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Salzburg und sein Landestheater

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Die kulturelle Visitkarte einer Stadt ist ihr Theater. Es gibt große Städte, deren Kulturbedürfnis so gering ist, daß sich nie ein vollwertiges Theaterleben entwickeln kann, während manchmal Orte, die vorher höchstens ein geographischer Begriff waren, durch Aufsehen erregende, bahnbrechende Vorstellungen einen unsterblichen Namen in der Theatergeschidite errungen haben; so wurde zum Beispiel Mannheim zu einer Zeit, da es kaum 46.000 Einwohner zählte, zum Inbegriff deutscher Theaterkunst. Salzburg verdankt seinen Ruhm als Kunststadt zwei glücklichen Umständen: Mozarts Genius, der Stadt und Landschaft erfüllt, und den Festspielen. Diese wahrhaft von Gott begnadete Stadt offenbart sich dann einen Monat lang als ein Musentempel erlesenster Kunst. Einen Monat lang verschenkte Salzburg seine reichen Gaben im überschwenglichen Maße, dann versank die altehrwürdige Bischofstadt in einen Dornröschenschlaf. Wenn das Theater im Herbst seine Tätigkeit wieder aufnahm, erlebte man Vorstellungen, die nicht besser und. nicht schlechter waren als Aufführungen in St. Pölten oder Wiener Neustadt.

Unmittelbar nach der Befreiung Österreichs wurde das Landestheater unter dem kommissarischen Leiter Ministerialrat Doktor Hilbert wieder eröffnet. Dr. Hilbert erkannte sofort die günstige Gelegenheit, die jetzt gegeben war, das Salzburger Landes-theater aus seiner künstlerischen Unbedeutendheit herauszureißen, und stellte eine Spielgemeinsdiaft zusammen, von der man Ensemblekunst erwarten konnte. Gusti Huber, Eva Lissa, Magda Schneider, Susi Nicoletti, Andpe Mattoni, Albin Skoda, Max Schipper, Alexander Trojan, um nur einige Namen zu nennen, fesselte er durch Gastspielverträge. Dr. Hilbert begann — man könnte fast sagen aus dem Nichts heraus — ein Repertoire aufzubauen und hätte seinen Plan, das Landestheater im Vereine mit den spielfreudigen Künstlern in die erste Reihe der österreichischen Bühnen zu führen, gewiß in kurzer Zeit Wirklichkeit werden lassen. Leider wurde er allzubald in die Bundestheaterverwaltung nach Wien abberufen und konnte so seine Absichten nicht mehr selbst durchführen. Wenn trotzdem Salzburg ein Theater von weit höherem künstlerischem Niveau behalten hat, als es in den früheren Jahren der Fall war, ist dies in erster Linie den beiden Oberregisseuren Erwin Faber für das Schauspiel und Karl Dönch für die Oper zu danken. Fabers fester Wille zum Aufbau des Landestheaters drückte sich im Spielplan aus. Er wußte, daß wir in verstärktem Maße auf die Klassiker zurückgreifen müssen, solange es noch keine neuen Stücke gibt, die ethische, politische und religiöse Probleme der Gegenwart zur Diskussion stellen. Und er tat es mit künstlerischem Gewissen, das heißt er traf die Wahl nach den zu Gebote stehenden Schauspielern.Mit Eva Lissa, Albin Skoda und Helmut Janatsch inszenierte er „Was Ihr wollt“. Mit den ausgeglichenen Leistungen aller Künstler erinnerte die Vorstellung an die schönsten Theaterabende in der Josefstadt und erreichte vierzehn Aufführungen. Auch in „Don Carlos“ mit Erwin Faber als König Philipp, Helmut Janatsch als Carlos und Vera Lissen in der Rolle der Eboli wußte der Regisseur Faber aus den Schauspielern das Letzte an Ausdrucksmöglichkeiten herauszuholen und so die Aufführung trotz unbekannter und neuer Namen zu einem Erlebnis zu machen. Zwölf ausverkaufte Häuser bewiesen, daß das Salzburger Publikum für echte Kunst empfänglich ist und die Geschäftsdirektoren der Vergangenheit mit der Überflutung von seichten Unterhaltungsstücken und minderwertigen Operetten den Publikumsgeschmack nicht verbilden konnten. Daß die Oper in der Musikstadt Salzburg nur mit Spielopern, wie Lortzings „Wildschütz“, Rossinis „Barbier von Sevilla“ und Puccinis „Butterfly“ in Erscheinung treten konnte, liegt an dem wunden Punkt der Orchesterfrage und an technischen Schwierigkeiten, die aber hoffentlich im Laufe der Zeit zu überwinden sein werden.

Mit der Berufung Alfred Bernaus zum Intendanten wird die vielbesprochene Krise des Landestheaters endlich beendet sein. Dem älteren Wiener Publikum verbindet sich der Name Bernau in der Erinnerung mit der Glanzzeit des Deutschen Volkstheaters. Im letzten Jahr des ersten Weltkrieges und während der schweren, von vielen Krisen erschütterten Nachkriegszeit gelang es ihm, mit einem erstklassigen Ensemble einen interessanten Spielplan aufzubauen, der das damals noch mit k. k. Hoftheaterstaub überdeckte Burgtheater an Lebendigkeit der Gestaltung überflügelte. Heute steht Bernau, einer ungewissen Zukunft entgegensehend, vor der Aufgabe, das Salzburger Theater auf eine Höhe zu führen, die der Festspielstadt würdig ist. Es ist sein fester Wille, auch außerhalb der Festspielzeit die Bühne geistig und künstlerisch weiterzuentwickeln und sie auf eine Plattform' zu stellen, die ihr das Recht gibt, in Konkurrenz mit den ersten Wiener Bühnen zu treten. Mit diesem Wunsch will Bernau aber beileibe keine Demarkationslinien zwischen Salzburg und Wien aufrichten, ein Auseinanderentwickeln von „Provinz“ und Hauptstadt, gerade dies Aufnehmen eines Wettstreites kann die westliche und östliche Sphäre unserer kleinen Heimat wieder zusammenführen. Noch kann Intendant Bernau keine detaillierten Pläne bekanntgeben, denn ein Disponieren auf lange Sicht ist heute aus technischen, organisatorischen und durch die sich jaus der Besetzung ergebenden Schwierigkeiten nicht möglich. Auf jeden Fall will er das Landestheater auch in das Festspielprogramm eingliedern, denn er hält es mit Recht für untragbar, daß diese Kunststätte während der Festspielwochen einfach totgeschwiegen wird. Um auch Stücke, die nur einem künstlerisch hochgebildeten Publikum verständlich sind, in den Spielplan aufnehmen zu können, plant Bernau, ähnlich dem Wiener Redouten-saal, einen architektonisch schönen Raum, deren es ja in Salzburg mehrere gibt, zu Kammerspielen umzuwandeln. Erfreulicherweise haben anläßlich einer Pressekonferenz sämtliche Zeitungen die Erklärung abgegeben, daß sie unabhängig ihrer Parteirichtung das Salzburger Theater unterstützen werden, so daß eine politische Debatte, die anläßlich der Ernennung Bernaus auszubrechen drohte, aus der Welt geschaffen ist.

So können wir hoffen, daß das Salzburger Landestheater sich aus den vielversprechenden Anfängen weiterentwickeln und vom Intendanten Bernau langsam zu der Höhe geführt wird, die im In- und Ausland mit dem Begriff österreichischerKunst im Einklang steht.

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