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Überwältigende Beobachtungen

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Mit abgestelltem Motor rollt unser Landrover die letzten Meter bis zum Wasserloch. Zwei andere Safarifahrzeuge stehen bereits da, ihre Kühler sind gegen Osten gerichtet. Ringsum herrscht penible Ruhe, Die Insassen der Fahrzeuge blicken wie gebannt in die von ihrem Guide angegebene Richtung, aus der Elefanten, Giraffen, Gnus und Antilopen zu erwarten sind. Die letzten Kameravorbereitungen sind gerade zu Ende gegangen, als sich eine riesige Antilopenherde ankündigt. Im allgemeinen verläuft die Tränke friedlich, sieht man von einigen Rivalitätskämpfen' der Jungböcke ab. Doch urplötzlich befällt eine unbeschreibliche Unruhe die Tierschar, keines der Tiere wagt es mehr genüßlich und entspannt der Wasseraufnahme nachzugehen ohne vorher ausführlichst die Umgebung taxiert zu haben. Eine 18köpfige Elefantenherde, wie wir gleich erfahren sollten, begründete dieses Verhalten. Während die grauen Riesen immer näher kommen, ist der in gleicher Weise erfolgende Rückzug der Antilopen nicht zu übersehen.

Die Wasserzeremonien der Dickhäuter erstrecken sich über einen Zeitraum von eineinhalb Stunden. Den halben Naturpool für sich in Anspruch nehmend, gewähren sie großzügigerweise den Antilopen Zutritt an der gegenüberliegenden Seite. Als wir nach ungefähr drei Stunden unsere Reobachtung abbrechen, atmet unser Guide erleichtert tief durch und lehnt sich entspannt in seinem Sitz nach hinten. „Du darfst den Leitbullen nie aus den Augen lassen", meint er anschließend zu mir. „Un-vorhersehbare Zwischenfälle die Tiere sind zwar die spähenden Resu-cher gewöhnt - können ihn blitzartig zu einem Angriff veranlassen."

Für die meisten Fremden verfügt die nahezu wasserlose Etoscha-Pfan-ne, seit 1907 zum Wildschutzgebiet erklärt, über die größte Anziehungskraft Namibias. Mit einer Fläche von zirka 22.000 Quadratkilometern umfaßt dieser Nationalpark nur mehr ein Viertel seiner ehemaligen Ausdehnung, der Rest ist dem Anpassungsprozeß an die Homeland-Politik Südafrikas zum Opfer gefallen.

Die weiten Ebenen, die an die Pfanne heranführen, besitzen ein reiches Tierleben. Mit etwas Glück und Geduld kann in dieser ständig zwischen Steppe und Savanne wechselnden Landschaft eine Safaritour zu einem unvergeßlichen Unterfangen werden. Revorzugte Gebiete der Step-penzebra, der Weißschwanzgnus und der Springböcke sind die Grassavannen mit ihrem süßen, nährstoffreichen Gras. Von den 114 Säugetierarten sind die Elefanten, die mit einer Schulterhöhe bis zu vier Metern zu den größten des Kontinents zu rechnen sind, zweifelsohne der Stolz des Nationalparks. Allerdings haben sie relativ unterentwickelte Stoßzähne, was sich über den geringen Mineralhaushalt ihrer Nahrung erklären läßt. Giraffen, Löwen, Spitzmaulnashörner, Kudus, Oryxantilopen, Strauße und andere lassen bei den Tierbeobachtungen die Herzen höher schlagen. Als beste Reobachtungszeit gelten die Monate Mai bis einschließlich August, in welchen durch die akute Trockenheit in der Pfanne die Tiere zum regelmäßigen Aufsuchen der Wasserlöcher gezwungen sind. Die beiden Camps Halali und Okaukuejo lassen, da die Tiertränken auch beleuchtet werden, sogar Reobachtun-gen rund um die Uhr zu.

