Tirols Schatzkammer öffnet ihre Truhen

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Das Tiroler Landesmuseum wird 175 Jahre alt und jubiliert mit der Ausstellung "SammelLust". Augenzwinkern.

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Das Tiroler Landesmuseum wird 175 Jahre alt und jubiliert mit der Ausstellung "SammelLust". Augenzwinkern.

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Das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum hat Geburtstag! 175 Jahre ist es alt geworden und ist trotzdem noch mehr als rüstig. Ein "Altes Haus" in den besten Jahren sozusagen, wenn es auch - nach den Museen in Budapest und Graz - das drittälteste Museum Europas ist. Im Mai 1823 wurde es in Innsbruck gegründet und erhielt seinen Namen nach dem Kronprinzen und späteren Kaiser Ferdinand I.. Die feierliche Grundsteinlegung dieses einzigen Kunsthauses mit gesamttirolerischem (Nord-, Ost-, Südtirol, Trentino) Programm nahm kein Geringerer als Erzherzog Johann vor. Den Bau errichtete man nach Plänen des Architekten Anton Mutschlechner. Und dann wurde mit Lust gesammelt, geforscht, erhalten und präsentiert, wie es die Satzungen des Museumsvereines, der nach wie vor ein privater geblieben ist, vorsehen.

Man ging dabei so eifrig zu Werke, daß das Gebäude in der Innsbrucker Museumsstraße sehr bald zu klein wurde, und die überladene Schatzkammer Tirols in Etappen immer wieder einmal auf-, an- und umgebaut werden mußte. Auch heute kann das Ferdinandeum seine Sammlungsstücke kaum mehr fassen und bedarf nicht nur einer Erweiterung, sondern auch einer gründlichen Revitalisierung. Die alte Dame ist zwar erst in die besten Jahre gekommen, ein etwas moderneres Outfit könnte ihr aber trotzdem nicht schaden!

Daß sie aber keiner geriatrischen Auffrischung bedarf, beweist die ungebrochene Vitalität, mit der sie zur Zeit alle stressigen Geburtstagsfestivitäten durchsteht: Eine Jubiläumswoche mit diversen Lustbarkeiten, zum Beispiel, einige spannende Präsentationen und - last not least - eine originelle Großausstellung, die sich "SammelLust" nennt. Museumsdirektor Gert Ammann hat dazu mit seinem Team die interessantesten und auch verstaubtesten Depots durchstöbert, um ans Licht zu heben, was in den tiefsten Tiefen des ehrwürdigen Gemäuers - zum Teil vergessen - ruht.

In drei Sammlungsbereichen - "Kuriositäten", "Gustostückerln und Preziosen", "Skurriles Sammelsurium" - wird nun vorgestellt, was des Sammelns wert und des Sammlers Lust ist. Frei nach der Idee der habsburgischen Kunst- und Wunderkammern bietet man dem kunst- und sammelfreudigen Besucher eine eigenwillige Kostprobe dessen, was bis dato teilweise ein trauriges Kellerdasein gefristet hat. Man serviert es - schön geputzt und aufpoliert - mit Augenzwinkern in edlen Glasvitrinen, in großen Schiebeschränken und auch in simplen Schubladen.

Da gibt's, zum Beispiel, einen ägyptischen Mumien-sarg - das Andenken an die Orientreise eines durch dieses Mitbringsel möglicherweise etwas überforderten Gönners; eine Stangenbüchse aus Hinterindien; einen gefährlichen Colt von 1849. Das türkische Ordensdiplom, 1848 verliehen an J. Ph. Fallmerayer, ist nicht ohne Charme, wenn es sich auch mit der Matrikel in Goldprägung der St. Anna Bruderschaft, Innsbruck 1637, nicht messen kann. Gustav Klimt (J. Pembaur d. Ä., 1890), Max Weiler (Blumenbeet, 1949) und Alfons Walde (Gasslrennen, 1913) vertragen sich anscheinend bestens; Gottfried von Bouillon, 1530/32, von Hans Polhaimer d. Ä. steht gefährlich kriegerisch Schwert bei Fuß.

Die Terpsichore von J. D. Mahlknecht (1857) winkt der zurückhaltenden Votivstatue des Grafen Leonhard von Görz (um 1470) ziemlich eindeutig zu; die venezianischen Stelzschuhe scheinen dem barfüßigen Propheten aus Lindenholz (um 1200) doch nicht ganz zu konvenieren. Die ausgestopfte japanische Bergziege wirkt etwas enttäuscht über die längst leergegessenen Gefäße der Grabbeigaben aus Mühlau, und auch das Tafelklavier Franz von Suppes, gestiftet von seiner Witwe, scheint leicht verstimmt. Die Witwe Andreas Hofers bedauert, "daß die Wuth des in unser Haus ... eingedrungenen Feindes uns kein würdigeres Denkmal übrig gelassen habe" und überläßt der Nachwelt neben einem "bairischen Port d'Eppe" (Degengehänge) einen Schild und - sehr tirolerisch - einen Original-Andreas-Hofer-Hosenträger in Grün samt Echtheits-Certifikat. Ergreifend lieblich lächelt die Kruseler Madonna aus Pfons (1380/90) in ihrer modisch gerüschten Haube; bedeutsam präsentieren sich Violine und Kontrabaß von Jakob Stainer aus Absam, dem "Vater der deutschen Geige".

In Schränken und Schubladen, die der neugierige Besucher je nach Sammel-Lust und -Laune öffnen und schließen kann, drängt sich - alphabetisch gereiht - nützliche und unnütze Sammelware von A wie Adler oder Abzeichen, über B wie Butterkübel, H wie Hüte und Helme, R wie Ratten, W wie Wanzen bis Z wie Zylinder. Da muß jedes Sammlers Blut in Wallung geraten!

Was für eine herrlich bunte Schau! Ein fröhliches Sammelsurium mit ernsthaften Untertönen. Denn es erinnert uns daran, daß Museen nicht nur Bewahrungsanstalten, sondern, in einer immer rascher dahinhastenden Welt, auch Schatzkammern der Identität und des Gedächtnisses eines Landes sind.

Bis 30. August Information: (0512) 59 4 89-87 Jubiläumsband: öS 490,-, Tyrolia-Verlag, Innsbruck/Wien

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