Stilvoll Fressen & Saufen

Werbung
Werbung
Werbung

Kochbücher als kultur-und soziaklgeschichtliche Doumente: Die Österreichische Nationalbibliothek präsentiert Beispiele aus ihrem reichen Fundus.

Immer diese Riesenfettaugen in der Suppe / Selbst in der Frittatensuppe / Feiert die Provinz ihre Triumphe". Essenszenen - wie diese unschwer erkennbar von Thomas Bernhard stammende ("Der Theatermacher") - gehören zur Literatur wie die Rosinen in den Kuchen. Auch in Form von Kochbüchern vermählt sich Buch-mit Kochkultur. Da ist es naheliegend, dass die Österreichische Nationalbibliothek in der Ausstellung "Küchenkunst und Tafelkultur" kulinarische Zeugnisse aus ihren reichen Sammlungen präsentiert.

Tatort Küche

Kochbücher sind kultur-und sozialgeschichtlich aufschlussreiche Dokumente. Die Schau erschließt dem Besucher im Prunksaal über zwei Jahrtausende Alltagsgeschichte unter dem Blickwinkel der Nahrungszubereitung und-aufnahme. Gezeigt werden einige der ältesten mittelalterlichen Kochbücher des Landes, das Innsbrucker Rezeptbuch (Mitte des 15. Jahrhunderts), das Kochbuch des Wiener Dorotheerklosters (1. Hälfte des 15. Jahrhunderts) und das Mondseer Kochbuch (1439/ 40). In einzelnen Kapiteln beleuchtet die Ausstellung - und noch mehr der exzellente Katalog - die unterschiedlichsten Aspekte kulinarischer Kultur von der Antike bis in die Gegenwart auf manchmal launige, aber immer höchst informative Weise

Zum Beispiel "Tatort Küche": Im Mittelalter herrschte an den herrschaftlichen Tafeln ständig die - berechtigte - Angst, vergiftet zu werden. Noch im Barock gab es an vielen Höfen den nicht ungefährlichen Posten des Vorkosters. Dem 42. Abt des oberösterreichischen Benediktinerstiftes Lambach, Plazidus Hieber, etwa brachte 1678 ein Obstdessert den Tod. Der wegen seines autokratischen Führungsstils und seines Pochens auf strenge Disziplin verhasste Abt wurde von einem Mitbruder mit vergiftetem Zucker um die Ecke gebracht. (Erst später schlug sich in Kochbüchern die Erkenntnis nieder, dass Vergiftungen auch von versehentlich mitgekochten Giftpilzen, verdorbenen Nahrungsmitteln oder ungeeignetem Geschirr ausgehen können.)

Die Klöster waren über Jahrhunderte auch der Hort der Haute Cuisine: Hier wurde geschlemmt, was das Zeug hielt, auch oder gerade während der Fastenzeit. Im Mittelalter galten nicht weniger als 150 Tage des Jahres als Fasttage, in den Klöstern waren es offiziell noch mehr. Doch die findigen Mönche entwickelten Strategien, um auch in Fastenzeiten zu einer wohlgedeckten Tafel zu kommen: Man wich auf Eier und Fische aus, wobei zu Fischen kurzerhand alle Tiere erklärt wurden, die im Wasser lebten, zum Beispiel auch Biber und Fischotter. Es gab auch einen anderen beliebten Trick: Für den Fall, dass sich während der Fastenzeit hoher Besuch im Kloster ansagte, waren Ausnahmen gestattet. Also besuchten sich die Klosteroberen regelmäßig gegenseitig, zufälligerweise immer genau an Fasttagen. Aber auch die Kochkunst der Antike, von der sich die mittelalterliche Kochkunst bewusst distanzierte und auf die sich später die Spitzenköche der Renaissance berufen sollten, überlebte in Form römischer Kochbücher in etlichen Klosterbibliotheken. Einige der wichtigsten Wiener Kochbuchautorinnen des 19. Jahrhunderts sammelten noch in Klöstern ihre Praxis.

Die Wiener Küche, die anlässlich des Wiener Kongresses 1814/1815 zu europaweitem Ruhm gelangte, darf in einer solchen Ausstellung natürlich nicht fehlen. Schon damals zeichnete sich diese Vielvölkerküche durch den extremen Variantenreichtum bei Rindfleisch und warmen Mehlspeisen aus. Österreichs Verlust des direkten Zugangs zum Meer nach dem Ersten Weltkrieg bedeutete allerdings einen herben Einschnitt für die österreichische Küche: Der bis dahin selbstverständliche Meeresfisch wurde zur exotischen Speise und hat sich nur in Form von Fischkonserven und gebackenem Fisch wieder im Küchenalltag etablieren können.

Auf den Hund gekommen

In Zeiten einer globalen Küchenkultur, in der die heimische sich im Nebeneinander mit mediterraner oder asiatischer Küche behaupten muss, ist eine Kenntnis der Wurzeln mitteleuropäischer Kochkunst und Tafelkultur erhellend und bereichernd. Importe exotischer Gewürze und Integration ursprünglich fremder Küchenzutaten (Kartoffeln, Paradeiser, Paprika oder Kürbis) hat es immer schon gegeben. Die Ausstellungsmacher konnten es sich nicht verkneifen, auch auf moderne Auswüchse hinzuweisen: In der selben Vitrine, in der Zeugnisse der Armen-und Kiegsküche des vorigen Jahrhunderts ausgestellt sind, findet sich auch ein Buch über Gourmet-Küche für den Vierbeiner - auf den Hund gekommene Küche.

Küchenkunst und Tafelkultur

Kulinarische Zeugnisse aus der

Österreichischen Nationalbibliothek

Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek

Bis 31. 10. Di-So 10-18 Do 10-21 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung