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Triumph der „Trionfi“

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Nach Mailand und Stuttgart hat die Wiener Staatsoper als dritte Bühne eine szenische Aufführung des Triptychons der „Trionfi“ von Carl O r f f gewagt. „Weltliche Gesänge für Soli und Chor mit Begleitung von Instrumenten und mit magischen Bildern“ ist der Untertitel der „Carmina buraną", während die „Catulli carmina" als „ludi scaenici" und „Trionfo di Afrodite" als „concerto scenico" bezeichnet sind. — Der Regisseur Günther Rennert, dem Werk Orffs seit der Ur- und Modellaufführung der „Klugen" (1943 in Frankfurt) eng verbunden, betonte in seiner Wiener Inszenierung das statische Element im Sinne des szenischen Konzerts durch einen gleichbleibenden Bühnenraum, dessen Ausstattung (durch Caspar Neher) auf ein Minimum reduziert ist. In den beiden Seitenstücken sind die Chormassen dekorativ auf der Bühne postiert, in dem am meisten spielerisch und tänzerisch aufgelockerten Mittelstück, den „Catulli carmina", ist ein kleinerer Chor im Orchesterraum placiert. — In den „Carmina burana" wird das Schicksalsrad der Fortuna, ein horizontal freischwebender Riesenreif, ergänzt durch die Figuren des mittelalterlichen Totentanzes, die mit mvionettenhaften Bewegungen im Kreis aufmarschieren. Die Zeitlosigkeit des Geschehens wird in diesem Teil durch Verwendung teils vagantischer, teils höfischer Gewänder symbolisiert, in den „Catulli carmina“ durch moderne Kleidung sowohl der Tanzgruppe (Jünglinge und Mädchen) als auch der Greise, die vori einer Estrade das Lehrstück kommentieren, im „Trionfo di Afrodite“ durch Masken und klassizistische Kostüme und Requisiten. Hier, im letzten Stück, scheint das Ballett zuwenig eingesetzt. Für die „hochzeitlichen Spiele und Gesänge“ etwa hätte man sich durch Spiel- und Tanzfiguren der südosteuropäischen Folklore anregen lassen sollen, anstatt die Bewegungen des Riesenchors (der durch Mitglieder des Singvereins und der Singakademie ergänzt worden war) auf einige Schritte zu beschränken. Dagegen war die dezenteste Lösung für den „Gesang der Jungvermählten in der Hochzeitskammer“ die von Rennert und Neher gefundene: der Verzicht auf das geschlossene Hochzeitszelt und die Darstellung dieser Szene als reines Gesangsduett zwischen den Säulen eines kleinen Tempels. Ue’ber- haupt zeigen Inszenierung, Bühnenbild und Choreographie fast immer jenen guten Geschmack, der an zahlreichen heiklen Stellen dieser dreiteiligen Apotheose des Eros und der Lebensfreude besonders vonnöten ist. Der Chor und die Gesangssolisten Wilma Lipp, Gerda Scheyrer und Anny Felbermayer, Karl Terkal und Waldemar Kmentt (Hans Braun hatte leider keinen guten Tag) haben Hervorragendes geleistet, ebenso die Choreographin Erika Hanka, die einen wesentlichen Anteil an der Gestaltung dieser Inszenierung hatte, ferner das Ballett mit den Solisten Edeltraud Brexner und Richard Adama sowie das Orchester unter Heinrich Hollreiser.

Es war ein großer, festlicher Abend der Wiener Staatsoper, nach welchem sich der anwesende Komponist und alle Ausführenden für den lang anhaltenden Beifall des stark beeindruckten Publikums bedanken konnten. (Ueber die Musik Orffs und sein Gesamtwerk finden unsere Leser eine ausführliche Darstellung in der 5. Folge der „Furche" vom 2. Februar. In diesem Zusammenhang verweisen wir auch noch einmal auf die bei der „Deutschen Grammophon-Gesellschaft“ erschienenen Langspielplatten LPM 18 303, 18 393 und 18 305 mit der Aufnahme der „Triotifi“, deren Exaktheit und klangliche Ausgewogenheit eine szenische Aufführung naturgemäß nie erreichen kann.)

