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Schmidt-Rottluff, ein Wegbereiter der Moderne

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Von mir weiß ich, daß ich kein Programm habe, nur die unerklärliche Sehnsucht, das zu fassen, was ich sehe und fühle, und dafür den reinsten Ausdruck zu finden. Ich weiß nur noch, daß das Dinge sind, denen ich mit Mitteln der Kunst nahe kommen kann, aber weder gedanklich noch durch das Wort". So beschreibt 1914 der damals dreißigjährige Künstler Karl Schmidt-Rottluff in der Zeitschrift „Kunst und Künstler" seine Arbeitsweise.

Impulsiv aufgetragene Komplementärfarben und formale Vereinfachung kennzeichnen die Ölbilder Karl Schmidt-Rottluffs genauso wie eine kompromißlose, direkte Ausdruckskraft. Unangefochten zählt er zu den großen deutschen Expressionisten - für die Moderne in Deutschland ist Schmidt-Rottluff einer der wesentlichsten Wegbereiter. Und doch war er derjenige der Künstlergemeinschaft „Brücke", der am längsten auf Verständnis und Anerkennung seiner Kunst warten mußte.

Bisher wurde in Österreich noch nie eine größere Auswahl an Werken Schmidt-Rottluffs öffentlich ausgestellt. Das KunstHaus holt das Versäumte nach: In einer Schau werden 180 Objekte aus dem Bestand des Brücke-Museums - es hat den Nachlaß Schmidt-Rottluffs nach seinem Tod 1976 erhalten - präsentiert. Interessant erscheint, daß Schmidt-Rottluff, den man vor allem als farbkräftigen Maler kennt, auch als Bildhauer und Graphiker gezeigt wird. Die Schau wurde kompetent vorbereitet - das KunstHaus konnte die Direktorin des Brücke-Museums Magdalena M. Moeller für Katalog- und Ausstellungsgestaltung gewinnen.

Ursprünglich wollte der 1884 in Rottluff bei Chemnitz geborene Karl Schmidt, der sich später nach seinem Heimatort Schmidt-Rottluff nannte, Architekt werden. Daher ging er nach Dresden, um Architektur zu studieren. In der Elbe-Stadt fand die entscheidende Begegnung mit den Studenten Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Fritz Bleyl statt. 1905 gründeten die vier Freunde die Künstlergemeinschaft „Die Rrücke".

Der Name war nicht willkürlich -ihm lag der Gedanke zugrunde, wie es Erich Heckel formulierte, „das sei ein vielschichtiges Wort, würde kein Programm bedeuten, aber gewissermaßen von einem Ufer zum anderen führen".

Die KunstHaus-Schau macht mit den unterschiedlichen Schaffensperioden Schmidt-Rottluffs bekannt. Das Frühwerk im neoimpressionistischen Stil ist noch stark von Van Gogh beeinflußt. Erst um das Jahr 1910 findet Schmidt-Rottluff den Durchbruch zu einem eigenen Stil. Die starke Farbigkeit - Schmidt-Rottluff war von den „Fauves" beeindruckt -, ein großzügiger Pinselstrich, der Verzicht auf Details und die Reduktion der Formen auf einige wesentliche, ausdrucksstarke Linien bestimmen nun seine Bilder. Oft erscheinen sie in der Vereinfachung nahezu abstrakt.

In dieser Zeit entstehen Arbeiten wie „Deichdurchbruch" oder „Mädchen bei der Toilette", die zu Schlüsselwerken der Malerei des 20. Jahrhunderts werden. Im Unterschied zu den anderen, städtisch orientierten Brücke-Mitgliedern, die ihre Bildmotive vor allem in Berlin und Dresden fanden, holte Schmidt-Rottluff seine Inspiration gerne aus der Landschaft im Oldenburgischen. Als Maler wie als Holzplastiker ist Schmidt-Rottluff stark von der afrikanischen Skulptur beeinflußt. Die Plastik „Trauernder, 1920" macht dies deutlich.

Zur Zeit seines größten Erfolgs begannen die Diffamierungskampagnen der Nationalsozialisten: 608 seiner Werke wurden als „entartet" beschlagnahmt. Der Künstler arbeitete vereinsamt und zurückgezogen an der Ostseeküste - seine Bildsprache Kongo- und Dah-omemasken, 1938, Aquarell und Tusche, 70x50 cm (oben), Steilküste, 1961,01 auf Leinwand, 87,3 x 101,5 cm (links) wird verhaltener, die Bildmotive sind nun Stilleben und Interieurs. Ab 1941 erhielt er Malverbot.

Nach 1945 wurde Schmidt-Rottluff als Professor an die Hochschule für bildende Künste in Berlin berufen. In seinem Spätwerk arbeitete er hauptsächlich mit Kreiden, Tusche und Aquarellfarben.

„Ich habe nie Kunst gemocht, die ein starker Augenreiz war", meinte Schmidt-Bottluff 1914. Interessanterweise wird der heutige Betrachter durch die veränderte ästhetische Wahrnehmung seine Bilder trotzdem als einen solchen empfinden.

Karl Schmidt-Rottluff.

Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle, Radierungen, Holzschnitte, Plastiken KunstHaus, 1010 Wien, Untere Weißgerberstraße 13. Bis 24. August 1997, täglich 10 bis 19 Uhr.

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