicht begreifen. Wenngleich diese allgemeine Krise fähig ist, Verzweiflungsschweißperlen auf Denkerstirnen zu erzeugen - nichts sollte uns abhalten, einfach nur auf die Dinge hinzuschauen. Anleitungen dafür gibt es genug, eine besonders pointierte stammt von Piet Mondrian.

Radikal neuer Weg

Als der junge Piet seinem Vater, einem Zeichenlehrer, erklärt, er möchte Künstler werden, gesteht ihm dieser die Berufswahl unter der Bedingung zu, dass er gleichfalls Zeichenlehrer werde. Der ebenfalls malende Onkel Frits bietet seine Hilfe an, was Piet schließlich das Studium an der Rijksacademie in Amsterdam erlaubt. Er engagiert sich in den Künstlervereinigungen Arti et Amicitiae und St. Lucas und malt Bauernhöfe, Mühlen und Landschaften. Solide Malereien, die Elemente des Expressionismus und Versatzstücke des Jugendstils ebenso aufnehmen wie Einflüsse von den großen Wegbereitern der Moderne, Paul Cézanne und dem holländischen Landsmann Vincent van Gogh. Noch lässt sich nicht erkennen, welch radikal neuen Weg Mondrian einschlagen wird. Die Auseinandersetzung mit weiteren geistig-künstlerischen Haltungen wird seinen Weg dahin bestärken.

So hinterlassen die theosophischen Erläuterungen von Rudolf Steiner tiefe Spuren in der Weltauffassung Mondrians. Er spricht von einem unverbrüchlichen Zusammenhang zwischen Philosophie (oder dem "ätherischen Bereich") und Kunst, die geistige Seite des Kunstwerks sei durch eine dem herkömmlichen Malverständnis abweichende Technik darzustellen. Viele Anhänger des späteren Mondrian gehen durchaus davon aus, dass dieser in seiner Malerei eine Visualisierung theosophischer Ideen vornimmt und das alte neuplatonische Versprechen, die wahre Wirklichkeit der Dinge, die hinter deren Erscheinungen verborgen ist, zur Anschauung zu bringen, endlich einlöst.

Das innere Bild gestalten

Mondrian, der sich selbst immer auch als Vermittler seiner Arbeit zu erklärenden Texten veranlasst sah, schreibt: "War einem lange die Oberfläche lieb und teuer, dann drängt es einen nach etwas, das darüber hinausgeht. Doch findet man das Gleiche in der Oberfläche. Durch diese hindurch erblickt man das Innere. Beim Anblick der Oberfläche formt sich das innere Bild in unserer Seele. Dieses Bild müssen wir gestalten. Denn die Oberfläche in der Natur ist schön, deren Nachahmung aber ist ohne Leben. Die Dinge bieten uns alles, die Abbildung aber bietet uns nichts." Die Begegnung mit dem Kubismus in Paris brachte auch formale Radikalisierungen in diese Richtung.

Die endgültige Abkehr von der dem Expressionismus anhaftenden emotionsbestimmten Malweise und dessen Zweifel der Vernunft gegenüber vollzog Mondrian als Mitglied der "De Stijl"-Bewegung. Die Vernunft wird als Regulator, Maßstab und Zukunftsweiser wieder zurate gezogen. In formaler Hinsicht erlaubt die Ausstellung in der Albertina, anhand der berühmten Serie von Bäumen den Weg von einer relativen abbildhaften Nähe zum Gegenstand bis hin zu dessen Auflösung in rechteckige Formen mit den Augen nochmals zu durchschreiten. Es scheint bildnerisch völlig logisch, dass Mondrian bei jenen Formen endet, mit denen man ihn assoziiert: dem Rechteck, der Linie, dem rechten Winkel, den drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau sowie den beiden "Unfarben" Schwarz und Weiß - und sonst nichts. Denn fürderhin wird Mondrian ausschließlich aus diesen wenigen Elementen seine Bilder bauen - zumindest hauptsächlich, denn um seinen Lebensunterhalt zu sichern, malt er daneben auch realistische Blumenbilder. Man darf ihm das allerdings nicht als Inkonsequenz auslegen, denn bis zuletzt gelten ihm auch die Ergebnisse seiner "realistischen" Periode als gleichwertig. "Für mich besteht kein Unterschied zwischen diesen frühen und den jüngsten Sachen - sie sind alle Teil ein und derselben Sache. Ich empfinde den Unterschied zwischen dem Alten und dem Neuen in der Kunst nicht als echten Unterschied, sondern als eine Kontinuität." Dennoch konzentriert er sich im späteren Werk auf die reinen Verhältnisse, die sich aus der formalen Selbstbeschränkung ergeben, um damit wesentlich mehr sagen zu können.

Denn seine Bilder erzeugen nun in äußerst ausgetüftelten Verhältnissen zwischen den einzelnen Flächen, den farbigen und weißen Feldern und den ebenfalls als Flächen aufgefassten schwarzen Linien Rhythmen, Rhythmen des Lebens. Für Mondrian bleibt die Kunst mit der Utopie verbunden, die Gesellschaft zu versöhnen und in der Welt ein Gleichgewicht herzustellen. "Kunst bleibt Gestaltung und ein Mittel, bis dieses Gleichgewicht relativ erreicht ist. Dann hat sie ihren Zweck erfüllt, und die Harmonie realisiert sich sowohl um uns wie im äußeren Leben." Da kann man der Menschheit nur mehr möglichst viele intensive Begegnungen mit Mondrians Kunst wünschen.

Piet Mondrian

Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien

bis 19. 6., tägl. 10 bis 18, Mi bis 21 Uhr

Katalog: Piet Mondrian. Hg. v. Klaus A. Schröder. München 2005, 324 S., e 29,-

Kulturtipp:

Vortrag des Autors zu Mondrian:

1. 4., 17 bis 18.30 Uhr, Stephanspl. 3, Führung: 2. 4., 10.30 bis 11.30 Uhr

Anmeldung: Theologische Kurse,

Tel. (01) 51 552-3708

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