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Pierre Soulages, Altmeister der französischen Malerei,

in der Sammlung Essl.

Schwarze Löcher sind Orte, die alles aufsaugen und dementsprechend auch kein Licht überleben lassen. Nachdem wir üblicherweise ohne Licht nichts sehen, durchsetzen sie den sternenüberfluteten Nachthimmel mit toten Flecken, die noch einmal unendlicher zu sein scheinen als das drumherum liegende Universum. Dass das Schwarz zumindest auf der irdischen Farbpalette nicht diesen Endpunkt jeglicher Augenreise darstellt, beweist der französische Altmeister der Malerei, Pierre Soulages. In seinen jüngsten Werken, den "outrenoir", macht er das sogar zum Programm, besagt der Reihentitel doch, dass er "jenseits des Schwarz" arbeitet, dass er das Schwarz überschreitet - selbstverständlich durch ausschließlich mit der Farbe Schwarz gemalten Bildern.

"Jenseits des Schwarz"

Es gibt wohl keinen zweiten zeitgenössischen Maler, der die Möglichkeiten, die die Farbe Schwarz bietet, derart umfassend künstlerisch erprobt hat, wie der 1919 im südfranzösischen Rodez geborene Soulages. In dieser Handhabung bekommt die Farbe einen viel breiteren Stellenwert, sie wird zur Materie. Mit seinen "lames", zwischen zwei Holzscheiben gespannte Gummiplättchen, die in einer Bewegung Farbe auftragen, mischen und abschaben können, mit Bürsten in unterschiedlichen Härtestufen und Besen, sowie mit diversen Spachteln und Palettenmessern entwickelt Soulages seine Farbfelder. Das Schwarz unterstützt dabei manchmal als Kontrast die wenigen anderen verwendeten Farben, wie Blau oder Rot, oder lässt den hellen Malgrund noch mehr leuchten.

Gerade drei frühe Beispiele aus der Ausstellung aus den Jahren 1948 bis 1950, die Soulages mit Nussbeize ausführte, zeigen dieses Bestreben, mit den ausgeführten Strichen und Flächen den Hintergrund hervorzuheben. Damit ergibt sich nicht nur eine besondere Sichtweise bezüglich des Verhältnisses von vorne und hinten. Vielmehr unterstreicht der Versuch dieser Umkehr der so genannten "realen Verhältnisse" die Radikalität der nichtfigurativen Malerei von Soulages.

Denn bereits der kleine Pierre genoss es, einen Teerklumpen auf der seinem Fenster im elterlichen Haus gegenüberliegenden Wand zu betrachten. Der unterschiedliche Lichteinfall produzierte eine Vielfalt der Erscheinungsformen dieses Teerklumpens. Als der Klumpen eines Tages einem Hahn ähnelte, war das für Pierre eine Enttäuschung und er unternahm alles, um diese Assoziation wieder los zu werden.

Diese Kindheitserinnerung geht konform mit der Begeisterung des jungen Mannes Soulages, der nach dem Zweiten Weltkrieg von der Existenz der nichtfigurativen Malerei erfuhr, die er selbst fortan auch praktizierte. Diese Art von Malerei erzählt keine Geschichten und stellt auch keine Gegenstände oder Personen dar, sondern stellt Situationen und Lebensumstände vor, die die Betrachter mit Geist und Körper erfahren können und sie macht mit der berühmten Aussage von Malerkollegen Paul Klee ernst, dass Kunst nichts abbilde, sondern sichtbar mache.

Kunst, keine Abbildung

Um diesen Anspruch durchzuhalten, gibt Soulages seinen Werken sehr konkrete Titel, immer die Bezeichnung "Gemälde" ergänzt durch Höhen-und Breitenangabe sowie durch das Datum, das er zumeist mit Tag, Monat und Jahr anführt. Damit wird unsere Angewiesenheit auf die vier Dimensionen von Raum und Zeit befriedigt, die einzelnen Werke lassen sich auch aufgrund ihres Titels unterscheiden und dennoch belassen die Titel die Betrachter in völliger Freiheit bei ihrer Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Bild.

Immer wieder tauchen Vergleiche auf, die Soulages entweder in der Nähe einer gestischen Malerei oder aber der Kalligrafie rücken. Aber Soulages ist kein Gestiker, sondern ein Tüftler, nicht einer, der aus dem Bauch heraus Farbe auf die Leinwand schmiert und dabei hofft, dass sich der malerische Urschrei ereignet. Soulages baut seine Farbfelder mit Geduld und Präzision auf, mit Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen erreicht er durch einfache Mittel wahre Größe.

Wenngleich manche der Arbeiten von Soulages Schriftzeichen ähneln, so treten auch hier die Unterschiede klar zu Tage. In der Herstellung der Kalligrafie ist im Voraus klar, was gemacht werden muss, schließlich geht es um die Wiedererkennung einer Bedeutung. Bei Soulages hingegen zeigt sich sein Respekt vor der Freiheit der Betrachter, denen die rätselhaften Zeichen in Obhut gegeben werden.

Vielfältiges Licht

Nicht zuletzt illustriert die Neugestaltung der Glasfenster in der romanischen Klosterkirche von Conques auf dem französischen Teil des Jakobsweges die Eigenständigkeit der Kunst von Pierre Soulages. Er verzichtete dort auf buntes Glas und entwickelte eine eigene Mischung unterschiedlicher Glaskörnungen, die dementsprechend das Licht vielfältig mischen. So spiegeln die südseitigen Fenster die Umgebungsfarben der Kirche in den Tönen von Rot und Violett bis Gold, während das kühle Licht der Nordseite ein tiefes Blau entstehen lässt. Die in der Dämmerung weiß und schwarz wirkenden Fenster gehen bei Lichteinfall in Farbenpracht über.

Pierre Soulages

Painting the Light

Sammlung Essl, An der Donau-Au 1 3400 Klosterneuburg

Bis 3.9. Di-So 10-19, Mi 10-21 Uhr

Katalog: Pierre Soulages, Painting the Light, Klosterneuburg 2006

88 Seiten, e 15,-

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