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Salzburger Kunstsommer

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Ausstellungen von Malerei, Zeichnung, Graphik und Plastik in solcher Vielfalt des Charakters und des Ranges werden für den Betrachter von besonderem Wert, weil sie bildnerischen Ausdruck in seinen Wandlungen vom Barock bis heute zeigen. Oben auf der Hohensalzburg, in der „Sommerakademie", hat Oskar Kokoschka das Um und Auf um lebendiges Gedeihen wahren künstlerischen Schaffens als in einer „Schule des Sehens" statuiert. In dieser Hinsicht konnten besinnliche Betrachter in diesen neun Ausstellungen viel gewinnen.

Zum dreihundertsten Geburtstag des österreichischen Barockmalers J oh ann. Mi cha e 1 Rott- mayr (1654 in Laufen an der Salzach geboren, 1730 in Wien gestorben) haben Landesregierung und Stadtgemeinde Salzburg eine herrlich beglückende Schau ermöglicht. Vereint mit seinen allegorischen find mythologischen Deckengemälden, die er unter den Erzbischöfen in den Prunksälen der Residenz geschaffen hat, sieht man noch 46 Gemälde aus Kirchen, Klöstern und Privatbesitz, und (meist aus der Albertina) 19 Blätter mit Skizzen und Studien, auch in den Vitrinen handschriftliche Dokumente mit Verträgen und Honorarquittungen. Mit der Betrachtung der Werke verbindet sich die der kostbaren Einrich tungen und Tapisserien der Gemächer und noch dazu der Blick auf die Plätze von Alt-Salzburg. Aber die Schau erweitert sich ja noch auf Rott- mayrs Gemälde in Salzburgs Kirchen. — In den Gemälden ist es immer der beschwingte, alle figurale Vielheit wie melodisch zusammenschließende Rhythmus, der als aussagende Idee uns durchs Auge innerlich bewegt.

Die Gemälde im zweiten Stockwerk der Residenz führen uns in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts: Neue Formweisen von Frankreich her leiten die Malerei, mythologische und religiöse Motive treten in den Hintergrund, Landschaft und Bildnis beschäftigen das künstlerische Schauen. Da ist es der Salzburger Hans Makart (geboren 1840 in Salzburg, gestorben 1884 in Wien), der durch die koloristische Gestaltung des Bildnisses den Wesenszug einer gesellschaftlichen Schichte mit ihrem äußeren Schein repräsentiert. Die Revidierung des herkömmlichen kunstgeschichtlichen Urteils über Makart durch diese Ausstellung hat zur Rehabilitierung seines lįįnstlerischen Ranges geführt. Wie diese Gestalten schöner Wiener Frauen in der harmonisch gebändigten Fülle der Farbigkeit im figuralen Aufwuchs vor uns erscheinen, meist vor purpurfarbenem Grunde, und ihre nicht sehr differenzierte Lieblichkeit uns anblickt, das ist von unverkennbarer, einprägsamer Eigenart. Diese harmonisierende Koloristik ist reich, aber ein Vergleich des Inkarnats eines Armes oder der Schultern mit dem bei Rottmayr erweist doch einen Abstand in der inneren Herkunft.

Die Verwaltung der Residenzgalerie hat sich durch beide Ausstellungen ein kulturwichtiges Verdienst erworben. Das Werk Makarts ist von Werken seiner Zeitgenossen umkränzt: Hans Canon, Defregger, F. A. Kaulbach, Lenbach (mit den Bildnissen Leos XIII., Theodor Mommsens), Piloty, Romako usw. — Dr. Josef Mühlmann und Dr. Ernst Köller haben die mühereiche Arbeit vollbracht —; die Darbietung von Rottmayrs Kunst verdanken wir Dr. Franz Fuhrmann. Beiden Ausstellungen ist durch vortrefflich illustrierte Kataloge schöne Erinnerung gesichert.

Den Impressionismus sucht oft törichte Moder- nitis ins Hintertreffen zu drängen. Daß er aber lebt, und zwar als Leidenschaft lebt, ist all denen geläufig, die Anton Steinharts, des europäisch-künstlerisch längst anerkannten Salzburgers, zeichnerische und koloristische Gestaltungen kennen. Seine Arbeiten aus den letzten Jahren, im Mirabellpavillon ausgestellt, sind Zeugen für das Goethe-Wort „Farben sind Taten und Leiden des Lichts". Ob Rohrfederzeichnung oder Gemälde: immer sind es Gespräche dieses Meisters mit dem Licht. Und da wird die Fläche des Zeichenblattes, die Leinwand des Gemäldes zum Raum, darin das ewige Spiel von Helligkeit und Schatten uns die „Wirklichkeiten" der Natur als verklärte Erscheinungen schenkt. Und wie still auch Meer und Strand und hoher Himmel vor uns sind, wir erleben in den Pinselstrichen mit ihrem heftigen Auftrag die Lust der Seele mit, wie sie die Schönheit, die lebende Schönheit des Alls empfängt. Aber Seele des Künstlers als anteilnehmend menschlich erfahren wir auch aus seinen gnzeich- neten Charakteristiken von Gesichtern, die im raschen Vorüber ganz unmittelbar erhascht sind.

Im Künstlerhaus und im vorbildlich angenehmen Schauraum des Amerikahauses kann man Ergebnisse der dingfernen zeichnerischen und farbigen modernen Kunst sehen, dieser bildnerischen Chemie, die in ihren Puzzlespielen den Raum- und Bewegungswirkungen der Bildelemente nachgeht, mit einem oft bewundernswerten Fleiß an minutiöser Filigranarbeit von Linienlabyrinthen. Wenn all dies nur fruchtbar würde für die Erfassung sinnerfüllter Kunst!

Unberührt von Experimenten sind die in klaren farbigen Intervallen gegebenen Landschaften des jungen Steirers Hubert Tuttner in zwei Sälen des Rupertinums. Aber seine nach Fresko strebende Großform kommt noch nicht aus gereifter Fülle.

In zwei Räumen der Realschule sieht man in Naturstudien problemfernen Fleiß junger Dilettanten, aber auch treffliche, in schwebende Aquarellweise lyrisch umgewandelte Landschaftsmotive von Hans Florey.

Große Kunst, also: Naturerfahrung, Naturerleb- nis, von innerer Lebendigkeit her erhöht zu sinnerschließender Gestalt, zeigt dankenswert wie schon oft die Galerie Welz, diesmal als zwei Gegensätze in Form und geistiger Sicht, die sich aber gegenseitig in ihrer Wirkung auf den Betrachter steigern. Der Bergamasker Giacomo Manzli (geboren 1908) zeigt in zwölf Bronzeskulpturen die Menschengestalt, im nackten Aufwuchs, wie lebendig vibrierend, aber auch in vollständiger Bekleidung, in deren großem Zug das Leben zu atmen scheint. 29 Handzeichnungen offenbaren die Beherrschung der Form als Träger des Lebens, sprechen ebenso von südlichem Presto wie von gelassener Sicherheit umfassenden Könnens. — Zur menschlich so hochbedeutsamen Wesenheit unseres großen österreichischen Meisters Oskar Kokoschka führen uns gegen hundert graphische Blätter; Bildnisse, Phantasien, Kompositionen aus Mappenwerken, wie „O Ewigkeit, du Donnerwort!" und „Passion". Ob Bildnis nach der Wirklichkeit oder biblische Szenen, Phantasien: immer sind es Durchschauungen zu Wesensgründen hin und ihre bildnerische Gestaltung trägt im Strich von diesem innerlichen Weg die Züge. Nicht ohne weiteres gelangen manche Betrachter zum Sinn der Aussagen, doch werden sie zum Verweilen gehalten und ihr Sehen gewinnt Vertiefung.

Die Blätter beider Ausstellungen sind in Verzeichnissen wissenschaftlich genau registriert und etliche gute Wiedergaben helfen der Erinnerung zu innerlichem Besitz.

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