7097757-1994_51_17.jpg
Digital In Arbeit

Tirols Sehnsucht nach der Antike

19451960198020002020

Ein an Rom orientiertes Kunstideal, Werke der Nazarener und des . Tiroler Biedermeier zeigt das Ferdinandeum in Innsbruck.

19451960198020002020

Ein an Rom orientiertes Kunstideal, Werke der Nazarener und des . Tiroler Biedermeier zeigt das Ferdinandeum in Innsbruck.

Werbung
Werbung
Werbung

Zweiundzwanzig Meisterwerke des 18. und 19. Jahrhunderts, unter dem Titel „Antikensehnsucht und Heimatsuche“ zusammengestellt, sind in den adaptierten Räumen für Sonder-ausstellungen im Erdgeschoß des Innsbrucker Ferdinandeums bis 5. Februar zu besichtigen. „Antikensehnsucht“ und „Heimatsuche“ stehen für eine Geisteshaltung, die sowohl über die Akademien in Wien und München als auch durch im Ausland geschulte und geprägte Künstler in Tirol geweckt wurde.

Um 1750 wird mit einer Sehnsucht nach Italien und nach der Antike eine fruchtbare Epoche der Kunst Tirols eingeleitet, die im Laufe des 19. Jahrhunderts mit genre- haften Darstellungen des Tiroler Volkslebens wie auch von Ereignissen der Tiroler Geschichte ihr Ende findet. Das neue, an der Antike und an Rom orientierte Kunstideal des Klassizismus löste eine wahre Flut von Meisterwerken aus. Orientierung an der Antike, Übernahme historischer Stoffe, klare und überschaubare Kompositionen, die „edle Einfalt und stille Größe“ sowie die starke Einbindung der Literatur waren wesentliche Kriterien des neuen Stils.

Inspiriert und bestärkt von berühmten Italiensuchenden wie Winckelmann, Goethe und Humboldt reisten im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert zahlreiche Maler, Bildhauer und Architekten nach Rom.

Eine der bedeutendsten Vertreterinnen dieser Richtung war die Malerin Angelika Kauffmann. Bei ihrem ersten Romaufenthalt 1763- 1766 erreichte Kauffmann auch ihren ersten künstlerischen Höhe- Sunkt. 1782 ließ sie sich endgültig in er Ewigen Stadt nieder und lebte dort bis zu ihrem Tod als gefeierte Künstlerin. Kauffmann beschränkte sich in Rom ganz auf die Porträtkunst und auf eine in einem empfindsamen Klassizismus gehaltene Historienmalerei.

Nach der Besetzung Roms durch die Franzosen 1798 malte sie vermehrt religiöse Themen, so das Altarbild „Krönung Mariens“, das sie der Pfarrkirche in Schwarzenberg im Bregenzerwald schenkte. In dieser Ausstellung ist Kauffmann mit den beiden Ölgemälden „Pallas von Turnus getötet“ (1786) und „Hermann von Thusnelda gekrönt“ (1786) zu sehen. Beide Werke gehen auf eine Bestellung Kaiser Josephs II. zurück. Dieser besuchte Angelika Kauffmann in ihrem römischen Atelier und gab zwei große Historienbilder in Auftrag, wobei er die Themenwahl der Künstlerin überließ.

Neben Angelika Kauffmann ist auch Christoph Unterberger in der Ausstellung vertreten. Er hielt sich bereits 1753 in Rom auf und fand in Zusammenarbeit mit Raphael Mengs zum Klassizismus. Sein Ölgemälde „Gottfried Johann Graf von Heister“ (um 1774/87) zählt zu den eindrucksvollen Bildschöpfungen der spätbarocken Porträtkunst in Tirol.

Ebenso lebte Michael Köck ab 1784 in Rom. In den ersten Rom- Jahren schuf er den

Altar für die Kirche der Elisabethi- nerinnen in Klagenfurt. Später wandte er sich den Werken Raffaels zu und war bald als Raffaelkopist be kannt. Im Auftrag von Papst Pius VII. schuf Köck die Gemälde der Apostel Simon und Thaddäus in der Kapelle des Quirinais.

Als besonders eindrucksvolles Stück der Ausstellung ist Michael Köcks „Geschichte des Achilles“ (1814) zu sehen: Papst Pius VII. hatte 1814 den Auftrag gegeben, einen Mosaiktisch mit Szenen zur Geschichte des Achilles zu fertigen. Köck und sieben Mitarbeiter führten diesen Auftrag nach dem vorliegenden Konzept Köcks aus.

Den Übergang von der „Antikensehnsucht“ zur „Heimatsuche“ bilden Meisterwerke der sogenannten Nazarener. Ihr Vorbild war das christliche Mittelalter, ihre Ziele eine bewußte Rückwendung zur altdeutschen Kunst, zur Gotik, eine Hinwendung zu Dürer und die Begeisterung für Raffael und Perugi- no. In der Ausstellung begegnet man Giuseppe Craffonara und seinem Gemälde „Madonna mit dem Schleier“ (1833). Gerade in diesem Werk wird die von den Nazarenern vertretene Kunstideologie deutlich.

Gebhard Platz ist mit „Fra Angelico da Fiesoie malt unter dem Schutz des heiligen Lukas die Madonna“ (1860) vertreten. Carl von Biaas’ „Maria Heimsuchung“ (1842) war dessen viertes in Rom fertiggestelltes Werk und blieb nm durch ei nen Zufall erhalten. Der Künstler selbst in seiner 1876 erschienen Autobiographie: „Der Besteller, Herr Unterberger in Innsbruck, verkaufte das Gemälde dann an das Ferdinandeum. Früher war es in römischen Ausstellungen. Und da es eine amerikanische Dame kaufen wollte, malte ich ihr eine verbesserte Wiederholung!“

Das Biedermeier brachte nicht nm einen neuen, auf private Werte bezogenen Lebensstil, sondern auch ein neues Kunstbedürfnis mit sich, das vor allem im Genrebild und in der Landschaftsmalerei sein zentrales Thema fand. Der Blick des Künstlers richtete sich auf die private Sphäre des Alltagslebens, auf das Land- und Bauernleben.

Das Vaterländisch-Nationale, hervorgerufen durch ein im 19. Jahrhundert ausgelöstes neues geschichtliches Bewußtsein und eine eigene nationale Identität fand auch in der Kunst seinen Ausdruck. So wurden Suche, Aufarbeitung und Darstellung der eigenen Geschichte zu begehrten Themen.

So sind Joseph Anton Kochs „Der Tiroler Landsturm im Jahre 1809“ (1819), Franz von Defreggers Werke „Speckbacher und sein Sohn Ander!“ (1869), „Tiroler Helden“ (1894) zu sehen, sowie Mathias Schmids „Vertreibung der Zillertha- ler Protestanten im Jahre 1837. Letzter Blick in die Heimat“ (1877), und Alois Gabis „Die Brautbetteinsegnung“ (1875) und „Die Sternsinger“, 1883.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung