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"Monet und die Moderne" in der Münchener Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung.

Von einem "fortwährenden Fluktuieren einer schwebenden, stets in Bewegung befindlichen Schönheit" schreibt Marcel Proust in seinem Romanzyklus. Dieser Eindruck einer sich verströmenden Harmonie ist vergleichbar mit den späten Werken Claude Monets, dem Proust sich mit der literarischen Malergestalt des Elstir immer wieder annähert, und auch die "Vegetation eines riesigen, von übernatürlichem Licht erhellten, blassgrünen Aquariums" erinnert an seine Seerosenbilder im Atelier von Giverny, an die monumentalen Wandbilder "Nymphéas" in der Pariser Orangerie.

Proust literarischem Synchronisieren von immer neuen Momenten des Vergehens entspricht Monet in seinen Serien - der Heuhocken, der Kathedralen, der Felsen und Eisschollen, der Waterloo Bridge und des Seerosengartens - mit dem Festhalten der im wechselnden Licht Wetter, Tages- und Jahreszeit sich stets verändernden Natur. "Das Motiv ist für mich zweitrangig; was ich wiedergeben möchte, ist, was sich zwischen mir und Objekt abspielt."

Kandinsky und Malewitsch erkannten als Erste - schon kurz vor beziehungsweise nach 1900 vor Werken Monets in Moskau - die Verunklärung des Bildgegenstandes beziehungsweise die "Malerei in Licht und Schatten" als revolutionäre Neuerungen für die weitere Entwicklung der Kunst.

Obwohl Monet in Giverny viel besucht und verehrt wurde, schuf er sein Spätwerk ab 1890 bis 1926 doch beharrlich abseits, aber in Kenntnis der großen Avantgarde-Strömungen des ersten Jahrhundertviertels. Seine in aufwendigen Malprozessen von 20 bis 30 Sitzungen en plain air und im Atelier pastos gemalten, ins Ungegenständliche verklärten Wasserlandschaften galten schließlich als überholt. Die Pariser Retrospektive 1931 verlief lustlos, 1935 wurden die Bilder in der Orangerie mit flämischen Teppichen bedenkenlos zugehängt.

Umso größer war die Faszination, die mit der Wiederentdeckung des späten Monet durch die Künstler zu Beginn der fünfziger Jahre auf ihrem Weg in die Abstraktion beziehungsweise in die gestische Malerei (vor allem in Amerika) einsetzte. Von regelrechten Wallfahrten zu den Seerosen-Landschaften ist die Rede, in die "Sixtinische Kapelle des Impressionismus" wie André Masson die ovalen Gartenpanoramen nannte, der mit seiner Schrift "Monet, le fondateur" (1952) zum wichtigsten Vermittler der Rolle Monets wurde für die Malerei der Nachkriegszeit beiderseits des Atlantiks.

Seit den achtziger Jahren ist Monets Spätwerk nicht nur Publikumsmagnet, sondern auch verstärkt Thema einer wissenschaftlichen Neubewertung. Auf dieser Basis widmet sich die Hypo-Kunsthalle in München dem folgenreichen Aspekt des Monet-Revivals seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In enger Zusammenarbeit unter anderem mit der Fondation Beyeler ist eine an exquisiten Leihgaben reiche Gegenüberstellung "Claude Monet und die Moderne" gelungen. Entstanden ist eine sehr gut gehängte, ausdrücklich nicht um Vollständigkeit bemühte Schau mit 28 Gemälden von Monet und rund 40 Werken aus der Zeit zwischen 1949 und 2001.

Die Ausstellung setzt ein mit Werken der "Ponts japonais", dem Hauptmotiv in Giverny: der Brückenbogen mit Pergola mal im flimmernden Gegenlicht, mal in dämmriges Blau-Grün gehüllt, schließlich versunken im vielfach sich überlagernden Geflecht eines rhythmisch anmutenden Pinselduktus, in dem allein die Farbe vibrierend Licht und Schatten definiert. Zwei Werke der wenig bekannten Amerikanerin Joan Mitchell reflektieren in einer kontrastreich schwebenden Farbtextur Eindrücke ihres jahrelangen Aufenthaltes in Vétheuil.

