7090492-1994_26_40.jpg
Digital In Arbeit

So sah das Abendland einst den Orient

Werbung
Werbung
Werbung

Europäisches Selbstver-ständnis hat- sich jahrhundertelang aus zu Recht oder auch nur mühsam konstruierten Feindbildern zusammengesetzt, wobei die Türken, als Bedrohung aus dem Osten, für mehrere Geschichtsperioden als Feindrnythen gute Dienste leisteten. Pflegte man besonders im Osten Österreichs diese Bedrohungstradition, so ging von denselben Türken klarerweise eine ungeheure Faszination aus, die auch mit der Farbenpracht, dem sagenhaften Reichtum türkischer Potentaten und den Legenden von Harems, Wesiren, dem Islam überhaupt zusammen hing.

Die Ausstellung in Eisenstadt ist ein kulturhistorischer Leckerbissen. Sie basiert auf der „Pet-tauer Turquerie", einer Sammlung von Gemälden und anderen Requisiten zur Kultur der Türken aus Ptuj (ehemals Pettau) im heutigen Slowenien. Trotz aller In-ventarien, die den Kriegszustand zwischen mittel- und westeuropäischen Ländern und den Türken zeigen, beeindrucken jene Gemälde am meisten, die den Menschen in seinem persönlichsten Bereich, nämlich im Porträt, darstellen und versuchen, darin Wesen, Eigenständigkeit, aber auch Andersgeartetheit der Einwohner des Osmanischen Reiches zu enträtseln.

Wesentlich zu einer friedlichen Kommunikation hatte gewiß die vom Kaiserhof entsandte Großbotschaft nach Stambul beigetragen, die 1665 von Graf Walter Leslie angeführt wurde und der auch Johann Josef von Herberstein angehörte. Nachdem die Türken im Jahr 1665 durch die Niederlage bei St. Gotthard/Raab-Mogersdorf des Nimbus' der Unbesiegbarkeit beraubt waren, zeigten sie auch Bereitschaft, mit einem Land, das nicht dem Islam angehörte, diplomatischen Kontakt aufzunehmen. Die Diplomaten von 1665 hatten also eine politisch-diplomatische Mission gegenüber der „Pforte" zu erfüllen, trugen aber ihrerseits nach Beendigung ihrer Gesandtenaufgaben dazu bei, daß sich Österreich und das übrige christliche Europa ein Bild von der Türkei machen konnten.

Schon im 16. Jahrhundert war Siegmund von Herberstein auf vielen diplomatischen Reisen unterwegs gewesen, so unter anderem auch nach Dänemark, Krakau und Moskau. Diese Reisen hatte er in wichtigen und heute noch für die slowenische Kultur unentbehrlichen Büchern beschrieben.

In seinem Buch „Namen und Geschlechtsreihen der Herberstein-Familie" erwähnte er seine Begegnung mit dem Sultan in dessen Feldlager vor Buda nach einer von den Türken gewonnenen Schlacht.

Die Nachlässe der Familien Leslie und Herberstein sind auch die Pfeiler, auf die sich die Ausstellung stützt. Walter Leslie, einer schottischen Adelsfamilie entstammend, kam im Dreißigjährigen Krieg nach Mitteleuropa. Durch Ersteigerung gelangte Schloß Pettau in die Hand der Familie.

Die Herbersteins, ein altes stei-risches Geschlecht, das in dem schon erwähnten Siegmund einen Kosmopoliten ersten Ranges hervorgebracht hat, zeichneten sich -schon durch die Betreuung der immer umfangreicher werdenden kulturellen Bestände auf ihren Schlössern bedingt - immer schon durch eine Haltung der Weltoffenheit aus. Der Vater des Teilnehmers an der Großbotschaft an den Sultan war Landeshauptmann der Steiermark.

In Eisenstadt zeigt man nunmehr die Bestände der „Turquerie" , vor allem grandiose Porträttafeln aber auch Gemälde, auf denen die steirischen Adeligen in orientalischen Gewändern oder Orientalen selbst dargestellt sind. Neben diesen - eher die Adelswelt und ihre Phantasien vom Orient zeigenden - Bildern gibt es noch eine interessante Gruppe von Kupferstichen von George de la Chappelle, welche Frauen des Sultans darstellen sollen: Griechinnen, Armenierinnen, Jüdinnen,

Perserinnen, Tartarinnen. Diese Kupferstiche sind deswegen keinesfalls authentisch, da die Frauen des sultanischen Serails von Menschen, die nicht zum Hof gehörten, nicht erblickt werden durften. Es handelt sich also um eine Phantasieserie, die de la Chappelle - Mitglied einer französischen Gesandtschaft - seinem europäischen Publikum vorgeführt hat. Abgerundet wird die Ausstellung von Bildern von Ägyptern, Indianern und anderen Exoten. Auch diese Bilder — paarweise (Mann und Frau) entstanden - zeigen dem heutigen Betrachter, was die damalige europäische Welt von den anderen Völkern gewußt haben mag. Vor allem was Afrika anbelangt, waren diese Kenntnisse höchst dürftig.

Die Schau zeigt nicht nur Exotisches, sondern vor allem die Rezeption des Exotischen im Laufe der letzten dreihundert Jahre, insofern erlebt der aufmerksame Betrachter die Ausstellung in der Ausstellung. Der ausführliche Katalog, der auf die im 18. Jahrhundert immer stärker werdende Rezeption der türkischen Welt, etwa in der Musik, hinweist, bietet eine gute Hintergrundinformation.

Helden, Haremsdamen und Exoten.

Museum Österreichischer Kultur, 7000 Eisenstadt, Joseph-Haydn-Gasse 1, täglich außer Mo 10 bis 17 Uhr, bis 21. August

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung