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Am Stadtrand von Prag erinnert eine Dauerausstellung an die böhmischen Länder in der Donaumonarchie.

Fand die Wechselausstellung "Das habsburgische Jahrhundert 1791-1914" noch im Herzen der Hauptstadt, in Fischer von Erlachs Palais Clam-Gallas statt, so muss man zur jetzigen Schau an Prags äußersten Stadtrand pilgern. Doch weder die Unaussprechlichkeit des Ortsnamens CtÇenice (Ztjénjitze) noch die Entlegenheit des Museums sollte von einem Besuch abhalten. Denn nicht nur die Nostalgie und die Schaulust, sondern auch die Wissbegierigkeit jener, die über das gebrochene Verhältnis von Österreichern und Tschechen Aufschluss suchen, kommen dort auf ihre Rechnung.

Tschechische Irritationen

Schon die Vorgeschichte des bis auf den Schüttkasten schon prachtvoll restaurierten Ansitzes ist voll österreichischer Bezüge: Unter den Vorbesitzern finden sich die Familien Waldstein, Windischgrätz und Desfours-Walderode, und zuletzt gehörte das an eine kleine Kirchenburg gemahnende Anwesen der Wiener Bankiersfamilie Schoeller. Nach dem Zweiten Weltkrieg "fiel das Herrschaftsgut der Hauptverwaltung der Zuckerfabriken des Ministeriums für Lebensmittelindustrie zu", so die Legende in der kleinen Exposition zur Schlossgeschichte im Erdgeschoß. Dort wird auch des Schlosses in der benachbarten Ortschaft VinoÇr und seines Besitzers Ottokar Czernin gedacht, des über die Sixtusbriefe gestürzten Außenministers von Kaiser Karl.

Im ersten Stock hat der rührige Prager Informationsdienst, dem das Schloss 1995 vom Prager Magistrat übergeben wurde, jetzt die Ausstellung "Tschechen in Kakanien" eingerichtet, und der Titel drückt präzis den Blickwinkel aus. Fast wohnlich sind die Räume eingerichtet, doch gemütlich ist die Geschichte, die hier präsentiert wird, nicht, und auch bekannte Gesichter erscheinen in anderem Licht. Kaiser Franz Josef etwa wird vorgehalten, dass er sein mehrmals abgegebenes Versprechen gebrochen habe, sich so wie zum König von Ungarn auch zum König von Böhmen krönen zu lassen. "Hätte er sich krönen lassen, wären wir heute noch bei Österreich", kommentiert eine ältere Dame nachdenklich die Erläuterungen des Führers.

Franz Josefs Wortbruch

Aufhorchen lässt auch dessen Interpretation der Schlacht von Königgrätz: Diese sei von der österreichischen Armee nicht wegen ihrer veralteten Ausrüstung verloren worden, sondern weil ihre Soldaten "nicht für Österreich kämpfen wollten". Und die Revolution von 1848 konfrontiert den Gast aus Österreich mit drei Persönlichkeiten, die ihm kaum wirklich vertraut sind: Eine Büste erinnert an FrantiÇsek Palack´y, von dem man in Österreich zwar gern den euphorischen Satz zitiert, der österreichische Kaiserstaat müsste geschaffen werden, existierte er nicht schon längst, nicht aber den enttäuschten anderen Satz, wonach die Tschechen vor Österreich dagewesen seien und auch nach Österreich da sein würden. Von dem Publizisten Karel HavlíÇcek-Borovsk´y ist der Säbel ausgestellt und von Václav (Wenzel) Hanka ein Gedicht auf den von Feldmarschall Windischgrätz niedergeschlagenen Slawenkongress.

Ins Herz geschlossen haben die Tschechen offensichtlich nur den in Österreich bis heute als dümmlich abgeschriebenen Kaiser Ferdinand den Gütigen. Denn dieser hat nach seiner Abdankung im Dezember 1848 auf der Prager Burg Quartier genommen und dort bis zu seinem Tod 1875 Hof gehalten. Das bescheidene Kupee, mit dem er seine Ausfahrten unternahm, ist in dem ebenfalls sehr gefällig gestalteten Kutschenmuseum zu sehen, das in ehemaligen Stallungen neben dem Schloss untergebracht ist. Glanzstücke dieser selbständigen Exposition sind die Berline des Prager Primators (Bürgermeister tschechischer Städte führen bis heute diesen altertümlichen Titel) und vor allem, als Leihgabe des Erzbistums, die Prunkkarosse der Prager Erzbischöfe.

Karls Jugendtraum

Wer noch weiter in altösterreichischen Erinnerungen schwelgen möchte, der wird auch im nahe gelegenen Brand´ys nad Labem bedient. Schwarzgelbe Tafeln in antiquierter Schrift weisen auf die Einfahrt zum "kaiserlichen und königlichen Schloss" hin, freilich nur in tschechischer Sprache. Ein riesiges altösterreichisches Wappen begrüßt einen im Stiegenhaus, und sorgfältig wird die Geschichte des Schlosses dokumentiert, vor allem der toskanischen Seitenlinie des Hauses Habsburg, die das Schloss besaß, ehe es ein Jahr vor dem Zusammenbruch der Monarchie von Kaiser Karl erworben wurde.

Karl hatte, noch nicht einmal Thronfolger, in Brandeis seinen Militärdienst absolviert und fühlte sich hier so wohl, dass er an diesem Ort sein böhmisches Hoflager einrichten wollte. Durchwandert man die dicken Gemäuer und hohen Räume, kann man Karls und Zitas Zuneigung zu diesem Ort freilich kaum nachvollziehen. Am eindruckvollsten sind die Sgraffiti im Hof mit einer riesigen Darstellung von Hannibals Elefanten.

Seit der Seligsprechung des letzten Kaisers ist Brand´ys nad Labem ein Zentrum von Karls Verehrung in Böhmen, doch die Begeisterung dürfte sich in engen Grenzen halten, wird der katholischen Kirche Tschechiens von der breiten Öffentlichkeit doch nach wie vor die Nähe zum einstigen Herrscherhaus vorgehalten. Wie fern den Tschechen von heute die habsburgische Vergangenheit ist, dokumentiert die Brandeiser Historische Stadtgarde, die gerade im Schlosshof ihre Zelte aufschlägt. Man verfüge über "gotische, schwedische und napoleonische Uniformen", wird dem Besucher freundlich mitgeteilt, aber österreichische habe man keine.

Anfahrt

Das Schloss (Zámek) CtÇenice befindet sich am nordöstlichen Stadtrand von Prag in der BohdaneÇcská 1. Von der Straße 610 in der Ortsmitte von VinoÇr nach links abbiegen, nach ungefähr einem Kilometer an einer Linkskurve nach rechts. Von der U-Bahnstation VysoÇranská regelmäßige Busverbindung mit Linie 259 zur Station VinoÇrskÇy hÇrbitov (Friedhof), von dort ca. 20 Minuten zu Fuß. Sporadisch fährt von derselben Metrostation Bus 280 bis zur Abbiegung zum Schloss (Bedarfshaltestelle).

Öffnungszeiten: Juni - September täglich, im Oktober nur am Wochenende 10-18 Uhr. Das Schloss in BrandÇys nad Labem ist ganzjährig Di-So 10-16 Uhr, am Wochenende bis 17 Uhr geöffnet.

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