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Sehatze der Leidenschaft

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Auf Schloß Ambras, welches Erzherzog Ferdinand II. erbauen ließ, sind kostbare Handschriften, Landkarten und Gebetbücher zu sehen.

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Auf Schloß Ambras, welches Erzherzog Ferdinand II. erbauen ließ, sind kostbare Handschriften, Landkarten und Gebetbücher zu sehen.

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Es war einmal ein Königssohn, der entbrannte in heißer Liebe zu einem Mädchen, der Tochter eines der reichsten Handelsherren seiner Zeit. Von diesem holten sich gerne auch die Höchsten des Reichs das nötige Kleingeld, um ihre Kriege oder sonstigen Belustigungen zu finanzieren - aber seine Tochter war nicht „ebenbürtig”, keine standesgemäße Gattin für den Königssohn.

Trotzdem heiratete dieser sie, zunächst heimlich und „zur linken Hand”. Und als sich dann Nachwuchs einstellte, nahm auch der gestrenge König (inzwischen Kaiser geworden) dies zur Kenntnis (und sorgte dafür, daß die Enkel, auch wenn sie nicht nachfolgeberechtigt waren, doch als Bischof von Brixen und Markgraf von Burgau versorgt wurden).

Die Liebesgeschichte des Erzherzogs Ferdinands II. von Tirol und der Philippine Welser hat nicht nur die Herzen der Nachwelt bewegt, sondern auch Tirol und Österreich mit Schloß Ambras ein Juwel geschenkt. Ferdinand baute das Schloß für seine Gattin aus und richtete es ein als Hort seiner Sammlungen von Waffen und Harnischen, Büchern und Handschriften, die er, einer der größten Sammler seiner Zeit, als Statthalter in Böhmen und dann in Vorderösterreich zusammengetragen hatte.

Vermutlich hat Ferdinand bereits in Prag zu sammeln begonnen, denn als er 1564 nach Innsbruck übersiedelte, wogen allein die Harnische 347 Zentner. Seit den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts lassen sich auf allen Sammlungsgebieten Aktivitäten des Erzherzogs nachweisen, in der Kunst- und Wunderkammer ebenso wie in den Sammlungen von Münzen, Bildnissen und Mineralien. Sammeln war Ausdruck königlicher lugend, wie es schon König Karl V. von Frankreich und sein Bruder Herzog Jean de Berry im 14. Jahrhundert vorexerziert hatten.

Von Frankreich griff die Sammelleidenschaft auf die übrigen europäischen Höfe über. Die Habsburger -schon Ferdinand I. - führten ihre Sammlungen zu den Höhepunkten der Systematik und der didaktischen Intention.

Heute noch fühlen die Tiroler Pfleger des Schlosses Ambras einen Stich im Herzen beim Gedanken daran, daß der größte Teil der Handschriften in den vergangenen Jahrhunderten -1665,1806 und 1936 - nach Wien verlagert wurde. Deswegen ist es besonders zu begrüßen, daß nun zum 400.Todestag des Erzherzogs das Kunsthistorische Museum (dessen Dependance heute Schloß Ambras ist) und die Handschriftenabteilung der Nationalbibliothek gemeinsam im Schloß Kernstücke der alten Sammlungen in einer Sonderausstellung mit der alten Kunst- und Büstkam-mer zusammenführen - der einzigen noch erhaltenen aus der Benaissance-zeit. Vierzig Exponate erläutern den universalen Charakter der Büchersammlung, die alle Wissensgebiete der Freien Künste, aber auch Theologie, Astrologie, Medizin, Geschichte, Geographie und Architektur umfaßt.

Die Bedeutung Innsbrucks zur Zeit Ferdinands II. zeigt der „Ambraser Atlas” des Battista Ägnese, entstanden vermutlich 1552. Es fehlt zwar die Widmung an den Fürsten, aber die ausführliche Berücksichtigung des mitteleuropäischen Baumes, läßt die Annahme zu, daß Ferdinand der Auftraggeber war.

„Portulane” (Hafenkarten) entstanden zunächst im 14. Jahrhundert in den italienischen Seerepubliken und hielten nur das Mittelmeer und das Schwarze Meer fest. Sie beschränkten sich auf die Küstenlinien - die nun gezeigte Karte von Mitteleuropa geht auch auf die Details des Landesinneren ein, sie zeigt die Flüsse Inn und Donau und daran die Städte Innsbruck (Ispruch) und Wien (Viena), dazu Böhmen mit der Hauptstadt Prag - die drei Städte, die für Ferdinand wichtig waren.

Die im Auftrag Ferdinands für seine Gattin wie für den Sohn Kardinal Andreas von Österreich angefertigten kostbar illuminierten Gebetbücher lassen ebenso die Frömmigkeit der Gesellschaft dieser Zeit wie die Kunstfertigkeit der Schreiber bewußt werden, die großformatigen Studien der adriatischen Meeresfauna das Staunen der Benaissancemenschen beim Erkennen der Natur.

Das Leben in dem feuchten und regnerischen Klima Tirols - und in dem wohl kaum heizbaren Schloß -tat dem Erzherzog nach Aussage seiner italienischen Leibärzte gar nicht gut. Ihre Handschriften erzählen von

Schwindel und Nervenschwäche, von „Melancholia”, von denen Ferdinand geplagt wurde, und raten zu einem geregelten und ruhigen Ablauf der Tage und Nächte und maßvoller Ernährung. Was dort täglich auf den Tisch kam, war wohl keine Schondiät. Davon erzählen auch die Jagdtagebücher, die allein für 1565 den Abschuß von 118 Hirschen, 32 Behen und Behböcken, 16 Wildschweinen, das Kleinvieh gar nicht gerechnet, aufzählen.

Zwei Jahre nach dem Tod seiner geliebten Philippine kehrte Ferdinand wieder zu höfischen Heiratsbräuchen zurück und führte seine 36 Jahre jüngere Nichte Anna Katharina von Gonzaga zum Altar. Einen erbfähigen Sohn bekam er aber auch von ihr nicht.

Schloß Ambras: Geöffnet bis 24. September 1995, täglich außer Dienstag von 10 bis 17 Uhr.

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