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Schiele und Kokoschka

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Wer nicht im „Haftmann“ steht, kann trotzdem ein großer Künstler sein. Daß diese Behauptung auf Egon Schiele als Graphiker zutrifft, beweist eine kleine, aber exquisite Ausstellung, der Galerie W ü r t h 1 e, Wien, Weihburggasse (die allerdings, um einige Blätter verkürzt, noch prägnanter ausgefallen wäre) Wenn da auch Blätter sind, in denen das Kunstgewerblich-Dekorative nicht überwunden ist und zu manieristischen Auslassungen führt, steigert sich die Aussage der besten Graphiken über Routine und Stilistik hinaus zu einem innerlich geprägten Bild. Jenseits des grellen expressionistischen Schreies liegt das Bildnis der „Dame mit Hut“, seiner Gattin.Edith (1914). Unmittelbar berührend das menschlich erlebte Paar „Mutter und Kind (1918). Pathetisch und nicht ohne Hysterie, aber von gewaltiger Erregung ist das Selbstbildnis des Künstlers von 1913, das sich aus avantgardistischem Bewußtsein heraus „Der Kämpfer“ betitelt. Ins Expressive gesteigerter Kolorismus prägt das Aquarell „Klosterneuburg“. Die antibürgerlichen Exzesse eines sich selbst nicht ganz verständlichen Zeitalters dokumentieren sich in den stünnischen weiblichen Akten. Schiele war in jeder Hinsicht ein Uebergang. Daß das Bleibende seiner Produktion in der europäischen Kunstliteratur und im internationalen Ausstellungswesen so verkannt und verschwiegen werden konnte, wie es unwiderleglich der Fall ist, stellt nur einen Teil jenes Problems „Oesterreich im Schatten“ dar, über das viel zu sagen wäre. Wenn auch Selbstreklame nicht unbedingt als Tugend zu buchen ist, steht die repräsentative österreichische Publikation jedenfalls noch aus, die auch im Ausland das österreichische Schaffen von Otto Wagner und Klimt bis Boeckl und Wotruba dokumentieren würde.

Kokoschka, der international abwechselnd als Deutscher, Engländer oder wenigstens Tscheche gilt und noch niemals im österreichischen Pavillon der venezianischen Biennale zu sehen war (den Oesterreichern fiele z. B. nicht ein, den Heiligen Papst Pius X., der als österreichischer Staatsbürger auf venezianischem Gebiet geboren wurde, im Rahmen der Weltgeschichte als solchen zu beanspruchen !)> ist durch einige seiner besten Porträtlithographien und die schöne Studie zum „Konzert“ (1920) vertreten. Fühlsam und zart ist der frühe Mädchenakt „Stehende“. Von eindringlicher Mächtigkeit das Porträt Carpentier. Kokoschkas Spätwerk ist nicht vorhanden und wird nicht sehr vermißt.

Der Bühnenbildner (die Barocke sprach von „Theatralarchitekten') Stefan H1 a w a ist primär Maler (nicht Architekt) für die Bühne. Im Laufe seines ein viertel Jahrhundert ausfüllenden Schaffens durchläuft er die geistigen und künstlerischen Entwicklungen seiner Zeit: vom Expressionismus bis zur symbolischen Gestik unserer Aera, die im Theater mehr als dramatisierte Lebens- und Geschichtsepisoden sieht. (Abstraktion zielt ja heute weniger ins Dekorative als ins Grundsätzliche, Sinnbildliche.) Jedem ideologischen Experiment abhold, weiß Hlawa allerdings sich ständig den unmittelbaren Erfordernissen des Theatralischen anzupassen und verliert so nie seine handgreifliche Publikumswirksamkeit. Seit Alfred Rollers revolutionärem Auftreten zum Jahrhundertbeginn ist die Problematik des Theaters und damit auch seines Bühnenbildes nicht mehr zum Schweigen gekommen. Hlawas Inszenierungen sind aus den letzten 25 Jahren Geschichte des Burgtheaters und der Oper nicht wegzudenken.

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