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Stefan Lochner - Im Dienste der Frömmingkeit

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Vor dem neuen Wall- raf-Richartz-Museum in Köln bilden sich schon Besucherschlangen, ehe es seine Tore öffnet. Wieder einmal ist eine Großausstellung zu besichtigen, die man in dieser Form nie wieder erleben kann: „Stefan Lochner, Meister zu Köln: Herkunft - Werke - Wirkung“.

Schon Albrecht Dürer hatte, als er 1521 in Köln weilte, für Stefan Lochner Eintrittsgeld bezahlt: „3 Weißfennig“ mußte er hinlegen, um das „Weltgericht“ zu sehen, das damals in der Kölner Ratskapelle hing. Die figurenreiche Darstellung des Jüngsten Gerichts war offenbar ihr Geld wert, denn Dürer besuchte sie noch ein zweites Mal, nun allerdings für zwei Pfennige. Er war schon „amtsbe kannt“.

Stefan Lochner war „der“ Kölner Maler des späten Mittelalters.

Aber er war kein Kölner. Von vielen Fragezeichen begleitet, hat die Wissenschaft seinen Lebensweg aus dem kleinen Ort Hagnau bei Meersburg am Bodensee über Konstanz, mehrere Städte am Oberrhein und in den Niederlanden bis Köln nachgezeichnet. 1442 wird sein Name erstmals in Urkunden genannt, als Festschmuck für den Besuch Kaiser Friedrichs III. angefertigt wurde. 1447 und 1450 entsandte ihn die Malerzunft als ihren Vertreter in den Rat der Stadt. 1451 ist er - vermutlich an der Pest - in Köln gestorben.

Eine Analyse seiner Bilder weist auf Anregungen aus Oberitalien, vom Oberrhein (Konrad Witz) und aus den Niederlanden (Brüder van Eyck, Robert Campin, Rogier van der Weyden) hin. Diesen Zeitgenossen stellten sich damals künstlerisch ähnliche Probleme: Es ging ihnen um die bessere Erfassung der Realität, um den Auf-

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tritt der Personen im Raum und nicht mehr reliefartig in der Fläche, um eine stärkere Körperlichkeit der Figuren.

Mit 40.000 Einwohnern gehörte Köln um 1435 zu den größten Städten überhaupt. Die reiche Handelsstadt hatte beizeiten auch für geistliche Attraktionen gesorgt. Bis heute sichern die Gebeine der Heiligen Drei Könige, die Kaiser Barbarossas Reichskanzler Reinald von Dassel 1164 in die Stadt gebracht hatte, einen stetigen Besucherstrom. Weitere Schutzpatrone der Stadt wie die Heilige Ursula und Sankt Gereon wurden immer wieder verehrt ünd dargestellt. Die vielen Kirchen und Klöster und auch die bürgerliche Oberschicht brauchten unzählige An- dachts- und Repräsentationsbilder. Die Malerzunft war gut organisiert und hatte strenge Regeln.

Ob sich Lochner anfangs stilistisch ein wenig dem damals herrschenden „Weichen Stil“ angepaßt hat, wird in der Wissenschaft diskutiert. Ebenso die Wirkung, die er dann, als er in Köln repräsentative Aufträge ausgeführt hatte, auf andere Künstler ausübte. In der Ausstellung nehmen ja die gesicherten Lochner-Werke nur einen kleinen Raum ein. Sie sind reich flankiert von Vorläufern, Zeitgenossen und solchen Künstlern, die von ihm lernten.

Das reicht bis zum „Jüngsten Gericht“, das Hans Memling 1467-73 im Auftrag der Medici malte #md das auf abenteuerlichen Wegen nach Danzig gelangte. Von dort kam es jetzt wie andere Leihgaben nach Köln. Memlings dreiteiliges Altarbild kann seine Herkunft von Lochner nicht verleugnen, wenn es auch den artigen Zug der Gerechten und das qualvolle Gewimmel der Sünder noch expressiver zu gestalten scheint.

Eine Sensation ist auch Stefan Lochners reich illuminiertes Stundenbuch aus der hessischen Landes- und Hochschulbibliothek in Darmstadt. Es wurde 1989 zwecks Faksimilierung auseinandergenommen und auf Wunsch der Kölner vorerst in diesem Zustand belassen. So kann man jetzt die einzelnen Bilder betrachten - sofern das Gedränge vor den Vitrinen dies zuläßt.

Die Fülle der ausgestellten Werke aus dem Umkreis von Stefan Lochner (rund 120 Katalog- nummem insgesamt) bietet nicht nur einen Augenschmaus, sondern soll der Wissenschaft die Möglichkeit des Vergleiches geben. Vor allem wenn Ende Februar fünrende Experten zu einem Kolloquium Zusammenkommen und neue Erkenntnisse sammeln. Denn diesem zentralen Meister wurde bisher nur 1936 eine Ausstellung gewidmet und die blieb ohne Katalog.

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