6612963-1955_12_11.jpg
Digital In Arbeit

Sechsmal Farbe

Werbung
Werbung
Werbung

Rubens. Mit Einführung von Dr. Ernst S t r a u s s. — Französische Impressionisten. Einführung von Dr. Alfred Schmeller. — Manet. Einführung von Jörg Lampe. — Degas. Einführung von Benno Reifenberg. — Gauguin. Einführung von Erhard Göpel. — Utrillo. Einführung von Prof. Dr. Josef Giesen. — Alle aus der Serie „Welt in Farbe“, Taschenbücher der Kunst. Verlag Kurt Desch, München-Wien-Basel. Je zirka 20 Seiten Text mit je 42, zum Teil farbigen Bildern.

Die Serie „Welt in Farbe“ versucht in dankenswerter Weise, unserem farbenhungrigen Laienpublikum billige Monographien mit zahlreichen farbigen Gemäldereproduktionen über die Kunst großer Maler zu geben. Die in Holland gedruckten Bändchen geben eine zumeist ausgezeichnete Einführung in das Schaffen der Meister sowie Erläuterungen zu den einzelnen Abbildungen.

Leider sind letztere ausgesprochen minderwertig: die Schwarzweißtafeln, auf denen die Schattenpartien zu einer dunklen Soße zerrinnen, und noch weit mehr die fast durchweg farbunrichtigen Farbtafeln. In allen besprochenen Bändchen wird dieser Mißstand besonder dort auch dem flüchtigen, unorientierten Betrachter sofort sichtbar, wo die farbige Wiedergabe eines ganzen Gemäldes neben jener eines daraus entnommenen Details steht und sich Vergleiche von selbst ergeben. Als besonders krasse Beispiele verweisen wir auf die Wiedergaben von Manets „Bar“ in den beiden Bändchen „Manet“ und „Impressionisten“; diese Tafeln geben immer neue Farbenvarianten und immer neue, aber unzutreffende Vorstellungen von dem Originalgemälde. Noch krasser ist die Fehl farbigkeit auf den kreidigen Tafeln der kleinen Rubens-Monographie, in welcher die Wiedergabe des bekannten „Pelzchens“ der Wiener Sammlungen nahezu zu einem Scherenschnitt abgeblaßt und die an sich herrlich sattfarbige „Landschaft mit dem Regenbogen“ fast zu einer Nachtszene geworden ist. — Selbst ein geübtes Auge wird kaum das Blumenstilleben nach Tafel 20 der „Impressionisten“ als ein Detail aus Renoirs Hauptwerk „Madame Charpentier“ deuten können.

Wer aus Erfahrung weiß, daß bei unerbittlicher Kontrolle von Farbätzung und Farbdruck derartige Fehlleistungen vermieden werden, muß doppelt bedauern, daß an dieser Serie von Kunstbüchern diese Betreuung anscheinend versäumt wurde.

Das unverwesliche Erbe. Roman. Von Ina Seidel. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart. 419 Seiten. Preis 13,60 DM.

„Das Verwesliche wird nicht erben das Unverwesliche.“ Dieser Satz aus dem Korintherbrief steht als Motto des neuen Werkes von Ina Seidel. Der Roman knüpft thematisch an die früher erschienenen Werke „Das Wunschkind“ und „Lennacker“ an. Im „Lennacker“ wurden die Vorfahren väterlicherseits des jungen Hans Jakob Lennacker, ihre Schicksale inmitten ihrer Zeit beschworen. In dem neuen Werk erzählt die Autorin von seinen Vorfahren mütterlicherseits, seiner Urgroßmutter, seiner Großmutter und seiner Mutter, und umfaßt damit einen Zeitraum von einem Jahrhundert (1813 bis 1914). Doch nicht so sehr von äußeren als vielmehr von inneren Ereignissen handelt der Roman. Im Mittelpunkt steht das Schicksal der Elisabeth Dornblüh, die gegen den Willen ihrer streng katholischen Eltern einen Protestanten heiratet und, weniger aus Ueberzeugung als aus Auflehnung gegen den Starrsinn ihres Vaters, von ihrem Glauben abfällt und Protestantin wird. Obwohl sie eine glückliche Ehe führt und ihr Gatte volles Verständnis für ihre Konflikte hat, macht sie ,doch schwere innere Kämpfe durch und findet ihren Frieden erst dann, als sie in die katholische Kirche wieder aufgenommen wird. Ihre Tochter Maria heiratet einen protestantischen Theologen und wird die Mutter von Hans lakob Lennacker.

Das charakterliche Profil der handelnden Personen zeichnet sich immer klarer im Fortschreiten des Geschehens ab. Die sozialen Umschichtungen sowie verschiedene geistige Bestrebungen innerhalb des Protestantismus im 19. Jahrhundert werden in die Handlung einbezogen Die Dichterin schildert mit ruhiger und vornehmer Objektivität, wie groß die Macht der Glaubensform ist, in der ein Mensch aufgezogen wurde und die seinem innersten Wesen entspricht. Sie nimmt die Unterschiede der Bekenntnisse nicht leicht, doch es ist ihr Anliegen, vor allem das Gemeinsame — das unverwesliche Erbe — sichtbar zu machen.

Alles spielt sich hier unter geistig und sittlich hochstehenden Menschen ab, in einer Sphäre des gehobenen Bürgertums. In den Gesprächen werden so manche geistige und religiöse Probleme aufgeworfen, doch Ina Seidel deutet oft mehr an, als sie ausführt, auch dort, wo man eine dramatischere Zuspitzung erwartet. Alles Grelle und Ueberdeutliche vermeidet sie bewußt. Es ist ein schönes, menschlich sympathisches und ethisch bedeutsames Buch, gewachsen aus einer reifen, abgeklärten Lebensbetrachtung und mit nobler Verhaltenheit geschrieben.

