6644872-1958_17_17.jpg
Digital In Arbeit

Steirische Stifte — steirische Kunst

Werbung
Werbung
Werbung

Am 10. März 904 schenkte „König Ludwig das Kind“ dem Grafensohne Arpo zwanzig Huben im Liubinatal, in der Grafschaft Leoben; in einer von ihnen lag die Villa G o s t i z a. Am 1. Mai 1020 bestätigte Kaiser Heinrich II. seinem Blutsverwandten, dem Salzburger Diakon Aribo, die von diesem vollendete Gründung des Kanonissenstiftes Gossia, Goß. Diese Urkunde, verwahrt im steiermärkischen Landesarchiv, ist die älteste Goldbulle eines deutschen Kaisers. Die fünfte Aebtissin von Goß, Kunigunde, nähte und stickte den kostbaren Ornat, der den Blickfang des ersten Saales im Wiener Museum für angewandte Kunst bildet. Er ist eine kostbare Rarität: die Gösser Chronik rühmt seine vielen „ausgenähten Figuren“, das Kunstgewerbe freut sich seiner, denn er ist, mit allen wesentlichen Teilen, Kasel, Pluviale und Dalmatiken, das älteste vollständige „Meßgewand“ Oesterreichs. Romanisch ist auch die Krypta der Stiftskirche, ihr Kruzifix, entstanden um 1180, ist die älteste Plastik unseres Diözesanmuseums. Das Münster aber (das Hochchor ward 1338, das Langhaus um 1520 vollendet) gilt als die bedeutendste Leistung der spätgotischen Baukunst Steier-marks.

Am 29. September 1074 weihte Erzbischof Gebhard von Salzburg im Beisein der Bischöfe von Passau, Freisingen und Gurk Kloster und Stiftskirche Von Admont. Wohl nur ein Provisorium aus Holz. Das Definitivum „aus kostbarstem Marmor“ ward Anno 1121 konsekriert, die beiden Seitenportale stammen vielleicht noch aus dieser Zeit. Ob die „Maurer“ Perhtold, Prunger und Reginger, der Admonter „Kirchenfamilie“ angehörig, die in einer Urkunde von 1147 als Zeugen geführt wurden, am Baue Anteil hatten? Ihre angesehene Stellung läßt an Mitglieder einer — Bauhütte denken. Eine solche leitete jedenfalls zwischen 1420 und 1450 der Baumeister Niklas Velbacher, der die Kirche am Frauenberg und zu St. Marein bei Seckau errichtete, und spätestens ab 1480 Wolfgang Tenk, dem als „Steinmetz“ der Stadtpfarrkirche Steyr 1513 ein figurenreicher Grabstein gesetzt wurde. Laut Urbar saßen 1437 im Stiftsbezirk vier Maler als Steuerzahler, um 1640 werkten hier vier namentlich genannte Bildhauer, von 1726 bis 1765 schuf Joseph Thaddäus Stammel seine unsterblichen Werke in Stein und Holz. Die Admonter Bibliothek, in der Barockzeit als „Achtes Weltwunder“ gerühmt, nunmehr alljährlich von gut 40.000 Besuchern bestaunt, birgt 1060 Handschriften, 900 Frühdrucke, insgesamt 120.000 Bände ...

Wie Stift Admont gründeten Benediktiner auch das Stift St. Lambrecht. Schon 1096 wird es als Abtei genannt. Wie die bestrickende Admonter Madonna gehören die St.-Lambrechter Glasmalereien und Tafelbilder zu den Hauptsehenswürdigkeiten der Alten Galerie des Landesmuseums Joanneum in Graz. Sculptor Hartwik von St. Lambrecht ist der frühest bezeugte Bildhauer des Landes. Vom 12. bis 14. Jahrhundert nennen die hiesigen Nekrologien zahlreiche Maler. Sie halten auch fest, daß am 18. März 1359 hier der Laienbruder Nycolaus, „Werkmeister des Ortes“, starb und um dieselbe Zeit der Mönchspriester Chunrad, Werkmeister von Mariazell, das bekanntlich eine Stiftung St. Lambrechts ist, lebte.

Die Gründungsurkunde des Zisterzienserstiftes Rein von 1128 nennt erstmalig auch die Landeshauptstadt Graz. Seine baukundliche Großleistung ist die liebliche Wallfahrtskirche Straßengel, 135 5 geweiht, ihr durchbrochener Turm gilt als architektonische „Abbreviatur“ des freilich ungleich wuchtigeren Himmelsweisers am Wiener Stephansdom. Das Reiner „Formular“, heute in der Nationalbibliothek, ist eines der frühesten Musterbücher für Handschriften-mälerei, die bekanntlich vielfach für Glasgemälde und Fresken richtunggebend wurde. Das Reiner „Schnitzhaus“ beschäftigte, über ein Jahrhundert verteilt, sieben namentlich genannte „Sniczer“, als Werkmeister betätigte sich 1406 der Konventuale Friedrich beim Bau der kleinen Dreifaltigkeitskirche. Die prachtvolle Stiftskirche, die dem Hauptportal zu einen stattlichen Teil der romanischen Basilika in den Neubau einbezog, schuf von 1739 bis 1747 der Grazer Hofbaumeister J. G. Stengg.

