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Salzburg für Frauen

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Daß es im touristisch ausgereizten Salzburg noch historische Aspekte zu entdecken gibt, beweisen die Autorinnen des neuen Stadt- und Reisebuches „Salzburg für Frauen”. Sie machten sich auf die Spurensuche nach starken, prägenden Frauen und vergessenen Künstlerinnen und stellten sechs Rundgänge zusammen, die Salzburg aus der weiblichen Perspektive erschließen.

Hier lebten nämlich nicht nur jene „Salzburger Doppelgänse, die niemals wagen würden, öffentlich ihre Rechte einzuklagen”, wie die Frauenrechtlerin Irma von Troll-Boro-styäni Ende des 19. Jahrhunderts drastisch schrieb. So brachte es im 16. Jahrhundert eine Münzmeisterin dank dem kaufmännischen Geschick, mit dem sie den Betrieb ihres verstorbenen Ehemannes über 20 Jahre lang leitete, zu großem Wohlstand, bis sie als Protestantin einer Intrige zum Opfer fiel.

Auch die Mariensäule am Domplatz birgt eine Frauengeschichte, die in diesem Reiseführer zu finden ist: Die Gestalt der Unbefleckten Empfängnis trägt die Züge der Hofmalerin Bosa Hagenauer-Barducci, Ehefrau des Bildhauers Johann Baptist Hagenauer, die allerdings mit ihrem „liderlichen” Lebenswandel Salzburg schockierte. Leopold Mozart berichtete seinem Sohn immer wieder in Briefen von den Skandalen der ebenso selbstbewußten wie unkonventionellen Künstlerin.

Von der Apothekerkunst der Nonnberg-Klosterfrauen, den 200 Hebammen, die 1760 in der Stadt praktizierten oder von der alten Tradition des Kartenmalens, die in Frauenhand lag, erfährt man ebenso wie vom Schicksal von Napoleons Geliebter Eva Kraus, die als Zehnjährige von einem k. u. k. Offizier in Kroation gekauft wurde und später in Männerkleidern als Page mit Napoleon durch ganz Europa reiste.

Einige Künstlerinnen aus Salzburg, die zu ihrer Zeit berühmt waren, aber später fast völlig in Vergessenheit gerieten, kann man in diesem Buch wiederentdecken: Marianne Mösner, als Harfenvirtuosin Mitte des vorigen Jahrhunderts in ganz Europa bekannt, wurde so schlecht bezahlt, daß sie sich erst mit einer Eheschließung finanziell konsolidieren konnte - allerdings zu einem hohen Preis: dem Ende ihrer Karriere als Musikerin.

Auch eine Generation später war es noch schwer, Ehefrau und Künstlerin zu sein. Die Schriftstellerin Friederike von Winternitz brachte zwei Töchter in ihre Ehe mit Stefan Zweig mit und wurde schnell zur „Hüterin seines Geistes”. Was sie allerdings noch mehr und bald voll und ganz in Anspruch nahm, war die Organisation des Haushalts in der weitläufigen Villa am Kapuzinerberg. Aus der Schriftstellerin wurde so eine „Kämpferin in Alltagsfragen”, die schließlich in Salzburg zurückblieb, als Stefan Zweig mit seiner Privatsekretärin zunächst ins Londoner Exil ging. Später wanderte die in Vergessenheit geratene „erste Frau Stefan Zweigs” nach Amerika aus, wo sie ihre Tätigkeit als Schriftstellerin und Übersetzerin wieder aufnahm.

Von der Hofporträtistin Barbara Krafft, die ein bekanntes Mozartbild schuf, bis zu Agnes Muthspiel, deren Künstlerzirkel im Mönchsberghaus nach dem Zweiten Weltkrieg zum Treffpunkt der in- und ausländischen Kunstszene wurde, reicht die Kette der kreativen Frauen Salzburgs. Und schließlich stammt auch das bis heute verwendete Logo der Salzburger Festspiele von einer Frau: Poldi Wojtek hat es 1928 entworfen.

Dem Herausgeberinnen-Duo, der Kunsthistorikerin Christa Gürtler und der PR-Beraterin und Initiatorin des Frauentourismusprojekts „Frauen reisen anders” Isabella Klien, sowie der Autorin Gertraud Steiner ist es gelungen, einen originellen Reiseführer zusammenzustellen, der ohne feministisch erhobenen Zeigefinger, mit Charme, hintergründigem Humor und historisch fundiert ganz neue Aspekte der Mozartstadt eröffnet. Daß dieses Sachbuch gut geschrieben und damit kulinarisch zu lesen ist, sei ebenfalls erwähnt.

Ein Verzeichnis von Hotels, Museen, Galerien sowie der verschiedenen Serviceeinrichtungen, die Salzburg speziell Frauen zu bieten hat, runden das Stadt- und Reisebuch ab.

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