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Türkenschätze aus halb Europa in Bonn

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Wie schwer war es doch seinerzeit, eine Allianz für den Kampf gegen die vordringenden Türken zustandezubringen! Und wie willig fanden sich hingegen heute europäische Museumsdirektoren bereit, eine Ausstellung mit dem Titel „Im Lichte des Halbmonds - Das Abendland und der türkische Orient" zu beschicken. Aber heute sind ja auch die Türken mitten unter uns.

Die Initiative zu dieser Ausstellung ging von den Staatlichen Kunstsammlungen Sachsens aus, die sich in der „alten" Bundeshauptstadt Bonn vorteilhaft präsentieren wollten. Zu ihren einschlägigen Schätzen gehört natürlich auch Meißner Porzellan mit orientalischen Motiven. Ausstellungsobjekte sind Darstellungen der blutigen Kriege ebenso wie Zeugnisse des künstlerischen Austausches - vielerlei Anregungen aus dem Osmanischen Reich wurden bis in die Gegenwart aufgegriffen.

Die Leihgaben kommen aus Wien, Klosterneuburg, -Budapest und Ptuj (Pettau, Slowenien), aus Frankreich, Großbritannien, Holland und der Schweiz, aus Berlin, Köln, Karlsruhe und anderen deutschen Städten.

Das Stadtbild Dresdens ist nicht nur geprägt von der weltbekannten Kette prachtvoller Bauten am Elbufer, die allmählich wiederhergestellt werden, sondern auch von einer Moschee. Der heute denkmalgeschützte und zur Zeit in Bestaurierung befindliche Monumentalbau wurde 1909 errichtet - als Zigarettenfabrik Yenidze, wo „Salemaleikum Cigaretten" hergestellt wurden.

Nicht weit davon entfernt, in Badebeul, hatte sich Karl May seinen Alterssitz, die „Villa Shatterhand", zum Teil orientalisierend eingerichtet.

Der orientalische Einfluß geht in Sachsen aber viel weiter zurück. Hatte Goethe, der Schöpfer des „Westöstlichen Divans", in seiner Leipziger Studentenzeit das Türkenrelief über dem Portal des Hauses „Kaffeebaum" bewundern können, so war bereits Lessing, als Sohn des weltoffenen Augusteischen Sachsen, für die Gleichberechtigung der monotheistischen Religionen eingetreten.

Die Auseinandersetzung der Sachsen mit den Türken hatte schon zwei Jahrhunderte vor der zweiten Wiener Türkenbelagerung begonnen. Kaiser Friedrich III. hatte auf dem Reichstag zu Regensburg 1471 die Reichsstände zum Kampf gegen den Erbfeind zu einigen versucht, der seit dem Fall Konstantinopels 1453 als tödliche Gefahr gesehen wurde. Nur Herzog Albrecht, der Beherzte von Sachsen, folgte dem Buf des Kaisers. Mit seinem Kontingent allein war an eine effektive Abwehr nicht zu denken.

Auch die Bemühungen Kaiser Ferdinands I., der 1526 die Stephanskrone geerbt hatte, waren nicht sehr wirksam. 1542 gab Herzog Moritz von Sachsen mit eintausend Soldaten ein kurzes Gastspiel in Ungarn, weil er sein Land vom Vormarsch des Osmanen bedroht sah. Wie viele Protestanten sah Moritz in den Türken eine Strafe Gottes „für die papistischen Mißbräuche".

Noch einmal zog er mit 5.000 Reitern und 6.000 Knechten nach Ungarn und stärkte die Kampfmoral der' belagerten Festungen. Auch in der Schlacht von St. Gotthard-Mogersdorf 1664 waren die Sachsen dabei und kehrten nach dem Frieden von Eisenburg mit ersten Beutestücken heim. Beim Entsatz von Wien 1683 waren die Sachsen mit 10.400 Mann ebenfalls zur Stelle und zeichneten sich durch große Tapferkeit aus. Nur beim Griff nach der Beute waren andere schneller.

Ein sächsisches Kontingent half auch in Ungarn bei der Befreiung von Buda (1686) und kämpfte zwei Jahre später bei Belgrad. In der Zwi schenzeit hatte August der Starke den Befehl übernommen und schickte sich an, König von Polen (und katho lisch) zu werden. Als nach Prinz Eu gens Sieg bei Zenta die Sachsen abmarschierten, wurden sie a schließend nach Polen geschickt, wö sie wieder gegen die Türken zu kämp fen hatten.

Der aus dem Salzburgischen stam mende Hofbildhauer Balthasar Per moser schuf eine Apotheose August des Starken, in der auch besiegte Tür ken eine Rolle spielen. August kaufte aber auch gezielt osmanische Waffen; und osmanisches Reitzeug. Unter seit nen vielen Geliebten war eine Fati ma, die vermutlich aus dem Orient stammte.

Die vielen türkischen Objekte der Dresdener Sammlungen blieben bisher wissenschaftlich weitgehend unbeachtet. Erst diese Ausstellung bringt sie wieder zur Geltung. (Bis 17. März)

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