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Verhullungen, Freiheitsvisionen

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Festspielzeit - Ausstellungszeit: Salzburg bietet heuer wieder Vielfältiges: Zeitgenössische Kunst bei Ropac, Expressionismus im Rupertinum

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Festspielzeit - Ausstellungszeit: Salzburg bietet heuer wieder Vielfältiges: Zeitgenössische Kunst bei Ropac, Expressionismus im Rupertinum

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Fünfundzwanzig bildende Künstler - darunter zehn Frauen -hatte Galerist Thaddäus Ropac eingeladen, unter dem Titel „Die Muse?” Frauenbilder in der zeitgenössischen Kunst zu entwerfen, zu entdecken. Von Maria La ssnigs angstvoll blickender Frau im Greifarm eines Baggers („Frau in der Klemme”) zu Inez van Lams-weerdes puppenhaften Frauenleibern, deren äußere Geschlechtsmerkmale wegmanipuliert wurden („Thank You Thighmaster, Kim”), von Louise Bourgeois' grauslicher „Spinne”, einer fast drei Meter hohen Stahlplastik, bis zu „Lying Gun” von Laurie Simmons, auf dem unter einem riesigen Revolver Frauenbeine hervorlugen, thematisieren Künstlerinnen die gewaltsame oder subtile Unterdrückung und Manipulation von Frauen. Auch Marie-Jo Lafontaines „schöne” Frauenporträts - traurige, verhalten-aggressive Foto-Gesichter unterschiedlicher Nationalität gehören dazu.

Ganz anders das „Musen”-Spek-trum der männlichen Künstler: „Venus” ist - als Holzskulptur farbig oder natur - mehrfach vertreten (Jim Dine), die „Mutter” sowieso, sei es in Mimmo Paladinos fünf geheimnisvollen Terrakottabüsten, die jeweils eine weitere Gestalt in sich bergen, oder in Antony Gorm-leys stilisierten Gebärvorgängen.

Weibliche Körper und ihre erotischen Reize darzustellen - ein ewiges Thema - gelingt etwa Jeff Ko-ons mit seinen plakativen Selbstdarstellungen gemeinsam mit seiner Gefährtin La Cicciolina („Fingers between Legs”, „Hand on Breast”). Auch Eric Fischls „Untitled”, eine fast filmplakatartige Szene des „Nachher” ist dafür ein gelunges Beispiel ebenso wie Julio Galans „Duluth” oder „Mara Looking at the Sea”, in denen laszive Erotik trotz Verhüllung aus dem heiligen-bildchenartigen Kontext der Frauenporträts bezogen wird.

Daß Francesco demente in seinen sechs Kohlezeichnungen („Fashion Drawing I - VI”) Frauenkörper in metallstarrende Mieder, Kleider, Nachtgewänder zwängt, zeigt deutlich sadistische Phantasien.

In früheren Epochen spiegelten sich in den Abbildungen der„Mu-sen” wohl auch die Beziehungen der Frauen zum Künstler, sie beeinflußten - v^enn auch zeitlich begrenzt -sein Schaffen provozierend, anregend, ermöglichend.

Die expressionistischen Bilder aus der Sammlung der Firmengruppe Ahlers im deutschen Herford sind erst seit kurzem der Öffentlichkeit zugänglich. Jan A. Aahlers hatte bis 1993 seine Schätze im Depot verwahrt und nur anonym an Museen verliehen. Achtzig von etwa 300 bis 400 Objekten sind nun im Rupertinum zu sehen.

Am Anfang stand Enttäuschung über die verfehlte Aufnahmsprüfung an die Akademie, die Jan. A. Ahlers veranlaßte Kaufmann zu wer den wie sein Vater in dem von die seml919 gegründeten Unternehmen für Herrenbekleidung. Erste Bildchen wurden - anstelle eines Motorrades -mit vom Vater geliehenen Geld er worben, in den fünfziger Jahren wa ren Werke der deutschen Expressio nisten noch relativ günstig zu haben In seiner Geburtsstadt Herford lernte Ahlers Gabriele Munter, die Lebens gefährtin Wassily Kandinskys, kennen, durch sie auch emigrierte Kunst sammler und -händler in den USA Menschen, die Max Beckmann, Andrej Jawlensky oder Franz Marc noch persönlich gekannt hatten. Bei einem Atelierbesuch verweigerte Max Beck manns Tochter den Verkauf ihres! Porträts „Quappi in Blau im Boot” mit dem Hinweis auf Ahlers' Jugend - viele Jahre später kaufte der Samm ler es doch - natürlich zu einem un gleich höheren Preis.

Zeitlebens hat Ahlers über seine Ankäufe „aus dem Bauch” entschie den, beraten wohl von Sammlern und Kunsthistorikern. Seine Postkarten Sammlung „ungekaufter Bilder” be zeugt seinen Ruf als „großer Zau derer”. Jeweils wechselnd gibt es für Ahlers ein Lieblingsbild.

In Gabriele Münters „Krank” liegt ei ne bleiche Frau in blauem Kissen, ro te Blumen hinterm Kopfkissen. Ernst Ludwig Kirchners „Brandenburger Tor, Berlin” in seinem Grün-Gelb-Blau durchziehen braune Wagen „Franzi mit Katze” sitzt nackt - tür kisgerändert - auf einem roten Tuch eine braune Katze zur Seite. In Kirch ners Farbholzschnitt „Wintermondnacht” überstrahlt ein Purpurhimmel die eisblauen Bergwände, rot starren auch die Tannen.

Einen Höhepunkt der Ausstellung bilden Jawlenskys Frauenporträts, die „Asiatin” mit ihren schweren eben mäßigen Zügen, die „Bacchantin” mit ihren blaustrahlenden Augen, „Silence”, den Mund stumm aufge rissen, „Manola” mit den Rosen im das schmale Antlitz umrahmenden dunklen Haar.

Kandinskys „Murnau-Obermarkt mit Gebirge” zeigt eine Häuserzeile mit schweren dunklen Schatten, die direkt ins violette Gebirge weist Franz Marcs Tiergestalten („Fabeltier II”, „Stier”, „Die drei Pferde”) betören durch Farbgebung und Raumdurchdringung, August Mackes „Schaufenster” ist mit seiner zarten Farbabstufung voll dynamischer Intensität. Lovis Corinths „Walchensee” atmet feuchte Kühle, Emil Nol-des „Tänzerin” explodiert in wilder Bewegung, sein „Mann mit junger Tochter” paraphrasiert alle Nuancen des Rot. Ergreifend hat Paula Moder sohn-Becker die alten Augen einer Frau mit schwarzem Kopftuch festge halten. Holzschnitte und Lithografi en ergänzen die Schau, von der der Abschied schwerfällt.

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