Rom als Weltstadt der Künste

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"Hochrenaissance im Vatikan": Ausstellung über Kunst und Kultur der Päpste in Bonn.

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"Hochrenaissance im Vatikan": Ausstellung über Kunst und Kultur der Päpste in Bonn.

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So großzügig hat der österreichische Architekt Gustav Peichl die Bundeskunsthalle in Bonn geplant, daß man sich kaum einen besseren Ort für eine Ausstellung dieses Ranges vorstellen kann: "Hochrenaissance im Vatikan", die erste Ausstellung einer ganzen Serie, die "Kunst und Kultur im Rom der Päpste" präsentieren will. Wo sonst könnte man ein Modell des berühmten Skulpturenhof im Maßstab 1:1 unterbringen? 31 Jahre Kunstgeschichte einer Weltstadt sind bei der Schau mit beinahe 400 Objekten vertreten, die allerdings keineswegs alle aus dem Vatikan stammen: Das ist eine Fülle, die ein Zeitungsblatt nur in karger Auswahl wiedergeben kann.

Vier Pontifikate fallen in die beleuchtete Zeit von 1503 bis 1534: Julius II., Leo X., Hadrian VI. und Clemens II. Zwei der Päpste, Leo und Clemens, stammten aus der Florentiner Familie Medici. Die großen politischen Ereignisse der Zeit können nur angedeutet werden: Machtkämpfe im Dreieck Deutschland - Frankreich - Italien, vergebliche Bemühungen der Päpste um Kreuzzüge gegen die stetig vorrückenden Türken, Reformation, die Entdeckung der Neuen Welt ... Die großen Akteure der Zeit fallen dem Besucher zuerst in die Augen: die Päpste und einflußreiche Kardinäle - die Farbe Rot dominiert. Dazu die Kaiser Maximilian I. und Karl V., Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, König Franz I. von Frankreich - gemalt von der Künstler-Prominenz der Zeit: Tizian, Raffael, Dürer, Sebastiano del Piombo ... Ein Ereignis allerdings traf die Blütezeit der Künste wie ein harter Frost-Einbruch: Der "Sacco di Roma", die Plünderung Roms durch meuternde Truppen aus dem Heer Karls V.

Das ewige Dilemma der Päpste, geistlich und weltlich zu herrschen, hatte Julius II. in Kriege und Allianzen getrieben, um das Territorium des Kirchenstaates, womöglich ganz Italien von fremden Mächten freizuhalten. Immerhin war er es, der Michelangelo und Raffael an seinen Hof holte, den Neubau des Petersdoms in Angriff nahm und Werke der Kunst dem Ansehen seiner Herrschaft dienstbar machte. Sein Nachfolger war lange und gründlich vorbereitet. Giovanni von Medici, der spätere Papst Leo X., stammte aus dem mächtigsten Bank- und Handelshaus der Welt und bekam schon mit 13 Jahren die Kardinalswürde, die er aber erst mit 17 Jahren ausüben durfte. Die folgenden 20 Jahre nutzte er nicht nur, sich in Rom fest und einflußreich zu etablieren, sondern sich auch in Europa umzusehen. Was er vom Elternhaus mitbrachte und ständig anreicherte, war der selbstverständliche Umgang mit Gelehrten und Künstlern, der Sinn für das Schöne.

So war er entschlossen, allen Turbulenzen der Politik zum Trotz Rom zu einem friedlichen Brennpunkt des Humanismus zu machen, noch glänzender als seine Heimatstadt Florenz. Er war imstande, mit Gelehrten und Künstlern auf gleicher Ebene zu diskutieren. Mehr noch: er setzte die Kunst als Werkzeug der Diplomatie ein. So überreichte er König Franz I. von Frankreich ein kostbares Goldkreuz, in dem sich ein Splitter des Kreuzes Christi befand: eine vornehme Anregung zum Kreuzzug. Er veranlaßte keinen Geringeren als Raffael, ein Gemälde, das schon Julius in Auftrag gegeben hatte - die Kaiserkrönung Karls des Großen durch Leo I. - so zu verändern, daß die Gesichter Franz I. und Leos X. zu erkennen waren: Eine Anspielung auf die Ambitionen des Franzosen, der als Kaiser aber nicht seine Verpflichtung gegen die Kirche vergessen sollte. Mit dieser gemalten Darstellung, die Franz in Rom gesehen haben muß, hatte der Papst zwar dessen Wünsche zur Kenntnis genommen, aber nichts versprochen. Raffaels Porträt Leos X. mit den Kardinälen Giulio de'Medici und Luigi de'Rossi hatte familienpolitische Hintergründe. Aber Leo konnte nicht wissen, daß sein Vetter Giulio der übernächste Papst sein würde.

