Verwandlungs-Künstler

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Die "Meta-Buildings" von Dominique Perrault im Architekturzentrum Wien. Sein Donau-City-Gate ist gerade im Werden.

Mit gewöhnlichen Gebäuden gibt sich Dominique Perrault nicht zufrieden, seine Architektur greift tief ein ins Mark einer Stadt. Ihre Grenzen sind dehnbar, fließen aus in öffentliche Räume und bilden so spezifische neue Orte mit Sogwirkung. "Meta-Building" taufte Perrault diese Gebäude, von denen mit dem Doppelturm auf der Donauplatte auch in Wien eines im Werden ist. Dieses und drei andere der aktuellsten "Meta-Buildings" des französischen Stararchitekten sind derzeit im Architekturzentrum Wien zu sehen.

Neue Orte mit Sog-Wirkung

"Ein Meta-Building überschreitet die Dimension eines Gebäudes zugunsten der Landschaft und der Stadt, sowohl maßstäblich als auch konzeptionell", definiert Perrault im Katalog. "Es verhält sich zu einem Gebäude etwa wie eine Kunst-Installation zu einem Gemälde. Die Wirkung eines Gemäldes in einer Ausstellung beschränkt sich im Wesentlichen auf sein Wahrnehmungsumfeld an der Wand. Eine Installation dagegen verwandelt oft den ganzen Ausstellungsraum in etwas völlig anderes. Ähnlich verwandelt ein Meta-Building einen Ort in einen anderen, ohne den ersten verschwinden zu lassen. Architektur im herkömmlichen Sinn ist zu archaisch, um eine solche Operation zu bewirken. Um die Stadt zu verwandeln, genügt es nicht, ihre Morphologie zu verändern. Nötig ist vielmehr eine Transformation der Geografie, der Landschaft und der Interaktion der sie prägenden Elemente. Die Verwandlung des Ortes ist für mich der eigentliche Gegenstand der Architektur."

Schon die Nationalbibliothek in Paris, mit der er als 36-jähriger Architekt einen der wichtigsten Wettbewerbe der Ära Mitterand gewann und den internationalen Durchbruch schaffte, weist Charakteristika eines Meta-Buildings auf. Der elegant geformte Bau aus Glas und Stahl, der den Lesenden Paris zu Füßen legt, wie ein aufgeschlagenes Buch aussieht und so zum stadtwirksam bedeutungstragenden Symbol der Grande Nation wird, entwächst einer urbanen Park-und Flanierlandschaft, die den Bibliotheksrahmen sprengt und den Ort verwandelte.

Die Wiener Doppeltürme

Auch die zwei filigranen, 220-und 160-Meter-Hochhaustürme des geplanten Donau-City-Gate werden fernwirksam die Wiener Stadtsilhouette prägen. Scharfkantig gefasst, wenden sie einander zwei von schmalen, unregelmäßig dynamisch vor-und rückspringenden Glasstreifen gegliederte Fassaden zu, die mit oszillierenden Lichtreflexionen gleichsam den Luftraum als neuen öffentlichen Ort zwischen sich entdecken und über ihn in Dialog zueinander treten.

Land-marks ...

Die komplexe Gestalt der Hochhausfronten ist weit mehr als eine formale Spielerei: ihre feinteilige Gliederung ermöglicht über die jahrelange Planungsphase ein flexibles Reagieren auf Anforderungswechsel im Nutzungsmix aus Büros, Hotel, Wohnen usw. "Der Bauherr wollte eine Land-mark setzen. Diese tanzende Linie ist eine Anpassungsstrategie: sie kann Schritt für Schritt modifiziert werden und behält dabei die Größe, um ein Statement zu setzen", so Perrault bei der Pressekonferenz. Der höchste Turm Wiens wird erst im Dialog mit dem zweiten zum vielschichtigen Tor an der Donau, das auf den unteren Ebenen mit abgetreppen kleineren Gebäuden um eine Piazza auf einem begehbaren Dach fußt und mit Promenaden eine Nahverbindung zum Fluss schafft.

Die elitäre Ewha Womans University in Seoul wurde 1886 von der christlichen Missionarin Mary Scranton gegründet, eine Königsidee brachte Perrault den Sieg im Wettbewerb zur Erweiterung der ehrwürdigen Institution am Hügel. Um eine riesige Freitreppe graben sich die beiden 240 Meter langen Glasfassaden des neuen Campus Center für 20.000 Studentinnen ins Gelände. 14 Eingänge führen von der zentralen Flaniermeile zu den Ebenen unterm grasbewachsenen, als Park gestalteten Dach, die einen 24-Stunden Lesesaal, Seminarräume, Theater, Kinos, Cafés u.ä. beinhalten. Das Gebäude wird zur weitläufigen Promenade, die das bestehende Universitätsgelände mit Bahntrasse und Stadt verbindet und verwandelt.

...in Seoul, St. Petersburg ...

Dem ehrwürdigen Mariinski-Theater in St. Petersburg stellte Dominique Perrault einen Zubau gegenüber, der von einer spektakulären Gebäudehülle umgeben ist. Aus netzartigen Rippen geflochten, legt sich das unregelmäßige Raumgebilde wie eine goldene Haube über das neue Opernhaus. Sie schafft ihm ein ausgedehntes Foyer mit einer riesigen Freitreppe, das auf mehreren Ebenen zum mehrfach kristallin gebrochenen Schaufenster zur Stadt wird, das von innen Licht und die tanzenden Schatten der Rippenstruktur in den Straßenraum wirft. Dort aber gewährt es den Passanten Einblicke ins mondäne Leben rund ums Opernhaus.

... und Madrid

Das Olympische Tennisstadion in Madrid liegt auf einer Insel in einem Park, seine Fassaden sind aus einem luftdurchlässigen Metallgewebe, das die Atmosphäre des umgebenden Grünraums ins Innere durchdringen lässt und mit Dächern, die man hochklappen kann, die Arenen auch zum freien Himmel öffnet. Die vier verschiedenen "Meta-Buildings" im Architekturzentrum veranschaulichen, wie wandelbar Gebäude sein müssen, um ihren Umraum verwandeln zu können. Um zu überprüfen, ob die realisierten Projekte das auch tun, wird man nicht weit reisen müssen. 2010 soll Perraults City-Gate fertig sein.

Dominique Perrault

Architecture. Meta-Buildings

Architekturzentrum Wien

Museumsplatz 1, 1070 Wien

www.azw.at

Bis 23. 10. tägl. 10-19, Mi 10-21 Uhr.

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