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Tonnenweise schwarzes Gold aus dem Urwaldboden

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Erdölförderung ist eine der Hauptursachen der Zerstörung des ecuadorianischen Regenwaldes - eines einzigartigen Ökosystems, aber auch des Lebensraums indigener Völker.

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Erdölförderung ist eine der Hauptursachen der Zerstörung des ecuadorianischen Regenwaldes - eines einzigartigen Ökosystems, aber auch des Lebensraums indigener Völker.

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Von allen Ländern Südamerikas verschwindet in Ecuador, dem am Äquator gelegenen Andenstaat, der Regenwald am schnellsten. Eine Fläche von bis zu 150.000 Hektar geht alljährlich verloren. Hält das derzeitige Ausmaß der Waldzerstörung an, so werden die ecuadorianischen Amazonaswälder in 15 Jahren verschwunden sein.

Ursache hierfür ist in großem Maß die Förderung von Erdöl im Amazonasbecken Ost-Ecuadors. Ende der sechziger Jahre entdeckte der US-Öl-gigant Texaco im „Oriente” kommerziell nutzbares Erdöl, 1972 wurde mit der Förderung begonnen. Auf einem Konzessionsgebiet, das sich über 4.000 Quadratkilometer erstreckt, hat Texaco in 20 Jahren 339 Rohrlöcher niedergebracht. 1,4 Milliarden Rarrel (ein Barrel sind 159 Liter) des schwarzen Goldes wurden seit der Ankunft dieser modernen Conquistado-res aus dem Urwaldboden gepumpt. Ihnen sollten bald weitere Eroberer in das neue Eldorado folgen: allen voran US-amerikanische Firmen wie Occidental, Maxus oder Conoco (bei uns durch die Tankstellenkette „Jet” bekannt), aber auch eine Reihe von europäischen Konzernen, darunter Elf-Aquitaine, Agip und RP.

Das Regenwaldgebiet des ecuadorianischen Oriente ist ein einzigartiges Ökosystem, das Zehntausende verschiedene Pflanzen- und Tierarten beheimatet. Viele Arten davon sind endemisch, einmalig auf der ganzen Welt. Allein im Yasuni-Nationalpark, ein Welt-Riosphären-Reservat, das mit seinen 6.400 Quadratkilometern zu den größten geschützten Gebieten in Südamerika zählt, finden sich vier-bis fünftausend Arten von Rlüten-pflanzen, 600 Vogelarten und 120 Säugetierarten, darunter Jaguare, Ameisenbären und Süßwasserdelphine. Der Regenwald ist aber gleichzeitig auch Lebensraum für neun eingeborene Indianervölker - Quichua, Shuar, Achuar, Cofan, Siona, Secoya, Shiwiar, Zaparo und Fluaorani. Über Jahrhunderte haben diese indigenen Völker, von denen einige nicht mehr als 300 Mitglieder zählen, das ökologische Gleichgewicht des Regenwaldes bewahrt.

Mit der Ankunft der Ölarbeiter hat sich diese Situation schlagartig geändert. Rei 30 Leckagen in der 500 Kilometer langen Andenpipeline sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als 70 Millionen Liter Öl ausgeflossen, um die Hälfte mehr als 1989 beim Tankerunfall der Exxon Valdez vor der Küste Alaskas. Überall, wo Öl gefördert wird, ist das Wasser verseucht. 1992 trieb nach einem Rohrbruch ein 60 Kilometer langer Öltep-pich auf dem Rio Napo in das Amazonas-Tiefland. Tag für rI ag gelangen Tausende Liter toxisches Formationswasser, das mit dem Erdöl mitgefördert wird, sowie Ölschlämme ungeklärt in die Regenwaldflüsse.

Der Raubbau an der Natur hat nicht zuletzt auch für die im Regenwald beheimateten Indianerstämme katastrophale Folgen. Wo die Indianer nicht ohnedies von Rulldozern und Motorsägen von ihrem Land vertrieben wurden, hat die rücksichtslose Verseuchung der Umwelt ihre Lebensgrundlage, bestimmt durch Feldbau, Fischfang und Jagd auf Wildtiere, weitestgehend zerstört. Zudem ist die Ölpest Ursache für Erkrankungen und Allergien, gegen die die Heilpflanzen der Indigenen nichts mehr ausrichten. Die Indianer haben zwar ihren Widerstand gegen die Öl-Lobby formiert und bei lokalen und internationalen Umweltschutzgruppen Unterstützung gefunden, doch die Erfolge waren bisher gering. In ihrem Versuch, ihr kulturelles und wirtschaftliches Überleben zu sichern, werden sie nach wie vor von den Öl-konzernen und von der ecuadorianischen Regierung mit falschen \Ter-sprechungen übervorteilt oder mit der Androhung militärischer Gewalt zum Nachgeben gezwungen.

Im Lichte der wirtschaftlichen Lage des Landes malt sich die Zukunft des ecuadorianischen Regenwaldes und seiner Rewohner nicht rosig aus. Mit dem schwarzen Gold finanziert Ecuador 80 Prozent der Zinsrückzahlungen aus den 12,6 Milliarden US-Dollar Staatsschulden. Mit den Einkünften aus dem Erdölgeschäft bestreitet die Regierung die Hälfte des Staatshaushaltes. Rund zwei Drittel der Ölproduktion gehen in den Export, und seitdem sich die Regierung von Durän Rallen mit dem Austritt aus der OPEC im Dezember 1992 den Quotenbeschränkungen des Kartells entzogen hat, denkt man an eine laufende Erhöhung der Fördermenge - von derzeit 390.000 Faß pro Tag auf 570.000. Damit ist aber auch die immer rasantere Zerstörung des Regehwaldes vorprogrammiert.

Experten schätzen, daß die Ölreser-ven Ecuadors noch 15 Jahre reichen werden. Sind die letzten Ölquellen versiegt, wird auch der tropische Regenwald verschwunden sein und mit ihm womöglich auch die letzten Indianer des ecuadorianischen Amazonasgebietes.

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