Aus der Reihe der bekannten Serien belegen etwa "Schnee in Giverny", die "Eisschollen bei der Schleuse von Port-Villiez" (beide 1893), das expressive "Haus des Künstlers vom Rosengarten aus" die Auflösung des Gegenstandes im Bild. Jean Bazaine, der sich intensiv mit Proust und Monet beschäftigt hat, antwortet hier mit seinem Werk "Dernière neige à Rochetaillée" (1959), in dem kontrastierende Farbflecken die gesamte Bildfläche in einer großen Wellenbewegung zum Schwingen bringen.

Die wichtigsten "Entdecker" Monets der ersten Generation, die sein Spätwerk als Inspirationsquelle beziehungsweise Bestätigung aufnahmen, bleiben mit eindrucksvollen Leihgaben unter sich, aber mit Ausblick auf Monet im großen Saal: Willem de Koonings lichtvoll-expressives "Rosy Fingered Dawn", Barnett Newmans "Tertia", von Sam Francis zwei ausdruckstarke Arbeiten auf Papier, von denen jene von 1990 noch einmal den Rückbezug erkennen lässt. Mark Rothkos "Blue an Grey" (1962) reflektiert Monet in seiner lyrisch-meditativen Umsetzung von Farbe, die für ihn "sinnlichste Komponente der Kunst". Fast wie eine Hommage an Monets Seerosenbilder spiegelt Jackson Pollocks frühes "Untitled" (1949) in einem diaphanen, rhythmisierenden Gespinst das Pulsieren einer nicht realen Natur.

Im Zentrum der Ausstellung dann Monets monumentales Seerosen-Tryptichon (1917 bis 1919), in dem die "innere Erscheinung", wie Monet sie anstrebte, zu einem "magischen Porträt" (Proust) verdichtet ist. Von hier aus sind die unterschiedlichen Positionen der Malerei der Moderne zu betrachten - in der Freiheit der kompositorischen wie der malerischen Mittel, der Bedeutung der Farbe als Ausdrucksmittel, der großen Formate und dem neuen Verhältnis von Betrachter und Werk: von Clifford Still "Untitled 1959", Ellsworth Kellys erstes monochromes Bild "tableau vert" (1952), Bilder von Jean-Paul Riopelle und Milton Resnick, Mark Tobey mit der in Weißtönen verflimmernden Struktur, "Oncoming White", Kenneth Noland schwebendes "Brunswick", um nur einige zu nennen. Ein eigener Raum ist den Künstlern des deutschen Informal vorbehalten: unter anderen Gerhard Richter, Gotthard Graupner, K. O. Götz und Raimund Girke. Inwieweit Monets Spätwerk auf diese Künstler direkt eingewirkt hat, ob nicht umgekehrt auch die informelle Kunst den Blick für Monets Spätwerk geschärft hat, Affinitäten erkennbar macht, wird weiterhin diskutiert.

An eine der subtilsten Reflexionen auf Monets Spätwerk sei erinnert: an Christos "Surrounded Islands", jene mit Plastikbahnen rosarot um-"malten" Inseln, vergängliche Vision in der Bucht vor Miami, künstlich und künstlerisch aufwendig arrangiert - wie auch Monet seine Natur, Flüsschen, Teich und Vegetation zu den für ihn notwendigen Motiven erst gestaltet hat.

Die Münchener Ausstellung ist ein Muss für Augenmenschen mit Zeit; wertvollen Wissenshintergrund liefert der in Text und Bild reich ausgestattete Katalog.

Bis 10. März

Tel: 0049/89/224412

www.hypo-kunsthalle.de

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