Erziehung zur Verantwortlichkeit. Von Dr. Karl D i e n e 11. Oesterreichischer Bundesverlag, Wien. 68 Seiten. Preis 17 S.

Die Schrift ist nicht nur eine Kritik der Psychoanalyse, sondern eine Kritik des Versinkens der Pädagogik im Psychologismus überhaupt; und zum Schluß erhebt sie sich zu einer grundsätzlichen Kulturkritik, wie sie nicht besser und entschiedener ausgesprochen werden konnte. Von Wien ist die Verfälschung des Seelenbildes ausgegangen; es ist recht, daß nun von Wien aus der längst fällige Protest kommt.

Ueber das Geistige in der Kunst. Von Wassili) Kandinsky. Mit einer Einführung von Max Bill. Benteli-Verlag, Bern-Bümpliz. 144 Seiten.

Kandinskys Schrift — dies ist ihre vierte Auflage — ist 1911 erschienen wie eine bunte Farbenrakete auf einem grauen Gewitterhimmel: das erste scharfe Manifest einer in vieler Hinsicht neuen Kunst. Heute, da die neue Kunst auch nicht mehr die jüngste ist. wirkt das Elaborat schon ein wenig kunstgeschichtlich, etwas ungenau, weitschweifig, in seinen Schlüssen sprunghaft und bisweilen willkürlich Aber so geht's ja mit allen Versuchen, in denen Künstler versuchen, über eine Kunst, die sie sich aus dem Leib reißen wie ein Herz. Objektives auszusagen. Man tut gut daran, sich nicht an die Theoreme, sondern an die mitgeteilten Erfahrungen zu halten — und in diesem Kandinsky-Buch die Stellen nachzulesen, in denen er über die Bedeutungen und Wirkungen der Farben spricht. Das ist Lektüre für Maler. — Das Buch ist schön gedruckt und ausgestattet.

Wiener Bilderbuch. 190 Abbildungen, die meisten davon nach Photographien von Barbara H i r-schenhauser. Herausgegeben im Verlag Anton Schroll, Wien.

Ja, natürlich sind die meisten Photos hübsch; einige — so etwa die Schönbrunnbilder — sind aber nicht besser als hübsche Ansichtskartenbilder. Hier und da wird versucht, durch die Gegenüberstellung, durch eine Art von Konfrontation, eine fast filmische Wirkung zu erzielen; aber das gelingt nur selten, viel zu selten. Der Bildtext (von wem ist er eigentlich?) wird von einem Mangel an Phantasie charakterisiert, der eines Baedekers würdig wäre. Gewiß, alles ist sauber und ordentlich gemacht — aber aus dem Thema Wien wäre mehr herauszuholen gewesen: Originelleres, Interessanteres und in gewissem Sinne also auch Wahrhaftigeres.

Ideen aus Oesterreich. Notring-Almanach 195?. Herausgegeben von L. K i r s t e und G. S t r a t i 1-Sauer. Verlag des Notringes der wissenschaftlichen Verbände Oesterreichs, Wien. 144 Seiten. 40 Abbildungen.

Der von Hugo Hassinger und Gustav Stratil-Sauer ins Leben gerufene Notring ist die Dachorganisation von 126 wissenschaftlichen Verbänden, weitgehend gefördert durch die Wirtschaft, die aus der unterstützten Wissenschaft wieder reichen Nutzen zieht. Der 1954 erstmals erschienene Almanach hat sich bereits einen weiten Abnehmerkreis gesichert und erfreut sich durch seinen belehrenden Inhalt allgemeiner Beliebtheit. Heuer bietet er 65 „Ideen aus Oesterreich“, die ein anschauliches Bild von der geistigen Fruchtbarkeit unserer Heimat geben. Echte Welteroberer begegnen uns, wie zum Beispiel in der Kaplanturbine oder in der Vollendung des Weltfunks durch Lieben, alle nur denkbaren Kreise sind an wesentlichen Fortschritten beteiligt, sei es die große Kaiserin Maria Theresia mit ihrer Normalschule, seien es die Berufsgelehrten, wie Wagner-Jauregg oder Böhm-Bawerk, sei es ein Priester wie Wilhelm Schmidt als Anthropologe oder ein Generalstabsoberst wie Theodor von Zeynek als Shakespeare-Uebersetzer. Doch auch Nichtstudierte fanden ihren Weg in die große Welt, es mögen Wlcek mit seinem Sicherheitsbriefkasten oder Egarter mit seiner ältesten Briefmarke der Welt herausgegriffen sein. Wie wenige wissen auch, daß die Idee nationaler Kulturmuseen vom Oesterreicher August Loehr ausgegangen ist und daß der Gedanke des Numerus currens ebenfalls von einem Oesterreicher — J. Ph. Neuinann — stammt. Es gibt kaum ein Gebiet der Wissenschaft, der Technik und der Kunst, auf dem sich nicht ein Oesterreicher berühmt gemacht hat — diese Tatsache zu verbreiten ist ein rühmenswerter Entschluß des Notringes. Der bisherige Erfolg des Almanachs wird vielleicht dazu beitragen, das Jahrbuch in Form eines illustrierten Einschreibkalenders auszugestalten, es würde dann noch mehr in Schule und Haus benützt werden zur Freude der Gebildeten und zum Nutzen der weniger Wissenden. Die im Almanach enthaltenen Personalien und Adressen der wissenschaftlichen Verbände erhöhen den Wert dieser bestens ausgestatteten Publikation.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung