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Staatliche Kunstförderung

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Durch einen Ministerratsbeschluß vom 16. Jänner wurde verfügt, daß im Budget-Jahr 1951 aus den vom Bunde aufgewendeten Bausummen für Hochbauten zwei Prozent zur künstlerischen Ausgestaltung der Neu- und Wiederaufbauten verwendet werden. Mit dieser Summe, die annähernd 14 Millionen Schilling betragen dürfte, müssen die Kosten der Entwürfe und deren Ausführung gedeckt werden. Dieser begrüßenswerte Beschluß, der im Verein mit den staatlichen Kunstpreisen eine fühlbare Unterstützung der notleidenden bildenden Künstler bedeutet, wirft aber sofort die wichtige, ja vielleicht entscheidende Frage auf, ob man sich auf eine bloße Unterstützungsaktion beschränken will oder ob dieser fraglos ansehnliche Betrag dem österreichischen Kunstschaffen neue Impulse geben soll.

Wir begegnen in den letzten Jahren vielfältigem Bemühen, die heimische bildende Kunst aus einem gefährlichen Entwicklungsstillstand herauszureißen, über den auch alle möglichen kühnen, zum Teile abwegigen Versuche nicht hinwegzutäuschen vermögen, so daß man jede ' Gelegenheit benützen müßte, um hier endlich einmal grundlegenden Wandel zu schaffen.

Immer stärker hat sich nach den Glanzzeiten fürstlicher und kirchlicher Macht-entfaltung sowie der Scheinblüte des bürgerlich arrivierten Mäzenatentums die öffentliche Hand als Förderer und Bewahrer der Kunst eingeschaltet. Die politische Entwicklung der letzten Jahrzehnte, die in einem großen Teile Europas zur Entstehung totalitärer Staatensysteme führte, mußte die private Kunstförderung fast vollständig beseitigen, dagegen die staatliche in den Vordergrund stellen, da die verantwortlichen Männer auch in der Kunst ein wirksames Mittel zur Beeinflussung der Völker sehen. Die unbedingte Ausrichtung jeder geistigen oder künstlerischen Arbeit in einer bestimmten Richtung kann aber für die schöpferischen Kräfte in keiner Weise die Möglichkeit künstlerischer Weiterentwicklung bieten, da jede echte Kunst,“ sosehr sie auch aus den Strömungen ihrer Zeit schöpfen muß, immer ein individualistisches Gepräge hat und sich nicht in ein starres Schema pressen läßt.

Man darf sich aber auch in Österreich keiner Täuschung darüber hingeben, daß für die nächsten Jahre, wahrscheinlich sogar für die nächsten Jahrzehnte der Staat und die verschiedenen öffentlichen Körperschaften und Einrichtungen die einzigen großzügigen Kunstförderer sein werden, denen gegenüber das private Mäzenatentum nur eine untergeordnete Rolle spielen kann, zumindest soweit es sich um künstlerische Aufträge größeren Ausmaßes handelt. Und nur diese allein vermögen die Kunstentwicklung selbst entscheidend zu beeinflussen, zumal sie an große Bauvorhaben gebunden sind, also wieder in den eigentlichen Lebensraum des Menschen einbezogen werden.

Die zuständigen staatlichen Behörden werden daher rechtzeitig Vorsorge treffen müssen, daß diese zwei Prozent, die dem Kunstschaffen zugute kommen sollen, schon von vornherein in die Gesamtplanung des einzelnen Bauvorhabens einbezogen werden, damit den Künstlern Gelegenheit geboten wird, sich vom Anbeginn an mit der architektonischen Gestaltung und dem praktischen Zweck des Bauwerks vertraut zu •machen und so zu einer künstlerischen Lösung zu gelangen, die nicht eine beiläufige Zugabe des Gesamtwerkes, sondern seine aus künstlerischem Ingenium und echtem Zeitempfinden heraus erwachsende harmonische Vollendung bedeutet. Architekt, Bildhauer, Maler und Kunst-gewerbler müssen sich zu einer wirklich fruchtbaren Zusammenarbeit finden.

Die staatliche Kunstförderung darf sich auf keinen Fall auf bestimmte künstlerische Richtungen festlegen, sondern wird auf Grund objektiver und gründlicher Erwägungen jene Künstler zu den öffentlichen Aufträgen heranzuziehen haben, die nach ihren Leistungen und nach ihrer Kunstauffassung für die jeweilige Aufgabe die geeignetsten Bewerber sind und damit die Gewähr bieten, daß die aus der Arbeit des österreichischen Volkes stammenden Geldmittel die bestmögliche Verwertung finden.

Wichtig wird vor allem sein, daß bei allen Neubauten die künstlerische Ausgestaltung der modernen Bautechnik Rechnung trägt, daß sie sich nicht in historisierenden Erinnerungen gefällt, sondern aus dem Ringen mit den künstlerischen, geistigen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen unserer Zeit zu starkem künstlerischem Ausdruck gelangt. Wenn hier die richtigen Künstler vor die richtigen Aufgaben gestellt werden, könnte für eine gesunde Entwicklung unserer Kunst unendlich viel gewonnen werden.

Die Aufgabe, die durch den Ministerratsbeschluß den zur Ausführung berufenen staatlichen Stellen gesetzt wird, ist schwierig. Ihre glückliche Lösung könnte einen bedeutungsvollen Schritt zu einer Neubelebung und erfolgversprechenden Entwicklung der österreichischen Kunst bedeuten.

Es sei noch darauf verwiesen, daß der Beschluß des Ministerrats ausdrücklich empfiehlt, in Fällen, in denen das für die künstlerische Ausstattung eines Neubaus auszuwerfende Künstlerhonorar 2000 Schilling übersteigt, die Aufträge auf Grund von Wettbewerbsresultaten zu vergeben. Diese Empfehlung wird, wenn sie befolgt wird, Unzulänglichkeiten und Einseitigkeiten in der Auswahl der Künstler verhindern; eine Voraussetzung dazu wäre allerdings, daß man wenigstens in größeren Wettbewerben die Juroren nicht, wie das schon so oft geschehen ist, ausschließlich aus behördlichen, sondern endlich auch — und vor allem — aus musischen Kreisen holt. Man bedenke: 14 Millionen sind viel Geld. Mit ihnen könnte man Unerhörtes und Einzigartiges entstehen lassen, mit ihnen könnte vielleicht sogar eine neue Blütezeit der österreichischen bildenden Kunst eingeleitet werden. Aufgabe der Öffentlichkeit und der Fachkritik wird es sein, die rationelle und den Erfordernissen unserer Zeit entsprechende künstlerisch ersprießliche Verwendung dieser Riesensummen mit peinlicher Genauigkeit zu beobachten.

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