Die Namib, eine typische Küsten-wüste, nimmt die gesamte westliche Küstenlandschaft von der angolanischen Grenze im Norden, bis an den Oranje, dem Grenzfluß zu Südafrika ein. Diese älteste Wüste der Welt wird in der Sprache der Nama bezeichnenderweise als „Ort, an dem nichts ist", beschrieben. Von Swakopmund werden Wüstenausflüge in den Namib-Naukluft-Park, dem größten Naturschutzgebiet des Landes, angeboten. Die Landschaft wechselt vom erhabenen Gebirgsmassiv zu Wüstenebenen, welchen hohe Dünen aufgesetzt sind, von tiefen Schluchten zu Gezeiten ausgesetzten Lagunen. Dabei kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Wüste nicht unbedingt

Öde bedeuten muß, denn die Regei-sterung des rätselhaften Spiels von Licht und Schatten, das je nach Tageszeit und Lichteinfall die Landschaft in ständig neue Farben und Kontraste taucht, kennt bald keine Grenzen. Viele Pflanzen und Tierarten versorgen sich über «Jert-Nebel und nächtlichen Tau — Kondensationsvorgänge, die der küstenparallele, kalte Benguelastrom im Zusammenspiel mit dem Passat bewirkt, und die etwa 80 Kilometer landeinwärts noch wahrnehmbar sind - mit dem kostbaren Naß. Die Wüste lebt im wahrsten

Sinne des Wortes, Akazien, Kameldornbäume und Tamarisken begleiten unsere Piste. Dann sind wir plötzlich umgeben von fossilen Pflanzen. Die Welwitschia mirabilis mit ihren am Roden liegenden Rlättern, im Aussehen einer abgestorbenen Agave ähnlich, soll bis zu 2.000 Jahre alt werden und ist unter den Sukkulenten Namibias, da endemisch, etwas ganz Resonderes.

Anderorts entdecken wir Flechten in den Farben gelb, grün und rot. Nicht weniger als 80 verschiedene Arten soll es allein in der Namib geben. Ihr Wachstum von vier bis fünf Millimeter im Zeitraum von zehn Jahren kann durchaus als bescheiden bezeichnet werden. Eine nahezu riesenhafte Ausdehnung hingegen besitzen die bis zu sieben Meter hohen Köcher-bäüme, deren Name auf die San (Buschmänner) zurückzuführen ist, die aus den Ästen dieser sonderbaren Bäume Köcher für ihre Pfeile fertigen.

Bei Sossusvlei haben wir angeblich die höchsten Dünen der Welt vor uns. Der Sand hierfür wurde vor Millionen von Jahren über den Oranje aus den Lesotho-Hochebenen westwärts zum Atlantik verfrachtet und anschließend durch den Benguelastrom entlang der Küste aufgeschüttet. Das Ergebnis sind riesige, bis zu 300 Meter hohe, Wanderdünen, die sich unter dem Einfluß des kräftigen Südwestwindes zirka 20 Meter in einem Jahr landeinwärts verlagern können.

Namibia, diese ehemalige deutsche Kolonie, die 1990 erst ihre Unabhängigkeit gegenüber der Republik Südafrika durchzusetzen vermochte, konnte sich wirtschaftlich bis heute noch nicht erholen. Von Südafrika über Jahrzehnte als „fünfte Provinz" des Staates betrachtet, unterlag es als Rohstofflieferant einer regelrechten Ausbeutung und war, da man industrielle Entfaltung zu verhindern wußte, ein willkommener Markt für Konsumgüter aus Südafrika.

Zwar reich an Rodenschätzen, im besonderen an Uran und Diamanten, gingen die Gewinne auf Grund permanent sich abwärtsbewegender Rohstoffpreise immer mehr zurück. Die wirtschaftliche Belastung wuchs ins Unermeßliche, da die Erträge aus dem Rergbau mit zirka 30 Prozent am Zustandekommen des Rruttosozial-produkts beteiligt sind. Dazu kommt noch, daß gerade dieser überaus wichtige Wirtschaftszweig sich nach wie vor nahezu zur Gänze in südafrikanischen Händen befindet.

Mit dem in zunehmendem Maße expandieren Tourismus hat Namibias Wirtschaftsleben ein weiteres, heute nicht mehr wegzudenkendes Standbein erlangt. Seit dem Erreichen der Unabhängigkeit vor sechs Jahren setzt man, da die Subventionen von Südafrika der Vergangenheit angehören, im Wirtschaftsleben verstärkt auf den Tourismus.

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