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Rheingold, Rheingold…

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Am Montag, dem 15. April, fand die letzte der neun Veranstaltungen statt, die Herbert von Karajan dem Publikum der Salzburger Osterfestspiele geboten hat. Sämtliche fünf Opernaufführungen und die vier Konzerte wurden von ihm persönlich geleitet — und vorbereitet, was nicht nur künstlerisch, sondern auch rein physisch eine Höchstleistung bedeutet, besonders wenn man bedenkt, daß während dieser neun Tage auch noch Proben und Fernsehaufzeichnungen stattfanden.

Auch von der organisatorischen Arbeit und ihrem erstaunlichen Ergebnis muß gesprochen werden. Sie wurde von einem nicht mehr als zehn Mann umfassenden Team geleistet und galt den 500 Mitwirkenden sowie den rund 20.000 Besuchern dieser Osterfestspiele, darunter zweihundertfünfzig Journalisten, von denen etwa 200 aus dem Ausland kamen. Die 20 Solisten, das Orchester und die Spitzenkräfte des technischen Personals waren etwa einen Monat lang in Salzburg beschäftigt; die Vorbereitungen im weiteren Sinn dauerten wesentlich länger. Sie sind durch eine Gesamtaufnahme der DGG von „Rheingold” bezeugt, die noch vor Beginn der Osterfestspiele fertiggestellt wurde und im Herbst in den Handel kommt. Man schätzt die Gesamtproduktionskosten der heurigen Osterfestspiele auf etwa zwölf Millionen Schilling. Ein Großteil dieser Summe ist durch den Kartenverkauf und die Beiträge der Förderer und Freunde der Salzburger Osterfestspiele gedeckt. Weitere Einnahmen kommen durch Rundfunk- und Femsehaufzeichnungen. Sämtliche Veranstaltungen waren bereits Monate vor Beginn ausverkauft. Da diese Festspiele dem Land und der Stadt Salzburg bedeutende Einnahmen bringen, von denen ein beträchtlicher Anteil über die Umsatz- und Gewerbesteuer dem Staat zufließt, werden Stadt und Land Salzburg wohl nicht zögern, im nächsten Jahr das ihre dazu beizutragen, daß diese Festspiele, die zu Ostern 1967.

Die auf dieser Seife reproduzierten Photographien von Siegfried Lcuierwasser, Oberlingen, stellte uns das Pressebüro der Salzburger Osterfestspiele zur Verfügung …erstmalig stattfanden, erhalten bleiben.

Als Novität stand „Rheingold’, zweimal auf dem Programm. Die Bühnenbilder hatte, wie zur „Walküre” des Vorjahres, Günther Schnei- der-Siemssen geschaffen, die Kostüme stammten von George Wakhewitsch. Sie sind einheitlich im Stil und von großer Noblesse, weder altgermanisch noch einem falschen Modernismus huldigend. — Sowohl dem Regisseur Karajan wie seinem Bühnenbildner kann man bestätigen, daß sie zu noch einfacheren, suggestiveren und schöneren Formen des Spieles und seines Rahmens gefunden haben. Dabei handelt es sich bei „Rheingold” um das weitaus am schwersten zu inszenierende Werk der Tetralogie, ja Wagners überhaupt. Von Anti-Wagnerianern wird es als „das notwendige Übel” bezeichnet, denn es hat weder ariose oder orchestrale „Schlager” noch eine zentrale Liebesgeschichte — noch eine Pause (was vielleicht das Härteste ist…)

In der ersten Szene tummelten sich um einen mächtigen Felsen „auf dem Grunde des Rheins” in Schwebeapparaten drei Ballerinnen während die drei Rheintöchter ihren wohllautenden Gesang aus den unteren Felsspalten oder über Lautsprecher vernehmen ließen. Alternierend waren manchmal die einen, dann wieder die anderen zu sehen, immer natürlich nur je drei, ein Kunststück der Regie. Die „freie Gegend auf Bergeshöhen” ähnelten im Stil den vorjährigen „Walküre”-Bildern. Die neuerrichtete Götterburg freilich war nur angedeutet und glich einem halbabstrakten Gemälde von Franz Marc. Daß es in den „unterirdischen Klüften Nibelheims”, im Reiche Alberichs, finster ist, erscheint plausibel. Aber im zweiten Bild und im letzten wäre mehr Licht, viel mehr Licht zu empfehlen gewesen, schon aus Gründen des optischen Kontrastes.

Unter den 14 Protagonisten, von denen genau die Hälfte aus der Bundesrepublik kam, gab es keinen einzigen Versager, nicht eine Fehlbesetzung: Wotan war Fischer-Dieskau, Donner — Robert Kerns, Froh — Donald Grobe, Loge — Gerhard Stolze, Alberich — Zoltän Kelemen, Mime — Erwin Wohlfahrt, Fasolt — Martti Talvela, Fafner — Karl Rid- derbusch, Fricka — Josephine Veasy, Freia — Simone Mangelsdorff, Erda — Oralia Dominguez, die drei Rheintöchter die Damen Rebmann, Moser und Reynolds. Nirgends wurde der Schöngesang durch das scharf charakterisierende Spiel beeinträchtigt; die Artikulation freilich war nicht immer von gleicher Qualität und daher die Wortverständlichkeit unvollkommen.

Als exzellentes Opernorchester bewährten sich wieder die Berliner Philharmoniker, die bei der Interpretation der „Rheingold”-Partitur, einer der originellsten Wagners, eine kaum beschreibliche Virtuosität, besonders im hauchartigen Piano, entfalteten. Sie folgen buchstäblich Karajans kleinstem, kaum wahrnehmbarem Wink, ohne daß je der Eindruck des mechanisch Eingedrillten entstünde.

Ließe sich der Regisseur Karajan davon überzeugen, daß mehr Licht nicht nur die schönen szenographi- schen Ideen seines Mitarbeiters besser zur Geltung brächte, sondern auch das Anhören der Musik erleichterte — er käme der Vollkommenheit einen guten Schritt näher. Daß diese Musik aber auch im Halbdunkel zwei Stunden und fünfzehn Minuten zu fesseln vermochte, spricht sowohl für ihre Qualität als Komposition wie auch für die Wiedergabe durch alle Beteiligten.

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