Vor einem begeisterten Publikum zeigten im Großen Konzerthaussaal Susana und Jose ihre zum Teil bereits bekannten und an dieser Stelle auch schon besprochenen historischen und modernen spanischen Meistertänze. Am eindrucksvollsten waren der klassisch vollendete Don-Juan-Zyklus und die das Programm beschließenden Flamenco-Tänze, die von einem Gitarristen und einem echten Flamenco- Sänger der alten Schule begleitet wurden.

Wolfgang Sawalliscb. der junge Aachener Generalmusikdirektor, der heuer die Bayreuther „Tristan“-Aufführungen leiten wird, war der Dirigent des 5. Konzerts im Zyklus „Die große Symophonie". Schon das Programm sprach für ihn: Werner E g k s brillante, durch fünf „Piėces de clavecin" von Rameau angeregte „Französische Suite“, Beethovens Es-dur-Konzert für Klavier und Dvoraks selten aufgeführte 4. Symphonie, die an die Stelle der vorgesehenen Zweiten von Brahms trat, nachdem Sawallisch erfahren hatte,-daß die letztere vor kurzem in einem Philharmonischen Konzert aufgeführt worden ist. Wir lernten einen Dirigenten kennen, der in Deutschland als „kommender Mann“, als „Kronprinz“ gilt. Bald wird sein Ruf nicht auf Deutschland allėin beschränkt bleiben. Denn Wolfgang Sawallisch ist ein eminenter. Musiker und der geborene Orchesterführer. Sein Temperament und seine Beweglichkeit sind für einen Mitteleuropäer ungewöhnlich, seine Reaktionen erfolgen blitzschnell, seine „Linke", mit der der Ton ununterbrochen modelliert und nuanciert wird, ist die ausdruckvollste, die wir kennen. Der Effekt, den er mit dieser „Technik“ erzielt, ist ein ähnlicher wie etwa der Mrawinskis oder Sanderlings mit den Leningrader Philharmonikern. Das Orchester der Symphoniker spielte unter Sawallischs elektrisierender Leitung nicht nur ungewöhnlich präzise, sondern auch um einige Grade heller und härter, als wir es gewohnt sind. Es wäre sehr erfreulich, wenn es gelänge, diesen Dirigenten für Wien, insbesondere für die Wiener Symphoniker, zu gewinnen. Friedrich W ü h r e r als Solist des Beethoven-Konzerts bot eine Meisterleistung Ungewöhnlich starker und langanhaltender Beifall.

Walter Klien spielte im Brahmssaal nach einet klanglich sehr differenziert gestalteten Chaconne von Händel mit Elan und Ausdruck Beethovens „Appasionata . Strawinskys barockisierende Sonate von 1924 geriet etwas un ruhig und stellenweise zu „lyrisch". Die drei brillanten Klavierstücke „Gaspard de la nult" von Ravel bildeten den effektvollen Abschluß des bedeutenden und erfolgreichen Klavierabends.

Karl Stumpf ist ein Kenner der Bratschen- und Violaliteratur und versteht es. im Konzertsaal eint intime kammermusikalische Atmosphäre zu schaffen. Das gelang am besten in der Bratschensonate mit Verwendung unbekannter Themen des 1 . Jahrhunderts von Milhaud, der kleinen Sonate für Viola d’atnore und Klavier von Hindemith und einem Trio für Viola, Kontrabaß und Klavier von Armin Kaufmann, das fein gearbeitet ist und besonder! im 1. Satz sehr pikant klingt. Die 1939 geschriebene „Irish Sonata" des in Amerika lebenden Oester- reichers Kurt Georg Roger ist ohne besondere Eigenart. Die Solovorträge eigener Kompositionen hatten mehr pädagogisches Interesse. Alfred K r e m e 1 a am Klavier war ein ausgezeichneter Begleiter.

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