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Das BA-CA-Kunstforum präsentiert eine unorthodoxe Sammlung und zeigt das Liebeskonzept des Surrealismus.

Brennende Kerzen im wild aufstehenden Haar, dazu ein rot-und lilafarbenes Renaissance-Kostüm. Eine hoch gewachsene Frau bewegt sich tänzelnd auf einer Eisscholle durch eine türkis-weißliche Landschaft. Beobachtet wird die theatralische Gestalt von einer knienden weiblichen Figur, die durch das Schlüsselloch einer mitten im Bildraum platzierten Tür blickt. In welchem Verhältnis stehen die beiden Frauen zueinander - und was hat es mit den brennenden Kerzen auf sich?

Gemalt hat das geheimnisvolle, kleinformatige Bild die in Argentinien geborene und in Italien aufgewachsene Malerin Leonor Fini 1939 - zu einer Zeit, als sie den surrealistischen Künstler-Star Max Ernst und dessen Geliebte Leonora Carrington in Südfrankreich besuchte. Möglicherweise spielte die reale, spannungsvolle Begegnung zwischen den beiden malenden Frauen rund um Max Ernst eine Rolle bei der Entstehung des Werks.

"Zwei Frauen" gehört zu den Highlights der Sammlung von Ulla und Heiner Pietzsch. Gemeinsam mit etwa hundert anderen Exponaten ist die herausragende Sammlung des kunstbesessenen deutschen Ehepaars derzeit im BA-CA-Kunstforum zu Gast. Finis Bild ist charakteristisch für die Sammlung Pietzsch. Mit dem traumartigen Inhalt verkörpert es typisch surrealistisches Gedankengut, zugleich ist es ein sehr spezielles Bild von einer Künstlerin, die in der öffentlichen Wahrnehmung stets im Schatten der allseits bekannten surrealistischen Stars stand. Leonor Fini fühlte sich zwar den Surrealisten verbunden, war aber nie Mitglied der männerdominierten Bewegung.

Die gesamte Ausstellung baut auf der Obsession für surreale Tendenzen in der Kunst auf. "Verrückte Liebe", "L'Amour fou", nennt sich die Schau daher, angelehnt an André Bretons surrealistisches Liebeskonzept. Der Titel spricht einerseits die Liebe der Privatsammler zur Kunst an, zugleich trifft er das von Breton 1924 im Ersten Surrealistischen Manifest gehaltene Plädoyer für Wahnsinn und Traum als ebenso bedeutende Form des Begreifens von Wirklichkeit wie das von der Vernunft gesteuerte Denken.

Besessene Sammler

Seit 43 Jahren haben sich Ulla und Heiner Pietzsch dem systematischen Sammeln von Kunst verschrieben. Heiner Pietzsch vergleicht seine Kunstbesessenheit schmunzelnd mit einer Sucht, die zwar nicht gesundheitsgefährdend, aber gefährlich für den Finanzhaushalt sei. Das Geld für das kostspielige Hobby kam durch die Herstellung und den Vertrieb von Kunststoff-Folien herein. Für das kunstsinnige Ehepaar sind die kostbaren Werke wie Kinder, normalerweise leben sie mit ihnen in Berlin-Grunewald unter einem Dach. Umso bemerkenswerter ist die monatelange Trennung, die zu dieser sehenswerten Ausstellung führte. Einige Arbeiten der exquisiten Sammlung konnten Kunstinteressierte allerdings bereits im vorigen Sommer in Venedig bewundern, denn da hat das Guggenheimmuseum dem Sammler eine Schau zu seinem 75. Geburtstag ausgerichtet.

Zu Beginn der Sammlertätigkeit standen zunächst unterschiedliche Interessen. Heiner Pietzsch wollte sich auf amerikanischen Expressionismus konzentrieren, seine Frau war hingegen vom Surrealismus fasziniert. Schließlich kam es zu einem Kompromiss. Neben hochkarätigen Meisterwerken aus der Epoche des Surrealismus mit Arbeiten von Max Ernst, André Breton, Hans Arp, Salvador Dalí, Andre Masson und Pablo Picasso hat das Ehepaar in den letzten Jahrzehnten Objekte und Bilder erworben, die sowohl geographisch als auch zeitlich eine Fortführung surrealistischer Tendenzen darstellen.

Surrealismus von heute

So findet man in der von Kuratorin Evelyn Benesch angenehm locker gehängten Schau im Kunstforum Bilder des Kubaners Wilfredo Lam, einem ungewöhnlich eigenständigen multikulturellen Maler, der in seiner Kunst Momente der europäischen Moderne mit der Formensprache der afro-kubanischen Kunst verband. "Echù" (1950) nennt sich ein Bild Lams in Anspielung auf die Göttin Ochún aus dem kubanischen Santería-Kult, das formal an Picassos aufgesplitterte Figuren, genauso aber an die reduzierte Ästhetik der afrikanischen Skulpturen erinnert.

In neuem Licht erscheinen die in die Ausstellung einbezogenen zeitgenössischen Arbeiten. So kommt die Poesie und Absurdität, die von den beweglichen Objekten der deutschen Künstlerin Rebecca Horn ausgeht, erst im Umfeld der surrealistischen Arbeiten richtig zur Geltung. In "Die Schmetterlingsschaukel" (1996) bewegt sich ein blaues Falterpaar mittels einer Mechanik unaufhörlich auf und ab - ein selten poetisches Objekt, das für den nachhaltigen Einfluss des Surrealismus auch auf die Gegenwartskunst spricht.

Zu den schönsten Exponaten gehört die "Capricorn"-Skulpturengruppe (1948) von Max Ernst. Nur durch ungemeines Geschick konnten Ulla und Heiner Pietzsch die Überreste der bedeutenden, aber leider zerstörten mehrteiligen Skulptur von der amerikanischen Schwiegertochter des Künstlers erwerben. Für die Figurengruppe - Mischwesen aus Mensch und Tier - haben die Sammler ihr Haus eigens umbauen lassen.

Der Gang durch die Ausstellung bereitet nicht nur Spaß, weil hier eine unkonventionelle, nicht den Regeln der Kunstgeschichte folgende, exquisite und unorthodoxe Kunstsammlung zu sehen ist. Indirekt spürt man als Besucher auch die ungemeine Freude an bildender Kunst, die hier zwei Menschenleben geprägt hat.

Verrückte Liebe: Von Dalí bis Bacon

Die Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch

BA-CA Kunstforum

Freyung 18, 1010 Wien

www.ba-ca-kunstforum.at

Bis 18. 6. tägl. 10-19 Uhr, Fr 10-21 Uhr

Katalog : Verrückte Liebe. Von Dalí bis Francis Bacon. Surreale Kunst aus der Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch, BA-CA Kunstforum, Wien 2006, 242 S., e 30,-

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