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Sydney: Sonne, Strand und Olympische Spiele

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Paris hat den Eiffelturm, Moskau den Kreml, New York die Freiheitsstatue - und Sydney hat seine Oper. Australiens größte Stadt gehört somit zu den glücklichen Metropolen, die ein absolut unverwechselbares Markenzeichen vorweisen können. Nachdem die Dreieinhalb-Millionen-Stadt Sydney nun gegen die harte Konkurrenz von Bejing das Rennen um die Olympischen Spiele 2000 gemacht hat, ist der Kurswert dieses Markenzeichens natürlich noch weiter im Steigen begriffen. Die Australier, ohnehin bekannt als eine Nation von Sportfanatikern, werden dann die olympischen Segelregatten vor der prächtigen Kulisse der Oper und der Harbour-Bridge verfolgen können - und die ganze Welt wird dabei zuschauen.

Bleiben wir gleich bei der Oper. An Segelschiffe hat ihre kühne Dach-konstruktion, die von mehr als einer Million schwedischer Majolika-Fliesen bedeckt ist, schon so manchen erinnert; oder - was ja ebenfalls sehr passend is,t - an einen Souffleurkasten; der respektlose Vergleich mit französischen Nonnen beim Fußballspiel scheint dagegen ein wenig weit hergeholt. Unbestritten dürfte jedenfalls sein, daß Sydneys Oper zu den spektakulärsten Bauwerken dieses Jahrhunderts zählt. Von dem dänischen Architekten Björn Utzon entworfen wurde dieser Monsterbau 1959 auf der kleinen Halbinsel von Bennelong Point begonnen. Fertiggestellt wurde das vielseitige Kulturzentrum (das auch einen Theatersaal und Kinos beherbergt) aber erst 1973, nachdem es weit mehr als 100 Millionen Dollar verschlungen hatte. Der australische Bauskandal der sechziger Jahre kostete schließlich das Zehnfache des ursprünglichen Voranschlages. Bauskandale solchen Ausmaßes sind ja auch hierzulande durchaus nichts Ungewohntes, aber auf die Idee der Australier, die Finanzierung durch eine Serie von Lotterien zu sichern, ist noch kein österreichischer Bautenminister gekommen. Da die Akustik der Oper ganz ausgezeichnet ist, finden die jährlich mehr als 300 Vorstellungen fast immer vor vollem Haus statt.

Westlich des Bennelong Point liegt Sydney Cove, das älteste Hafenbecken der Stadt. Dort befindet sich auch der Circular Qüay, von dem die Fähren und Ausflugsboote starten. Der Circular Quay ist eine lebendige und quirlige Flaniermeile gespickt mit Pubs und Bestaurants, Kaufhäusern und Boutiquen. Hier zeigt sich Sydney ganz von seiner bunten Seite als ein multikultureller Cocktail aus vielen Nationen und Nationalitäten.

Sydney Cove ist nur ein kleiner Teil des riesigen Naturhafens von Port Jackson, der mit 60 Quadratkilometern größten und dazu anmutigsten Bucht an der gesamten australischen Ostküste. In dieser Bucht war es auch, als im Jänner 1788 -18 Jahre nach der Entdeckung Australiens durch James Cook - elf Schiffe der britischen Flotte unter dem Kommando von Kapitän Arthur Phillip mit 290 Matrosen und 757 Sträflingen an Land gingen. Am Westufer des Sydney Cove begannen sie damit, die ersten Baracken und Wohnhäuser zu errichten; auch der erste Galgen und das erste Gefängnis auf australischem Boden wurden hier errichtet. Aus dem „Geburtsplatz Australiens” wurde ein Stadtviertel, das unter dem Namen The Bocks lange Zeit einen etwas zweifelhaften Ruf besaß: Zwielichtige Lokalitäten und soziale Gegensätze zwischen den Nachkommen der freien Siedler einerseits und den Häftlingen andererseits waren schuld daran. Seit Anfang der siebziger Jahre läuft allerdings ein Restaurierungs- und Revitalisie-rungsprogramm, das die heruntergekommenen ehemaligen Lager- und Hafengebäude in stilechte Pubs, Shops und Galerien verwandelt hat. Die Schattenseite davon sind horrende Mieterhöhungen, die viele der früheren Bewohner vertrieben haben. Der Kontrast der schönen alten Häuser von The Rocks zu den benachbarten Skyscrapers ist überaus reizvoll. Hier wird die Tatsache mehr als augenscheinlich, daß Sydney sich in nur 200 Jahren von einer Sträflingskolonie zur Weltstadt gemausert hat.

