Unbeirrter Einzelgänger

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Hans Fronius als Maler im Unteren Belvedere in Wien.

Trübes Weiß, Blau, Grau in allen Schattierungen, und Rotbrauntöne: die Farbpalette des Hans Fronius ist voll gedeckter Töne, pastos, spontan, unruhig aufgetragen, durchgehend expressiv und kaum bekannt. Im Unteren Belvedere kann man sie nun entdecken. Fronius, diese Einzelgestalt der österreichischen Nachkriegskunst, ist vor allem als Grafiker und zeichnerischer Literatur-Begleiter ein Begriff. Es wäre ein Versäumnis, seine malerische Seite nicht zu kennen.

Als Einzelgänger und Außenseiter des Kunstbetriebs verdingte sich Fronius im Brotberuf als Professor für Kunsterziehung in Graz und Fürstenfeld. Gemalt hatte er zwar immer schon, doch erst mit der Frühpensionierung 1960 begann eine Phase exzessiver Malerei. Endlich konnte sich Fronius bei Tageslicht ungeteilt der Kunst widmen. Er ging seinen Weg mit der Farbe genauso unbeirrt wie in der Grafik. Resistent gegen Moden und Zeitströmungen, war er ein vehementer Gegner des allzu Abstrakten, lebenslang ein glühender Verehrer des Expressionismus, und blieb seinen Farben ebenso treu wie bestimmten Themen, die in seinem Ruvre immer wieder kehren. Kafka,Totentanz, Hiob, Christus. Angst, Bedrohung, das Tiefgründige, Unbehauste schwingt immer mit, und sei es nur als milde Melancholie: nichts bleibt, nichts ist sicher, nichts so, wie es scheint. Alles schwankt: Linien, Wolken, Perspektiven.

Fronius erlebte den Untergang der Monarchie in einer Intensität, die ihn sein Leben lang prägte. Geboren wurde er 1903 in Sarajewo. Seine Mutter entstammte einer Wiener Künstlerfamilie, sein Vater einem jahrhundertealten siebenbürgischen Adelsgeschlecht, er war Arzt. An seiner Hand wurde der elfjährige Hans Zeuge des Attentats auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Gattin. Dieses Erlebnis prägte den sensiblen, künstlerischen Knaben, Zeichnen und Malen wurde für Fronius Überlebensstrategie: durch den Krieg rettete er sich zeichnend, bis zuletzt verstand er sich als leidender Künstler. Das Motiv des "Hiob" inspirierte Fronius immer schon, in Öl stellt er den großen Leidenden des alten Testaments 1985 dar. Ein fahles, weißes Gesicht zeichnet diesen "Hiob", tiefe, dunkle Augenhöhlen ziehen tiefe Furchen, rotes, zerzaustes Haar, ausfließendes Rot um den Mund, als ob Blut herausfließen würde. Ein bewegter Schwung ums Auge, eine magere, spitze, weiße Schulter, ausgemergelt liegt der Körper hingeworfen, von schmalen Armen kaum mehr gehalten: alles entgleitet hier auf dem Ungrund der roten Angst, einem von schwarzen Schatten durchzogenen Boden.

Dem Expressionismus als Leitstern folgte Fronius ein ganzes Künstlerleben lang unbeirrt, die Kunst der Farbkontraste, der gegeneinanderlaufenden Linien und Flächen hat er perfektioniert und zu einem ganz persönlichen Ausdruck verdichtet. Seine Malerei profitiert vom grafischen Können. Die schräge Kante des dunklen Kais in "Paris", 1954 macht das Boot am Wasser erst richtig hell, die Dunkelheit der anderen Boote lassen die Seine erst spiegeln. "Torcello" besticht mit einem klar aus der Bedrohlichkeit der Landschaft hochragenden, roten Turm, in "Pirano", 1964 findet sich in unzähligen, stark gezogenen Dachkantenlinien das brodelnde Leben darunter ausgedrückt.Wie die Expressionisten auch, hegte er, der dem Statisch-Ruhigen nicht wirklich trauen konnte, eine Vorliebe für das Bewegte. Das zeigt sich an vielen Zirkusbildern: doch selbst seine "Theodora" 1956, strahlt auf ihrem schwarzen Pferd weniger Mondänes als viel mehr Vergängliches aus. Im "Totentanz", 1975 trifft sich der Hang zum Vergänglichen mit dem Wunsch, Bewegung darzustellen: dieses weiß-blaue-Kombination von Skeletten und Frauen zählt zu den eindrucksvollsten Bildern.

Die große Faszination, die Kafka auf Fronius ausübte, zeigt sich auch malerisch : "Die Behörde", 1983 fängt das sprachlose Grauen ungewisser Angst im Bild ein. Gekrümmte Beamtenrücken mit strahlendweißen Westen werden hinter einem blutroten Tisch, dessen Kante das Bild schräg teilt, zu einer diffus feindlichen Masse. Das weiße Papier am Tisch scheint sich aufzulösen, als schemenhafte schwarze Fläche mit Schatten findet sich der einzelne Bürger allein auf der anderen Seite.

Der durchgehende Schleier der Betrübnis, der seinen expressiven Bildern ihre eigenwillige Stimmigkeit verleiht, schöpft aus der selben Quelle wie die berühmten Illustrationen zu Kafka, Villon, Poe. Fronius verinnerlichte, was er sah und empfand, verarbeitete es, um es dann als "imaginiertes" Bild oder "imaginiertes" Porträt abzubilden. Es ging ihm nicht darum, etwas so zu malen, wie es sich darstellt, sondern so, wie er es in seiner Wesenheit erspürte. Die Denkerstirn des Kunsthistorikers Fritz Novotny leuchtet: schräge Kopfhaltung, ein schräger Bildrahmen, ein schräger Boden vermitteln innere Unruhe. Der buckligen, devoten Haltung und dem fahlen Grinsen im grünen "Herrenbildnis" ist nicht wirklich zu trauen. Die inneren Bilder dürften schon stimmen.

Fronius' Malerei scheint zu leben, Grenzen verschwimmen, Linien brechen, selbst Landschaften werden unruhig, verlieren unter seiner Pinselführung und Farbgebung alles Vordergründige. Auch sie sind - wie Porträts, Totentänze, Zirkuspferde, Stadtlandschaften - nicht nach Naturstudium entstanden, sondern den Tiefen der Erinnerung des 1988 verstorbenen Künstlers entrissen, die von Trauma und Trauer überschattet war.

Bis 1. April 2002

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