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Rossini im Redoutensaal

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Für die Italiener ist die Buffostimmung von Rossinis „Barbier von Sevilla” kein „Stil”, auch keine „Tradition”, sondern Ausdruck eines bestimmten Lebensgefühls, ein zeitloses Register gewissermaßen. Sprache, Musik und Gestik bilden für sie eine selbstverständliche Einheit. Bereits bei der Sprache beginnen die Schwierigkeiten. Das Tempo des italienischen Parlando wird von deutschen Sängern nie ganz ohne Mühe bewältigt: aber der junge Hamburger Hermann Prey als Figaro, Erika Köth als Rosine, Oskar Czerwenka, Murray Dickie und Hilde Rössel-Majdan haben in der Neuinszenierung dieser Oper (durch Oskar Waelterlin) das Bestmögliche geleistet. (Auch die zweite Besetzung mit Christa Ludwig und Waldemar Kmentt hat sich, dem Vernehmen nach, glänzend präsentiert.) Es war jedenfalls eine reine Freude, an einem Abend so viele junge, völlig intakte Stimmen zu hören. Mario Rossi am Pult musiziert mit den Philharmonikern sehr diskret und mit überraschend gemäßigten Tempi. Unter den italienischen Dirigenten, die wir kennen, ist er der Akademiker. Sehenswert sind die lustigen Bühnenbilder und Kostüme des Schweizers Fritz Butz: duftig, aquarellfarbig und ganz im Buffostil gehalten, der es gestattet, Requisiten, die nicht gebraucht werden, einfach aufzumalen. Nach dieser Aufführung könnte man meinen, daß der „Barbier” speziell für den Redoutensaal komponiert wurde …

Nach Leonore und Aida, Salome und Elektra, Marie in „Wozzeck” und Penelope in Liebermanns Oper sang Christel Goltz zum erstenmal in Wien die Isolde. Die große Künstlerin gestaltet diese Rolle völlig unkonventionell: einfach, unpathetisch — und daher um so eindrucksvoller, sehr menschlich und intelligent. Auch einige Neuerungen und Verbesserungen in der Regie stammen vermutlich von ihr. Im ersten Akt läßt sie spüren, was Isolde da angetan wurde, im zweiten ist sie zu Beginn zurückhaltender, als man es gewohnt ist, und gibt dem Duett jene große, feierliche Ruhe, welche die Musik ausdrückt. Neben ihr hatten es Georgine Milinkovic als Brangäne, Hans Hotter als Kurvenal, Hans Braun als Melot und Ludwig Weber als Marke leichter als ihr Partner Ludwig Suthaus. Heinrich Hollreiser leitete die Aufführung mit großem Schwung und echter Leidenschaft, manchmal etwas zu unruhig in den Tempoübergängen.

Im Zyklus „Meisterwerke romantischer Musik” dirigierte der Spanier Ataulfo Argenta die Wiener Symphoniker. Wir hörten die beiden ersten Stücke des Programms: Schuberts 6. Symphonie (die „kleine” C-dur) und drei Tänze aus dem Ballett „Der Dreispitz” von de Falla, bei deren Interpretation sich der Dirigent begreiflicherweise mehr „zu Hause” fühlte. Aber auch diese Musik haben wir schon sensibler und leuchtkräftiger gehört.

Am gleichen Abend leitete die aus Prag kommende Dirigentin Hanna Fischer im Großen Musikvereinssaal ein Konzert des Tonkünstlerorchesters. Auf dem Programm standen Beethovens Egmont-Ouvertüre, Schuberts „Unvollendete” und Dvoraks Symphonie „Aus der neuen Welt”. Bei der Wiedergabe des letztgenannten Werkes lernte man eine Dirigentin kennen, die ihr Handwerk beherrscht, die mit Freundlichkeit und sanfter Gewalt genau das erreicht, was sie haben will, und die im Vortrag mehr zum Lyrischen als zum Dramatischen neigt.

Das Solistenkonzert des Wiener Kammerorchesters gab einigen Instrumentalisten des Ensembles Gelegenheit, ihr Können zu zeigen (Barbara Samonigg in Bachs Violinkonzert a-moll: dem virtuos blasenden Karl Trötzmüller in einer Blockflöten-Suite von Telemann) und dem Leiter, zwei seiner Werke vorzuführen. Der von Olga Butuk gespielten „Etüde” Paul Angerers ist die Instrumentierung der ursprünglich für Klavier geschriebenen Begleitung nicht gut bekommen. Auch rechtfertigt der eher rhapsodische Charakter des Fünfminutenstückes den Titel nicht recht. Die „G 1 o r i a t i o” für Kontrabaß und Kammerorchester gereichte eher dem Solisten (Alfred Planyavsky) als dem Komponisten zum Ruhm, obwohl das etwa zehn Minuten dauernde Werk einige gute Stellen enthält, die zusammengezogen, ein hübsches Vortragsstück ergeben könnten.

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