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Nicht jedes Wiedersehen und Wiederhören bereitet ungetrübte Freude. Als wir, gegen Ende der zwanziger Jahre, zum erstenmal Honeggers symphonischen Psalm .König David“ hörten, war der Eindruck überwältigend. Welche Kühnheit in der Form, im Klang, in der Harmonik! Welch ein Künstler, der es wagte, in einer chaotisch bewegten Zeit den Monumentalstil des biblischen Oratoriums nach dem Vorbild Händeis zu erneuern! Honegger hatte im Jahre 1921 für das Drama „Le Roi David“ von Rene Morax, in welchem auf ziemlich anspruchslose Weise die Erzählung der Bibel in Dialoge aufgelöst wird, eine Bühnenmusik für kleines Orchester geschrieben. Der Erfolg war so groß, daß sich Honegger zu einer Umarbeitung und Erweiterung zum „symphonischen Psalm“ entschloß, der seinen Schöpfer, den damals 31jährigen, über Nacht berühmt machte. Heute empfinden wir weniger das Neuartige, als vielmehr das inkohärente, stilistisch Gemixte dieser Musik. Gregorianik ist darin, Bachisches und Händel-sches, Impressionismen, Florent Schmitt, Stra-winsky und Spuren vom Stil der „Six“, insbesondere Saties. Vor allem aber verhindert die mosaikartige Zusammensetzung jede größere Fläche, jede ausschwingende Linie. Etwa die Hälfte des Textes wird von einem Sprecher rezitiert, zu dem noch — ebenfalls gesprochen

— die Partien der Hexe von Endor und des Schattens Samuels treten. Das ganze Werk dauert knapp anderthalb Stunden. Da bleibt für die Musik, insbesondere für die einzelnen Nummern, deren es 27 gibt, nicht allzuviel Zeit übrig. Trotzdem: die Musik Honeggers hat ihre Qualitäten. Sie ist lapidar und originell — trotz gelegentlicher Anklänge, sie ist gefühlvoll, aber nie sentimental, und sie klingt ausgezeichnet. Welch großartige Wirkungen sie erzielen könnte, hört man an den beiden — den zweiten und dritten Teil beschließenden — auskomponierten „Halleluja“. Vergleichen wir dieses Frühwerk mit Honeggers letzten oratorischen Kompositionen, dem „Totentanz“ und „Johanna auf dem Scheiterhaufen“, so stellen wir fest: seine Melodik wurde weniger wählerisch, die Effekte greller, freilich auch die Gesamtwirkung stärker. Kon-zerthausgesellschaft und Gesellschaft der Musikfreunde hatten sich zusammengetan, diese Aufführung zu ermöglichen und — trotz sehr guten Besuches — das Defizit zu tragen. An Ausführenden war alles aufgeboten, was gut und teuer ist: die Wiener Singakademie und die Wiener Symphoniker, vom Burgtheater Ewald Baiser, Liselotte Schreiner und Eduard Benoni für die Sprechrollen, Sena Juri-nac, Rosette Anday und Julius Patzak von der Staatsoper in den Solopartien. Kurt Rapf spielte die Orgel, Reinhold Schmid hatte die Chöre einstudiert. Paul Sacher, dem Werke FJoneggers besonders eng verbunden, leitete umsichtig und temperamentvoll den riesigen Apparat.

Im ersten Kammerkonzert der Wiener Symphoniker brachte uns Pva“ul Sacher nach einer Symphonie in A-dur von Ph. E. Bach und dem Konzertanten Quartett für vier Bläser und Begleitorchester eine interessante und erfreuliche Novität: Martinus Toccata e due Canzoni aus dem Jahre 1946. Auch in diesen Stücken werden die Möglichkeiten der Form des Concerto grosso, wie sie Martinu in früheren, bei uns bereits gespielten Werken anwendet, sehr originell genützt. „In ihm“, sagt der Komponist, „sind wir im Herzen der absoluten Musik. Weniger sichtbare Klänge, dafür aber um so mehr dichte musikalische Form: das ist das Concerto grosso.“ Diese Erkenntnis wird von Martinu auf überzeugende Weise in die Tat umgesetzt. Klanglich dominiert das Soloklavier (Franz Holetschek), das aber nicht virtuos-konzertant behandelt ist. Die beiden Kanzonen sind dem Komponisten, wie er selbst bekennt, unter der Hand zu ausdrucksvollen, rhapsodischen Stücken gediehen, deren melodische Linien von einem männlich-starken Gefühl gespannt werden. Das Werkt ist — wie so viele der besten zeitgenössischen Kom-

Positionen — Paul Saeher und dem Basler Kammerorchester gewidmet.

In einem Festkonzert zugunsten des Wiederaufbaues der Staatsoper lernten wir den Schweizer Dirigenten Robert F. D e n z 1 e r kennen. Das Programm umfaßte Mendelssohns Italienische Symphonie, Hindemiths Symphonische Metamorphosen über Themen von Weber und die Vierte von Brahms. Denzler ist ein sehr lebhafter, temperamentvoller und gestisch ausladender Dirigent, dem man die Herkunft vom Pult der Opernbühne anmerkt. Besonders gut gelangen ihm die beiden Ecksätze der Mendelssohn-Symphonie mit ihrem mitreißenden Brio. Die Partitur von Hindemith hatte Denzler ausgezeichnet im Kopf und brachte sie sehr lebendig und kontrastreich. Seine Brahms-Interpretation Ist weniger überzeugend: sehr unruhig, dynamisch forciert und auf die großen Linien zu wenig bedacht. Es spielten die Wiener Philharmoniker.

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