Im Jahre 1140 siedelten sich hierzulande die ersten Augustinerchorherren an. In St. Marein. Schon zwei Jahre später zogen sie nach Seckau. Das 1164 vom Brixner Bischof Hartmann geweihte Münster steht noch heute, an Großzügigkeit der Anlage, an der Kostbarkeit der Ausstattung eine achtunggebietende Leistung der Hochromanik. Romanische Steinplastiken umkleiden noch einen Pfeiler, eine wundervolle um 1200 entstandene Golgotha-Gruppe belebt das spätgotische Rippengewölbe, das vielleicht Werk des Priestersteinmetzen Marcus Malle ist. Die aus der Gründungszeit erwiesene Verbindung mit dem Bruderstifte Neustift bei Brixen führte zu einer beiderseits fruchtbaren künstlerischen Wechselbeziehung zwischen Südtirol und der Obersteiermark: Maler Jakob Sunter aus Seckau war zwischen 1450 und 1475 einer der gesuchtesten Freskanten Südtirols, der Bozener Bildhauer Narziß schuf vor 1507 für die Seckauer Stiftskirche den entzückenden Altar Maria Krönung. Propst Leonhard Arnberger (1541 bis 1560) nennt sich selbst Plastes, Plastiker, und Sohn eines Plastikers.

Markgraf Odoacker von Steier unterfertigte 1163 die Gründungsurkunde des Chorherrenstifts Vorau, um 1230 gründete Leutold von Wil-don das Stift S t a i n z derselben Kongregation, Herzog Otto der Fröhliche 1327 das Zisterzienserstift N e u b e r g. Die Stiftskirche von Vorau, 1660 bis 1662 erbaut, 1696 bis rund 1740 glanzvoll und harmonisch ausgestattet, bietet wohl den künstlerisch geschlossensten und barock überzeugendsten Eindruck der steirischen Stiftskirchen, der Entwurfarchitekt und die Bildhauer des prunkvollen Hochaltares wurden aus Wien geholt, der Hauptplastiker der Seitenaltäre aus Wiener Neustadt, im Innsbrucker Cyriak Hackhofer jedoch bildete sich das Stift einen hochbefähigten und fruchtbaren Hofmaler heran. Die Stainzer Stiftskirche, deren Baumeister noch nicht wünschenswert eindeutig festgestellt ist, holte sich ihre Ausgestalter aus dem Künstlerkreis des Grazer Schlosses Eggenberg. Neubergs frühbarocke Hochaltarbildhauer kamen gleichfalls aus Wiener Neustadt, beim Bau des grandiosen hochgotischen Kreuzgangs — der einzig erhaltene Steiermarks — haben die bekannt baufreudigen Jünger St. Bernhards wohl selbst noch maßgebend die Hand angelegt. Die Kirche, gewaltig an Ausmaßen, selbst an trüben Tagen lichtdurchflutet, lobt nicht minder ihre Meister.

Die Chorherrenstifte Rottenmann (1456) und Pöllau (1504) schließen den Reigen der steirischen Regulargründungen. Ersteres beschäftigte von Anfang an Rottenmanner Baumeister, Bildhauer und Maler, in Pöllau saßen in der Barocke in Matriken nachweisbar drei Bildhauer und vier Maler, die kunsthistorische Frühgeschichte ist mangels von Archivalien noch ziemlich unerforscht. Wenn auch nicht vom Stifte erbaut, so doch jahrhundertelang von ihm betreut, steht zu seinen Häupten die mit Recht gerühmte Wallfahrtskirche Pöllauberg, der ein Brand den krönenden Turm benahm, die machtvolle hochgotische Architektur und pompöse barocke Ausstattung beließ. Die machtvolle Stiftskirche erbaute von 1699 bis 1712 der Grazer Baumeister Joachim Carlone.

Unserer materialisierten Zeit sei nur summarisch in Erinnerung gebracht, daß die Stifte zumeist ihre weitausgedehnten Ländereien erst zu roden und urbar zu machen hatten, sodann in der Pflege der Forstwirtschaft, des Ackerbaues, der Obst- und Weinveredlung, aber auch in der Salzgewinnung wie in der Aufschürfung der Erze bahnbrechend vorangingen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung