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Schweizer Gäste im Künstlerhaus

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Die Gesellschaft schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten, deren Züricher Sektion derzeit im Oberstock des Künstlerhauses die erste größere und darum sehr beachtenswerte Ausstellung zeitgenössischer Schweizer Kunst zeigt, die seit Kriegsbeginn in Wien zu sehen ist, besitzt Vitalität, Großzügigkeit und Interesse an den Problemen der Gegenwart. Gewiß, sie türmt den Pelion keineswegs auf den Ossa, aber sie ist zum Glück auch weit davon entfernt, von den Bergen zu verlangen, daß sie alle wie das Matterhorn aussähen, und von lebenden Malern, daß sie alle wie Böcklin oder Hodler malten. Dementsprechend erkennt sie weder den Angehörigen der „neuen Richtungen“ noch den „Traditionalisten“ der Malerei das Lebensrecht ab, verlangt aber von ihren Mitgliedern, daß deren Arbeiten technisch und inhaltlich respektabel seien. Und so ist denn das, was die Züricher im Künstlerhaus dem österreichischen Publikum vorzuweisen haben, eine solide, saubere und höchst achtbare Ausstellung.

Zwei Graphiker stechen aus ihr hervor: Fritz Pauli und Hans Fischer. Ersterer, der neben seinem Lehrer Albert Welti auch Murtch manches zu verdanken hat, zeigt formal hervorragende Radierungen, in denen das Entsetzen, der Schreck, der Alptraum eine große Rolle spielem das farbige Aquatintablatt der „Drei Schwestern ist eines der Schönsten Objekte der ganzen Exposition. Die Arbeiten Hans Fischers sind graziöser, dafür aber schärfer. Er ist amüsant, wenn er in gescheiter Manier Klee popularisiert; er ist ausgezeichnet und im Grunde genommen auch künstlerischer, wenn er darauf verzichtet, amüsant zu sein: die „Drei-Katzen“-Radiemng oder die Lithographie mit der „Katze und Hahn sind ungewöhnlich gut. — Von den Malern beweist Max T r u n i n g e r, daß man dem Naturvor-bild durchaus verpflichtet sein kann und trotzdem nidit verstaubte Gefälligkeitsmalerei bieten oder Cezanne für einen Narren halten muß. Die bewegten und farbkräftigen Landschaften Max G u b 1 e r s würden einem Pariser Fauvisten keine Schande bereiten) im „Selbstbildnis“ hat dieser Maler sich allerdings im Format übernommen. Alfred Bern-egger scheint sein Handwerk zu beherrschen) daß er in seinen Porträts den „Bürgern' Grimassen zu schneiden sich verpflichtet fühlt, kann man ertragen. Die Ölbilder Karl H o s c h s sind derb und laut) aber man fühlt, daß der Maler echtes Temperament besitzt — und das „Kinderbildnis“ ist auf seine Weise ein originelles Bild. — Die Bildhauer: Hermann H a 11 e r, dem . früheren Kolbe, in mancher Hinsicht verwandt und dem klassischen Schönheitskanon durchaus verpflichtet, steht dem zur Abstraktion tendierenden Hans AeschbaCher gegenüber, dem es insbesondere Marini angetan zu haben scheint. Diese Gegenüberstellung wirkt ein wenig wunderlich, aber sie rückt die Freizügigkeit der Schweizer Gesellschaft angesichts künstlerischer Äußerungen in helles Licht.

Die Herbstausstellung des Künstler-h a u s e s zu ebener Erde wirkt im Vergleich zu dem, was die Gäste bieten, uniform und trocken. Aber dennoch: wie schon im Frühling, so hat man auch jetzt wirklich den Eindruck, als ob man im Künstlerhaus endlich der Stagnation ein Ende bereiten wollte, die das Gebäude am Karlsplatz so lange beherrschte. Die Qualität des Ausgestellten hat sich wiederum zuungunsten der Quantität beträchtlich erhöht, die Zahl der Sachen, die man „halt auch“ mit ausstellt, ist abermals geringer geworden — und die Räume neben den großen Sälen verlieren allmählich den Charakter von Schreckenskammern. Den Mittelpunkt des Ganzen machen nicht mehr Naturalistika, sondern schöne und gut gemalte Bilder aus: Max Freys fein differenzierte Landschaften, Wilhelm Kaufmanns endlich etwas beherrschter „Halbakt“, des von Mal zu Mal und von Ausstellung zu Ausstellung stärker in den Vordergrund tretenden Siegfried Fischers farbig dichte und prächtig in die Fläche übersetzte „Grinzinger Landschaf t“, das Frauenporträt Paul Meissners und die Holzschnitte Herbert Fladerers. Hermann K o s e I ist mit ruhigen Landschaften vertreten, Herbert Paß mit einigen hübschen Aquarellen und einem männlichen Akt, der von Kolig schon besser gemalt worden ist.

Eine Kollektiv- und zwei Gedächtnisausstellungen geben der Exposition feste Angelpunkte. Der Bildhauer Rudolf Uli mann hat eine Anzahl genau gearbeiteter Plastiken gebracht, von denen einige ein wenig konventionell wirfen, einige aber auch — so die starke „Mutter mit Kind“ — in ihrer Art wirklich vollendet sind; schade, daß das Relief mit den „Badenden mit einer Nennung sich begnügen muß. — Rudolf H o 1 z i n g e r, im vergangenen Jahre viel zu früh verstorben, besaß Herzlichkeit und viel artistisches Feingefühl, was seine Aquarelle östereichischer Landschaften und seine noblen Freskenentwürfe beweisen mögenj sein Tod war für das Künstlerhaus mehr als schmerzlich. — Fritz Rojka (1878 bis 1939) malte zurückhaltende, aber irgendwie vornehme Gemälde. „Stilleben“, „Mädchen mit Spiegel“, „Dame mit Hut“ — alles stille und liebevolle Bilder, überzeugend in ihrer manschlichen Schlichtheit und ihrer Treue zur handwerklichen Qualität.

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