Mit dem Zitieren diplomatischer Zusammenhänge allein würde man der Größe Leos nicht gerecht. Für ihn waren Künste und Wissenschaften Lebens-Notwendigkeiten, Trost im Unglück, Freude im Glück, Grundlagen der Gesellschaft. Er sammelte gelehrte Männer und "schätzbare Bücher", vereinigte zwei Kollegien Roms zur blühenden Universität, richtete einen Lehrstuhl für Hebräisch ein, ließ eine Reihe junger Griechen anwerben, "damit die Italiener wiederum die griechische Sprache richtig erlernen". Latein aber war nicht nur die Sprache Ciceros, sondern auch die des römischen Reiches, dessen Tradition sich die Päpste verbunden fühlten. Das Nebeneinander der heidnisch-antiken Traditionen mit dem Christentum war nur mit Toleranz zu bewältigen.

Zum Sammeln "schätzbarer Bücher" - von antiken Klassikern, bis hin zu Werken der Kirchenväter und von Zeitgenossen - reisten Agenten durch halb Europa. Sie schreckten sogar vor Diebstahl nicht zurück. Der wurde zuweilen mit einem vollkommenen Ablaß ausgeglichen. Je mehr Bücher im Vatikan, umso mehr Gelehrte wurden zur Verwaltung und Auswertung gebraucht. Nach Rom drängen auch Dichter aller Kategorien. Leo X., Schüler Heinrich Isaacs, war musikalisch hoch gebildet und sammelte auch alte Musikinstrumente, von denen etliche ausgestellt sind.

Am spektakulärsten pflegte er die bildenden Künste. In Bonn kann man jetzt die wichtigsten vatikanischen Räumlichkeiten auf einem virtuellen Rundgang durchwandern und die Deckenfresken der Sixtinischen Kapelle so nah erleben, wie sie nur Michelangelo selbst und die Restauratoren auf dem Gerüst sahen. Leo erkannte zwar Michelangelos Genie, aber es erschreckte ihn mehr, als es ihn erfreute. Dagegen überhäufte er Raffael mit Aufträgen und ließ ihn bis zur Erschöpfung arbeiten, übertrug ihm sogar die Aufsicht über den Bau von St. Peter. Zeitweilig war auch Leonardo da Vinci sein Gast. Aber das hatte vorerst keine weitreichenden Folgen. Die Ausstellung reiht nicht nur Gemälde aneinander. Sie gibt etwa für Raffael Einblick in den Schaffensprozeß und in das hohe Ansehen, das er sofort genoß: Seine Werke wurden vielfach kopiert, durch Druckgraphik verbreitet und variiert. Von den Bildteppichen, die nach seinen Entwürfen für die Sixtinische Kapelle entstanden, sind zwei im Original zu sehen.

Wie geradezu paradiesisch Leos Pontifikat von den Künstlern empfunden wurde, erkannte man erst unter seinem niederländischen Nachfolger Hadrian VI., der wenig mehr als anderthalb Jahre regierte, riesige Schulden übernehmen und einen harten Sparkurs einschlagen mußte. Es fiel ihm nicht allzu schwer. So zählte er die Laokoon-Gruppe, neben anderen antiken Skulpturen jetzt (als Kopie) in Bonn, zu den "heidnischen Götzenbildern". Die Personal-Reduktion betraf auch Gelehrte und Künstler. Die Schriftsteller waren mit Schmähschriften schnell zur Stelle. Verständlich, daß der zweite Medici, nun Clemens II., mit höchsten Erwartungen begrüßt wurde. Aber auch er, als Kardinal ein großer Mäzen, mußte sparsam sein. Der "Sacco di Roma", der ihn zur Flucht aus Rom zwang, vertrieb auch die meisten Künstler, die allerdings die "maniera romana", den hohen künstlerischen Anspruch in die Welt hinaus trugen.

Clemens aber mußte in Rom vor allem die Schäden reparieren, die eine brutale Soldateska angerichtet hatte. Neues Kultgerät für die Kirchen war anzuschaffen. Die Engelsburg, die ihm sieben Monate Zuflucht gewesen war, wurde verschönert. An der Brücke davor wurden repräsentative Statuen der Heiligen Petrus und Paulus aufgestellt, und immerhin gab er noch kurz vor seinem Tod an Michelangelo den Auftrag, die Sixtinische Kapelle mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts zu schmücken.

Bis 11. April

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