The Rocks hat aber auch Geschichte anderer Art zu bieten. Zwar wird man in Sydney kaum das Glück haben, einem der Ureinwohner Australiens über den Weg zu laufen, aber im Argyle Arts Center ist Kunst und traditionelles Handwerk der Aborigines ausgestellt und kann auch erworben werden. Überhaupt genießt Sydney den Ruf, die besten Museen des Landes und das umfangreichste Kulturangebot zu bieten. Über die Qualität des Night-Life gehen die Meinungen etwas auseinander. Auf jeden Fall erwähnenswert ist aber das farbenprächtige China-Town mit zahllosen Läden und Restaurants. Ein ausgesprochenes Amüsierviertel ist dagegen King's Cross, eine Art Soho auf australisch; hier gibt es neben Varietes, Discos und Jazz-Spelunken, was es sonst nirgends in der Stadt gibt, nämlich Striplokale, Pornokinos und Sexshops. Weniger als Vergnügungsviertel denn als bevorzugte Wohngegend der Schickeria hat sich Padding-ton etabliert; das einstige Arbeiterviertel ist vor allem seiner eleganten victorianischen Häuser wegen sehenswert. All dies und noch mehr läßt sich bei einer Rundfahrt mit dem Sydney Explorer entdecken, der die Besucher zu den interessantesten Punkten der Stadt bringt, wobei jederzeit unterbrochen und wieder zugestiegen werden kann.

Seine beste Seite zeigt Sydney aber unbestritten bei einer Hafenrundfahrt. Neben der imposanten Skyline zieht vor allem die mehr als einen Kilometer lange Harbour Bridge, die das alte Stadtzentrum mit North Sydney verbindet, die Blicke auf sich. Die mächtige Brückenkonstruktion wurde 1932 vollendet und bietet neben zwei Eisenbahnstrecken Platz für nicht weniger als acht Autofahrbah-nen! Eine auffällige Erscheinung ist auch der 325 Meter hohe Sydney

Tower, neben dem selbst die umliegenden Wolkenkratzer klein wirken; an klaren lagen soll man von seiner Spitze bis zu den Blue Mountains sehen können.

Wenn man schon ein Boot benutzt, dann empfiehlt es sich, auch gleich den Taronga Zoo Park zu besuchen. Der rund 30 Hektar große Buschpark liegt ein wenig östlich des Stadtzentrums am Nordufer der Bucht von Port Jackson und beherbergt von Känguruhs über Schnabeltiere und Tas-manische Teufel bis zu den gemächlichen Koalas alle Stars der australischen Tierwelt.

Aus der „Wasser-Perspektive” wird erst so richtig deutlich, daß Sydney nicht nur die flächenmäßig größte Stadt Australiens ist, sondern in dieser Hinsicht auch andere Riesenstädte wie London oder New York übertrifft. Der Grund dafür liegt darin, daß das Stadtzentrum nur einen kleinen Teil von Sydney ausmacht; der Rest ist ein riesiges Konglomerat von mehr als 400 Vororten mit zahllosen Yachthäfen und rund 30 prächtigen Badestränden. Einige der schönsten, wie etwa Bondy Beach oder Manley Beach, sind vom Zentrum kaum weiter als eine halbe Stunde Fahrzeit entfernt. Zusätzlich neun Monate Sommersonne machen Sydney zu einem im wahrsten Sinne des Wortes heißen Tip für urbane Badefreuden. Ganz sorglos sollte man dabei freilich nicht sein. Daran sind weniger irgendwelche Haie schuld als vielmehr die Sonne selbst und das berüchtigte haut-krebsfördernde Ozon-Loch: Schilder mit der Aufschrift „Slip, Slop, Slap” rufen in Erinnerung, daß man auf T-Shirt, Sonnenhut und Sonnencreme nicht vergessen sollte. Eine alteingebürgerte Institution an den Stränden sind die Live Savers Clubs, die nicht nur für die nötige Sicherheit sorgen, sondern mit ihren Karneval-Veranstaltungen auch für eines der gesellschaftlichen Hauptereignisse des Jahres.

Der Schreck, den die katastrophalen Brände vom Jänner 1994 den Stadtbewohnern eingejagt haben, sitzt noch immer tief; dazu kommen wirtschaftliche Sorgen wie Rezession und Arbeitslosigkeit. Umso größer sind jetzt natürlich die Hoffnungen, die mit Olympia verbunden sind, Hoffnungen nicht nur auf sportliche Erfolge, sondern mehr noch auf wirtschaftlichen Aufschwung. Als Besucher sollte man freilich nicht erst warten, bis die Olympischen Spiele die Preise in schwindelerregende Höhen getrieben haben: Noch ist es erschwinglich, eine der schönsten Städte der Welt kennenzulernen.

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