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Religiöse Kunst an der Straße

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Die Förderung der Künstler und der Künste liegt heute in hohem Maß bei den öffentlichen Stellen, und so erfreulich es ist, Wenn da und dort immer wieder einmal ein Ankauf getätigt wird, so ist es doch noch viel mehr zu begrüßen, wenn von einer dieser Stellen ein echter Auftrag erteilt wird, der nach verschiedenen Richtungen hin anregend, ja beispielgebend wirken kann. Tirol wurde im vergangenen Jahr auf solche Art um eine ganze Reihe besonderer, kleiner Kunstwerke reicher: an der großen Autostraße zwischen Innsbruck und Hall stehen noch seit Erzherzög Ferdinands Zeiten fünfzehn Bildstöckln, eine alte Rosenkranzwallfahrt, die zum Loretto-Kirchlein führt. So gut erhalten die steinernen Säulen und Rahmen geblieben sind, die Malerei war trot2 mancher Erneuerungen fast völlig wieder zerstört, und nun ging vom Leiter des Landeskulturreferates (Doktor Hohenauer) die Anregung aus, die Stöckln mit neuem Bildschmuck zu versehen.

Der Antrag wurde an die drei Tiroler Maler Walter Honeder, Helmut Re hm und Max Weiler vergeben, und jedem von ihnen fielen von den fünfzehn Geheimnissen des Rosenkranzes fünf zur Darstellung zu. Damit erstanden, wie im Rosenkranz selbst, drei in sich geschlossene, voneinander unterschiedene Gruppen und doch zugleich ein Ganzes, das in seiner Abfolge äußerlich durch die gleiche Architektur der Bildstöcke, innerlich durch die gleiche Hingabe der drei Künstler an ihre Aufgabe innig verbunden erscheint. Sie war ja nicht nur durch die technischen Schwierigkeiten bestimmt, die Notwendigkeit, „wetterfest" zu malen, der durch Verwendung von Keimschen Mineralfarben auf Eternitplatten Rechnung getragen wurde — es ging auch darum, die religiösen Inhalte in der künstlerischen Sprache unserer Gegenwart auszusagen und dabei doch, dem Charakter der Bildstöckln gemäß, einfach und volkstümlich zu bleiben.

Wenn übrigens im Zusammenhang mit den Stöcken das Wort „Architektur" verwendet wurde, so geschah es mit voller Berechtigung. Diese Säulen und Aufsätze, ebenso geadelt durch ihre klaren Renaissanceformen wie durch den schön gealterten Stein, sind als architektonische Merkzeichen in die Landschaft gesetzt, und man kann sich kaum etwas Reizvolleres denken als die Wechselbeziehungen zwischen den ragenden Bergen der Nordkette, den Alleebäumen der Straße und den Bildstöckln, die in immer neuen Abwandlungen für unsere Augen entstellen. Besonders wenn man sich die Zeit nimmt, nicht im 100-Kilometer-Tempo vorbeizurasen, wie das leider nur allzu häufig geschieht. Daß die neuen Bildtafeln diesen Reiz noch ungemein erhöhen, ist den Bemühungen der Maier zu danken, sie nicht nur den steinernen Rahmen, sondern auch der umgebenden Landschaft anzupassen und darauf Rücksicht zu nehmen, ob sich das Stöckl freistehend gegen das Gebirge abbebt oder ob das Laub der Bäume seinen Schatten darauf wirft.

Die Schwierigkeit, auf der kleinen Fläche des Bildstocks im vorgegebenen Rahmen die großen biblischen Geschehnisse zu schildern, hat jeder der drei Künstler auf seine Weise gelöst, und jede Lösung scheint mir über das Formale hinaus auch der Gruppe der Geheimnisse angemessen, der sie zugehört. Honeder vermittelt die „freudenreichen" durch die groß gesehenen, ausdrucksvollen und klar in die Fläche geordneten Köpfe der Gestalten, die zu einer eindringlichen und leichtverständlichen Aussage werden. Bei Rehm ist der duldende Heiland auf manchen Tafeln wie von einem Gehäuse von den schmerzhaften Geheimnissen seines Leidensweges umgeben, die jeweils durch ganz kurze, aber ungemein wirksame Formeln angedeutet werden: Hände und Stöcke des Henkers oder bei der Geißelung — eine ganz neue Bildidee — durch zwei geschwungene Schnüre und zwei strenge Trommeln. Ein Farbzusammenklang von wenigen starken Tönen unterstreicht die Wirkung. Daß die glorreichen Geheimnisse schließlich sich in die himmlisch-mysterischen Bereiche erheben, die das Symbol erst zur höheren Wirklichkeit werden lassen, macht Weiler in allen seinen Bildern deutlich. Im Dienst dieser Symbolik steht jede einzelne Farbe des juwelenhaft leuchtenden heiligen Geistes, steht die kelcbfürmige Gestalt der Madonna, der „unverweslichen Blume", steht die rhythmische Stufung der Himmelfahrt Christi, deren Wolken an Miniaturen aus Zeiten anklingen, die jener ‘‘Wirklichkeit offener waren als wir. Mehr als in vergangenen Epochen aber suchten die drei Maler in der Kunst unserer Gegenwart den Ausdruck für ihren Glauben — erweist sein ewiges Leben sich doch gerade dadurch, daß jede Zeit auf ihre Art seine Inhalte darstellt.

Aufgereiht an einer Tiroler Straße finden wir die Perlen eines Rosenkranzes, die in neuer Form die uralten Geheimnisse verkünden — eine kleine Galerie moderner, volkstümlicher, religiöser Werke. Mögen einzelne davon auch Diskussionen ausgelöst und damit das Interesse bewiesen haben, daß man diesem Versuch entgegenbrachte, im ganzen ist er so geglückt, daß man daran denkt, ihn an ändern Orten im Oberinntal zu wiederholen und damit den Künstlern neue Aufträge, der Bevölkerung neue Wallfahrtsstationen zu schenken.

Die obigen Bilder zeigen von links nach rechts:

Helmut R e h m, „Jesus, der für uns mit Dornen gekrönt worden ist”. — Walter H o n e d e r, „Jesus, den du, o Jungfrau, im Tempel aufgeopfert hast". — Max W e i 1 e r,’ „Jesus, der uns den Heiligen Geist gesendet hat”.

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