Stolzer Senkrechtstarter

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Daniel Gran, einer der größten Barockmaler Österreichs, starb vor 250 Jahren. Für die heimische Museums- und Medienszene ist das kein Thema. Nur das Diözesanmuseum St. Pölten macht eine größere Ausstellung und veröffentlicht die einzige erhältliche Monografie.

Betritt man die ehemalige Stiftsbibliothek im Diözesanmuseum Sankt Pölten, wird man sogartig in die Vergangenheit entführt. Eine barocke Raumflucht mit wunderbaren Schnitzarbeiten und alten Büchern. Im mittleren Bibliotheksraum tut sich ein gemalter Himmel auf, in den man sich gerne hineinbeamen würde - so einladend ist diese in Lila- und Blautönen gehaltene Wolkenlandschaft. Das runde Deckenfresko zeigt eine Allegorie der Weisheit in Form einer sitzenden Schönheit mit Attributen wie Schlange und Spiegel, die Wissen und Klugheit symbolisieren. Umgeben ist die personifizierte Weisheit von entzückenden Putten. Die Malerei besticht nicht nur durch die feine, an den italienischen Manieristen Paolo Veronese erinnernde Farbgebung, sondern auch durch die klare Komposition. Die reduzierte Gestaltung und das harmonische Kolorit sind charakteristisch für Daniel Gran, der dieses Fresko um 1746 gemalt hat.

Gran, der seinen letzten Lebensabschnitt in Sankt Pölten verbracht hat, gehört zu den einflussreichsten österreichischen Freskomalern des 18. Jahrhunderts. Nachfolgende Kollegen wie Franz Anton Maulbertsch oder Kremser Schmidt haben sich so manches von ihm abgeschaut. Daniel Grans Fresken im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, im Marmorsaal des Stiftes Klosterneuburg oder in der Wallfahrtskirche am Sonntagberg zählen zu den Hauptwerken der österreichischen Barockmalerei - besonders wegen der einzigartigen Symbiose, die sie mit der Architektur eingehen.

Aber auch als Ölmaler war der 1694 in Wien geborene Künstler nicht ohne. Gran hat über zwanzig eindrucksvolle Altarbilder hinterlassen, zu sehen etwa in der Wiener Karlskirche, wo im rechten Kreuzarm das Seitenaltarbild Die heilige Elisabeth von Portugal verteilt Almosen hängt.

Barocker Malerstar

Verwunderlich also, dass der 250. Todestag des Malers in der heimischen Medien- und Museumslandschaft kaum wahrgenommen wurde. Einzig Sankt Pölten würdigt den Barockmeister, der 1757 hier verstarb, gebührend mit einer größeren Ausstellung im Diözesanmuseum. Die von Johann Kronbichler konzipierte Schau ist nicht nur aufgrund der etwa neunzig Exponate sehenswert. Auch weil sie einem den Barockmaler durch den historischen Ort und den benachbarten Dom mit vier Seitenaltarbildern von Gran ohne kostenaufwendige Gestaltung auf sympathisch altmodische und seriöse Weise näher bringt.

Ein um das Jahr 1727 entstandenes Selbstbildnis Grans gleich zu Beginn der Ausstellung zeigt den Künstler mit vornehmer Perücke. Pinsel und Palette hält er stolz in der Hand - zugleich blickt er selbstbewusst in die Ferne. Grund, stolz zu sein, hatte der Senkrechtstarter mehr als genug. Als Sohn eines kaiserlichen Hofkochs kam er in der Pubertät nach dem Tod des Vaters in die Obhut des legendären Augustiner-Paters Abraham a Sancta Clara, der ihm die Möglichkeit gab, das Handwerk der Malerei zu erlernen.

Entscheidend für seinen beruflichen und privaten Werdegang war die Lehrzeit bei dem Maler Johann Georg Werle, dessen Tochter Anna Gran später heiratete. Über Werle dürfte Daniel Gran Kontakte zu seinem ersten großen Mäzen, Fürst Adam Franz von Schwarzenberg, erhalten haben. Schwarzenbergs finanzieller Unterstützung verdankte Gran einen zweijährigen Italienaufenthalt, der seine Malerei nachhaltig prägte.

Besonders beeinflusst wurde er von dem neapolitanischen Barockmaler Francesco Solimena und dessen feierlichen Kompositionen. Zurück in Wien wurde der damals Dreißigjährige aufgrund seiner Fresken im Kuppelsaal im Schwarzenbergischen Gartenpalais am Rennweg neben Michael Rottmayr und Altomonte dem Älteren bald als neuer Wiener Malerstar gehandelt. Der später zum Kaiserlichen Kammermaler erhobene und geadelte Künstler war eine höchst eigenwillige Persönlichkeit - das Angebot, Rektor der Wiener Akademie zu werden, lehnte er entschieden ab. Unter anderem aufgrund des von ihm als indiskutabel niedrig befundenen Gehalts.

Eigenwillige Persönlichkeit

Seinen letzten Lebensabschnitt verbrachte Gran in Sankt Pölten, wahrscheinlich wegen der vielen Aufträge in niederösterreichischen Kirchen und Klöstern. Möglicherweise ist er auch der starken Konkurrenz durch den aufstrebenden Paul Troger in Wien ausgewichen, mutmaßt Johann Kronbichler im aufschlussreichen Katalog.

Die Ausstellung lebt von den Ölskizzen für verschiedene Hauptwerke Grans, wobei besonders die kleinen, untypischen Bilder mit wenigen Figuren in Erinnerung bleiben. Sie zeigen Gran als sensiblen, ungemein konzentrierten Künstler, dessen Bilder trotz der barocken Neigung zum Dramatischen große Ruhe ausstrahlen. So besticht etwa die Unterweisung Mariens durch die Mutter Anna durch die innige Atmosphäre und die Beschränkung auf die zwei Frauen-Oberkörper. Dass Gran überhaupt ein besonderes Talent für die Darstellung zwischenmenschlicher Themen hatte, spiegeln die Ölskizzen von der Heiligen Familie, von Maria mit dem Kind oder das herausragend feinfühlige Gemälde Die heilige Barbara verehrt die Madonna mit dem Jesuskind.

Auch die lockeren Tusche- und Bleistiftzeichnungen machen Lust auf mehr Gran - vor allem auf die großen Fresken, die in der Präsentation zwangsläufig fehlen. Grund, um sich eine weitere Jubiläumsausstellung anzuschauen. Denn das Stift Klosterneuburg hat rund um das 1749 entstandene Deckenfresko im Marmorsaal, eines der späten Hauptwerke Grans, eine kleine Dokumentationsschau zusammengestellt.

Zum Vertiefen bietet sich die vom Sankt Pöltener Diözesanmuseum herausgegebene Publikation an. Derzeit das einzige im Handel erhältliche monografische Buch über Gran, nachdem die Monografie von Eckhard Knab aus dem Jahr 1977 längst vergriffen ist.

GRANDEZZA. DER BAROCKMALER DANIEL GRAN 1694-1757

Diözesanmuseum St. Pölten

Domplatz 1, 3100 St. Pölten

www.dz-museum.at

Bis 31. 10. Di-Fr 10-12 u. 14-17 Uhr, Sa 10-13 Uhr

Katalog, bearbeitet von Johann

Kronbichler, 208 Seiten, € 35,-

DANIEL GRAN

Stift Klosterneuburg

Marmorsaal und Kaiserstiege

Stiftsplatz 1, 3400 Klosterneuburg

www.stift-klosterneuburg.at

Bis 15. 11., zu besichtigen

im Rahmen des "Imperialen Weges" durch das Stift.

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