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Romanische Freskenfunde in Lambach

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Als der Lambacher Stiftsarchivar P. Pius Sehmieder 1868 im Läuthaus der Stiftskirche zu Lambach — einem hinter der barocken Orgelempore liegenden, schwer zugänglichen Raum — romanische Gewölbefresken entdeckte, ist dieses Kloster, welches bereits in der Buchkunst des. 12. Jahrhunderts beachtliche Leistungen aufzuweisen hat, auch hinsichtlich der mittelalterlichen Monumentalmalerei in den Vordergrund des kunstgeschichtlichen Interesses getreten. Die Malereien überziehen drei kuppelig verschliffene Kreuzgratgewölbe und stellen, begleitet von einer rahmenden Ornamentik an den Bögen und Zwickeln mit Palmzweigen, S-Schlingen, Palmetten, perspektivischem Würfelmuster usw., den Zyklus der Heiligen Drei Könige in Anlehnung an das lateinische Magierspiel (mit Ausnahme einer stark zerstörten Szene an der Ostseite der nördlichen Kuppel, welche als Darbringung Jesu im Tempel gedeutet wird) dar. 1939 und 1956 wurden diese Fresken gereinigt und konserviert. Die Arbeiten bestanden vornehmlich in der Entfernung einer weißlichen, durch das Vorhandensein von Gips- und Salpeterausblühungen bedingten Schleierbildung, deren wirksame Bekämpfung bei der letzten Sicherungsaktion gelungen sein dürfte.

Die bis vor kurzem gültige Datierung hat sich für die Mitte bzw. zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts ausgesprochen. Die Reinigung der Fresken ermöglichte nunmehr eine genauere Betrachtung. Als ihr Ergebnis setzt sich immer mehr die Ansicht durch, daß es sich hier um Malereien handelt, die der Zeit des Erstbaues der 1089 geweihten Kirche angehören.

E. v. Sacken, der erste kunstgeschichtliche Bearbeiter der Gewölbefresken, hat bereits 1869 darauf hingewiesen, daß sie in einen größeren zyklischen Zusammenhang von Wandmalereien eingebettet sein dürften. Da nämlich die Gewölbeszenen an den Rändern beschnitten sind, tauchte schon früh die Vermutung auf, daß das aufgehende Mauerwerk im Innern dieses Raumes eine Vormauerung besitzt, welche man als Verstärkung der romanischen Konstruktion anläßlich der Erhöhung der beiden Westtürme im Jahre 1639 erkannte. Heute ist auf Grund von datierten Ritzinschriften gesichert, daß die Verstärkungsmauern erst nach 1678 eingezogen worden sein können, als sich im romanischen Bestand besorgniserregende Sprünge zeigten.

Jedenfalls haben die bereits vor ungefähr einem Jahrhundert aufgestellten Vermutungen den Anstoß zu einer seit 1957 laufenden kunstgeschichtlichen Erforschung des Raumes durch das Bundesdenkmalamt gegeben. Man hat Tastlöcher in die Verstärkungsmauern getrieben und ist in einer Tiefe von zirka 50 bis 60 Zentimeter auf die mittelalterlichen Wände gestoßen. Dabei sind Teile überraschend gut erhaltener romanischer, figuraler und ornamentaler Malereien festgestellt worden; Der Vorgefundene Bestand hat zu dem Entschluß geführt, diese Futtermauern vollständig zu entfernen, um die romanischen Fresken zur Gänze freilegen zu können. Um dies zu ermöglichen, ist die Erfindung eines Entlastungssystems notwendig, welches den Raum aus dem Druck- und Last-Verhältnis der Westanlage der Kirche gusklam- mern soll.

Vorderhand sind (durch vom Bundesdenkmalamt herangezogene Statiker) zum Zwecke der genaueren Untersuchung der Konsistenz des romanischen Mauerwerkes fast das ganze Nordturmjoch und die Westseite des Südturmjoches von den barocken Verstärkungsmauern befreit worden. Zur Sicherung wurde als Provisorium ein System von senkrechten und waagrechten Pölzstempeln und schrägen Versteifungen gewählt, welches nach Möglichkeit bald der endgültigen Entlastungskonstruktion aus Stahlbeton weichen soll.

Der an den Wąnden bei der teilweisen Flächenfreilegung Vorgefundene romanische Freskenbestand am aufgehenden Mauerwerk, der aller Wahrscheinlichkeit nach gleichzeitig mit den Gewölbefresken im Zuge einer Ausstattungsaktion entstanden ist, kann tatsächlich als beachtlich bezeichnet werden. Mehrere große szenische Darstellungen wurden freigelegt; sie konnten bei der ersten Dokumentation nur in Detailaufnahmen erfaßt werden, weil die statische Sicherheit die Aufnahme ganzer 1 Felder ohne vorherige Abpölzung der schlitzweise durchgeführten Oeffnungen nicht gestattete.

Folgende Darstellungen sind bis jetzt festzustellen: An der Westwand des Nordturmjoches im oberen Teil der zwölfjährige Christus mit den Schriftgelehrten; im unteren Teil der lehrende Christus im Tempel. Die Nordwand des Joches zeigt oben die Zeugenschaft Johannes’ des Täufers für Christus vor der Menge, während sich unten eine derzeit noch nicht genau identifizierbare fragmentierte Darstellung eines nimbierten Greises mit zwei Frauen ausnehmen läßt. An der Ostwand des gleichen Joches sind die Theophanie der Taufe Christi sowie Christus noch einmal mit der Taube des Heiligen Geistes, umgeben von vier Tieren (Lämmer?), dargestęllt. Ikonographisch besonders interessant und derzeit wegen der noch nicht vollständig durchführbaren Freilegung nicht exakt deutbar, ist die Szene an der Westwand des Südturmjoches: sie zeigt in der Mitte einen gestürzten bärtigen Mann; auf der rechten Seite assistiert eine Massenversammlung von Greisen und jüngeren Männern, die mit Gebärden des Erstaunens und des Erschreckens nach links emporblicken, wo am äußeren Bildrande vorläufig der Rumpf einer mächtigen thronenden Gestalt freigelegt werden konnte. Der Stürzende, dem eine Krone vom Haupte fällt, zeigt große Aehnlichkeit mit der Figur des Herodes im darüberliegenden Gewölbefresko (die Magier und Schriftgelehrten vor Herodes). Ein abschließendes Urteil über diese Darstellung ist bei dem derzeitigen Freilegungszustand noch nicht möglich, doch liegt die Vermutung nahe, daß es sich hier um eine Szene handelt, die im lateinischen Magierspiel — ein fragmentarisches Exemplar des 11. Jahrhunderts befand sich im Stifte — bzw. seiner gestalterischen Interpretation ihre Erklärung finden dürfte. Darunter Christus, von Engeln umgeben, fragmentiert.

Zusammenfassend kann über die Malereien vorderhand gesagt werden:

Die Gewölbefresken setzen sich an den Wänden fort. Thematisch stellen die Wandmalereien wohl eine Ausweitung des Dreikönigszyklus und sicher der Jugendgeschichte Christi (eine Darstellung bereits an der Nordkuppel), welche von seinem öffentlichen Wirken gefolgt ist, dar.

In engem Zusammenhang mit den bis jetzt freigelegten Malereien des Läuthauses wird die Frage nach der ursprünglichen Gestalt der Westanlage der romanischen Kirche gestellt. Die Quellen berichten, daß Bischof Altmann von Passau am 15. September 1089 den „Majus et principale altare” zu Ehren Unserer Lieben Frau und des hl. Kilian mit seinen Genossen weihte, während Adalbero, Bischof von Würzburg und Gründer des Benediktinerstiftes Lambach, gleichzeitig den „Altare, quod secundum a principali obtinet locum” zu Ehren des hl. Evangelisten Johannes konsekriert hat. Ueber den Ort dieser beiden Altäre bestand zeitweise Unklarheit in der Forschung. Da jedoch noch im 15. Jahrhundert von einem „Duplex chorus ecclesiae Lambacensis” die Rede ist, wobei der Hochaltar in jenem Chor genannt wird, der „Superior in posteriore parte ecclesiae” lag, hat sich die bereits von Schmieder aufgestellte These, daß es sich hier um einen Teil des West- und Hauptchores des romanischen Erstbaues handle, nunmehr allgemein durchgesetzt Die bedeutende malerische Ausstattung dieses Raumteiles ist ein eindrucksvoller Beleg für die Annahme.

Eine weitere Bestätigung der Westchorthese bieten die Untersuchungen und Grabungen, welche im Raume unter dem ehemaligen Läuthaus, das ist in der Vorhalle der Kirche und in der Kirche selbst, derzeit durchgeführt werden. Sie sind zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch nicht abgeschlossen, doch kann bis jetzt folgendes gesagt werden:

Der jetzige Fußboden des Läuthausraumes ist erst später eingezogen worden; das ursprüngliche Niveau des Westchores lag tiefer, da sich die Malereien nach unten fortsetzen. Anläßlich von Sondierbohrungen in der Vorhalle der Kirche zur Feststellung der Fundamentverhältnisse ist bereits im Vorjahr festgestellt worden, daß noch- ein-mit romanischen Malereifen versehener, jžtzt- ganz und in der Zeit des Erstbaues wohl teilweise unterirdischer Raum im Bereich der Vorhalle existiert, der mit einem zweiten, ebenfalls unterirdischen Raum im Bereich des Westteiles der barocken Kirche kommuniziert. Ein Teil der figūrai bemalten Ostwand des erstgenannten Raumes (wahrscheinlich Fragmente einer Weltgerichtsdarstellung) wurde für kurze Zeit freigelegt und mußte nach Aufnahme und entsprechender Absicherung vorläufig wieder zugeschüttet werden. Vermutlich handelt es sich hier um Teile der in den Quellen verbürgten Krypta der -romanischen Kirche. Auch liegt auf Grund des bisherigen Grabungsbefundes die Vermutung nahe, daß dieser Bau ein über die Flucht der Türme nach Westen vorspringendes Joch (Rechteckapsis) besessen hat. Ferner wird noch zu klären sein, wieweit Bauteile allenfalls mit der dem Kirchen- und Stiftsbau vorangehenden Anlage der Stammburg der Traungauer Grafen von Wels-Lambach Zusammenhängen. Die Auffindung antiker Spolien verdient in diesem Zusammenhang Beachtung.

Die gegen Ende des 11. Jahrhunderts datierbaren byzantinisch beeinflußten Fresken des ehemaligen Westchores sind derzeit als die ältesten romanischen Monumentalmalereien Oesterreichs anzusehen (die ottonische Kunst hierbei als eigene Stilperiode ausgenommen). Sie zeigen selbst noch viele ottonische Elemente. Ihre genauere stilgeschichtliche und kunstgeographische Einordnung wird nach der Gesamtfreilegung, die ein eingehendes Studium des ganzen Bestandes ermöglichen soll, ein wesentliches Anliegen der Forschung darstellen.

Der Erhaltungszustand ist außerordentlich gut. Während im Osten zumindest eine deutliche Untermalung erhalten ist, sind im Westen noch alle Farben des Altbestandes in unrestauriertem Zustand vorhanden. Die vollständige Freilegung und Sicherung dieser, europäische Bedeutung besitzenden Malereien, welche in ihrer elementaren Ausdrucksgewalt zweifellos nicht nur die engere Fachwelt allein beeindrucken dürften, ist eine vordringliche Aufgabe der österreichischen Denkmalpflege. Es darf vor der kunstinteressierten Oeffentlichkeit festgehalten werden, daß die notwendigen Anstrengungen zur Verwirklichung dieses Vorhabens wohl in einem entsprechenden und angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung des Fundes stehen.

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