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Symbole und Zeichen
Das künstlerische Ereignis in Innsbruck an der Jahreswende bildet — nach einer Gedächtnisausstellung für den Innsbrucker Maler Erich Lechleitner und einer Darbietung des Bozner Malers Willy Valier im Kunstpavillon, einer Ausstellung des Wiener Graphikers Johannes Wanke im Kunsthistorischen Institut der Universität — die Ausstellung von 28 großen Farbkompositionen Max Weilers im Saal der Tiroler Handelskammer. Der Künstler, der zwei Jahre daran gearbeitet hat, erblickt in diesen Bildern, wie er selbst im Vorwort des Kataloges sagt, eine Grundstimmung seines Lebens: „In meinem Unvermögen, sie mit Worten zu erklären, erinnerte ich mich eines Satzes, den Meister Eckhart aus dem Buch der Weisheit übersetzt hat; er lautet: Als alle Dinge in tiefem Schweigen lagen und die Nacht in der Mitte ihres Laufes war, da kam vom Himmel, vom königlichen Throne — o Herr — Dein allmächtiges Wort. Aus praktischen Gründen nahm ich als Titel jedes Bilde9 ein Wort dieses Satzes.“
Schon die Anordnung der fast durchweg großformatigen, in Eitempera auf Leinwand gemalten Bilder, ist eine ungewöhnliche. Sie hängen in mehr oder weniger großem Abstand von den Wänden frei von der Decke herunter, so daß der Betrachter wie durch eine Raumgasse zwischen ihnen hindurchschreiten soll, was ein gleichzeitiges Erfassen mehrerer Bilder bewirkt. Die Kompositionen sind völlig ungegenständlich und rein auf farbige Klänge abgestellt. In der Form ist der Aufbau durchgehend ähnlich, indem über zwei luftigeren, leichteren Dritteln der Bildfläche sich im oberen Drittel ein zusammengeballtes, wolkenartiges Gebilde dachartig heruntersenkt. Aber welch ein Gebilde/ Es ist kaum möglich, in Worten die Vielfalt und Feinheit der Farbenkompositionen, die auf jedem kleinen Ausschnitt eine Fülle von Überraschungen bietet, zu erspüren, wie denn überhaupt bei ungegenständlicher Malerei das Vokabular einer nachvollziehenden und unter-cheidenden Analyse weithin nicht vorhanden oder zuwenig fein ausgebildet ist. Es geht hier um Nuancen innerer Erlebnisse, um Träume, die einer verstandesmäßigen „Erklärung“ im alten Sinne nicht zugänglich sind. Aber gerade eine solche wünscht das Publikum, je rätselhafter ihm die Symbole und Zeichen der Kunst von heute werden.
Max Weilers innere Beschäftigung mit dem oben angeführten mystischen Spruch Meister Eckharts geht bis auf seine Akademiezeit zutück, wird damals allerdings noch figurativ gestaltet. Der Satz ließ den Maler nicht mehr los, und viele Jahre später, auf der Biennale in Venedig, fand er in einem Bild bereits abstrakte Form. Jetzt aber hat sich das großartige und tiefe Thema zu einem ganzen Zyklus geweitet, zeigt facettenartig die verschiedensten Aspekte. So hat das eine Bild einen düsteren, tragischen Ton, erweckt im Betrachter apokalyptische Schauer, ein anderes wieder ist auf tröstliche, heitere Töne abgestimmt. Wie in einer Fuge wird das gleiche Thema immer neu variiert. Unsere Wörter „Töne“, „Fuge“, „Stimmung“ zeigen an, daß wir es, wie in der Welt der Musik, mit allgemeinen Inhalten und Gefühlen zu tun haben, die dem einen mehr, dem anderen weniger gemäß sind. Nicht jeder wird das Organ besitzen, das Ungewohnte und Ungewöhnliche rein in sich aufzunehmen, obwohl seit den ersten gegenstandslosen Bildern Kadinskys schon ein halbes Jahrhundert verflossen ist. Angesichts des neuen Zyklus von Max Weiler ergeht es einem ähnlich, wie wenn man im gotischen Glashaus der Sainte Chapelle in Paris steht: Man mag zunächst auch dem Inhaltlichen und Figuralen der biblischen Themen und Gestalten nachgehen, so überläßt man sich doch schließlich beglückt dem wechselnden Licht- und Fat-benwunder, das traumhaft mystisch aus den vielen Fenstern herniederströmt, ein Erlebnis, das der Betrachter wie hier den Zyklus Weilers synoptisch in sich aufnimmt.
Bleibt noch die Frage, ob dieser Bilderzyklus des Künstlers durch einzelne Abverkäufe zerrissen werden kann. Weiler selbst bejaht dies. Und die weitere Erwägung, wie ein Besitzer so ein Bild, das so gar nicht mehr als „Gemälde an der Wand“ im alten Sinn gedacht ist, in seinen Lebensbereich eingliedern kann.
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